Bochum/Herne. Im Fall der Herner Mutter, die zwei ihrer Kinder ermordet haben soll, haben Ärzte ausgesagt. Lange war von ungeklärten Todesursachen die Rede.
Mit der Zeugenbefragung zweier Ärzte ist am Freitag am Bochumer Schwurgericht der Kindermord-Prozess gegen eine Mutter (33) aus Herne fortgesetzt worden, die vor mehr als zehn Jahren ihre Kinder Tayler und Justin erstickt haben soll. Dabei wurde bekannt: Erste Zweifel an natürlichen Todesfällen gab es offenbar schon im Jahr 2012.
Unaufgeregt, uninteressiert, ungewöhnlich routiniert: Einem Kinderarzt, der 2012 in der Bochumer Kinderklinik den reanimierten Justin behandelt hatte, waren schon damals Verhaltensauffälligkeiten bei der Mutter aufgefallen. Am 13. Mai 2012 war der damals 19 Monate alte Justin notfallmäßig in die Kinderklinik Bochum eingeliefert und reanimiert worden, neun Tage später letztlich aber doch an schweren Hirnverletzungen verstorben.
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„Todesnachricht ungewöhnlich routiniert aufgenommen“
„Das Verhalten der Mutter“, so der Kinderarzt, „war völlig affektlos“. Die Hernerin habe praktisch „keinerlei Reaktion“ gezeigt, als man sie kurz nach der Aufnahme des Kindes über den dramatisch ernsten Gesundheitszustand informiert habe. Der Mediziner: „Sie fragte mich dann sogar, ob sie nun schonmal einen Bestatter bestellen könne“. In diesem Zusammenhang habe die Hernerin ihm „sehr sachlich“ und „sehr emotionslos“ berichtet, dass sie bereits Erfahrung habe, weil sie vor wenigen Monaten ja bereits ein Kind verloren habe. Auch die spätere Nachricht vom Tod Justins habe die Angeklagte „ungewöhnlich routiniert aufgenommen“, erinnerte sich der Kinderarzt. „Sie wollte direkt gehen. Das habe ich als sehr irritierend empfunden.“
Einer anderen Ärztin in der Kinderklinik hatte der als Zeuge befragte Kinderarzt aus Herne Jahre später auf Nachfrage bestätigt, dass er damals schon „erhebliche Zweifel hatte, dass Justin eines natürlichen Todes gestorben ist, dass jedoch die Beweise fehlten“. Die offiziell vermerkte Todesursache sei mit „ungeklärt“ vermerkt worden. Rund vier Jahre später hatte derselbe Kinderarzt auch mit dem dritten Kind Jason der Herner Mutter zu tun, der laut Anklage im April 2018 einen Erstickungsversuch überlebt hat.
Kinderärzte diskutierten Verdachtsmomente in ihren Fallkonferenzen
Dabei wurde bekannt: Bei Jason hatten die Kinderärzte im Anschluss an seine Geburt im Jahr 2015 mit Blick auf zuvor zwei unerklärlich zu Tode gekommene Geschwister zur Überwachung ein sogenanntes Heim-Monitoring eingerichtet. Dabei werden Atmung und Herzfrequenz im Schlaf des Kindes extern überwacht, die Daten werden aufgezeichnet und ausgewertet. Die Daten ergaben nie Auffälligkeiten. Der angeklagte Tötungsversuch soll im April 2018 stattgefunden haben. Mithin zu einem Zeitpunkt, als das Heim-Monitoring wegen des vorgerückten Alters des Kindes offenbar bereits beendet worden war.
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Auch ein Kinderarzt aus Wanne-Eickel, der Jason bis Januar 2021 behandelt hat, bestätigte, dass im Nachhinein in Fallkonferenzen mit Kollegen „Verdachtsmomente“ mit Blick auf die Geschehnisse um die drei Kinder der Herner Mutter diskutiert worden seien.
Verteidiger halten Zeugenaussagen der Kinderärzte für unverwertbar
Die Angeklagte verfolgte die Zeugenaussagen, wie bereits beim Prozessauftakt die Anklageverlesung, überwiegend reglos. Zwischendurch hatte die 33-Jährige allerdings zweimal kurzzeitig geweint und sich Tränen aus den Augen gewischt. Ihre Verteidiger Tanja Langa und Stefan Gerou ließen durchblicken, dass sie die Zeugenaussagen der Kinderärzte für unverwertbar halten. Hintergrund dafür sei die ärztliche Verschwiegenheitspflicht.
Laut der Doppelmord-Anklage soll die Frau aus Herne 2011 und 2012 ihre zwei Kinder Tayler und Justin erstickt haben. Als 2018 der kleine Jason nach einem mutmaßlich weiteren Erstickungsversuch in Lebensgefahr in die Klinik gekommen war, hatte kurz danach auf Hinweis einer Kinderärztin die polizeiliche Ermittlungsgruppe „Hieronymus“ Ermittlungen aufgenommen. Der Prozess wird fortgesetzt.