Herne. Eine interne Vorlage löst Unruhe aus: Die Stadt schlägt vor, ihre Beschäftigungsgesellschaft bei der Wewole einzugliedern. Warum es Kritik gibt.
Die Verwaltung will nach WAZ-Informationen prüfen lassen, ob die Stadttochter Gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft Herne (GBH) 33 Jahre nach der Gründung ihre Eigenständigkeit verlieren und in die Wewole-Stiftung eingegliedert werden soll. In der Ratssitzung soll die Politik am Dienstag, 27. September, im nicht öffentlichen Teil einen entsprechenden Prüfauftrag beschließen. Sowohl gegen diese Sparmaßnahme als auch gegen die Informationspolitik der Stadt wird in der Ratsopposition Protest laut.
Nach WAZ-Informationen führt die Stadt vor allem finanzielle Gründe für einen solchen Schritt an. In der Vorlage für den Rat weist die Verwaltung darauf hin, dass die GBH zwar sehr erfolgreich als zertifizierter Träger unter anderem für Maßnahmen der Arbeitsagentur und des Jobcenters sowie als Dienstleister für die Stadt arbeite, aber „wirtschaftlich defizitär“ sei. Die Verluste in sechsstelliger Höhe würden jeweils über den städtischen Haushalt ausgeglichen.
Die aktuelle Geschäftsführerin werde voraussichtlich September 2023 altersbedingt ausscheiden. Und auch das führt die Stadt an: Räumlichkeiten der GBH und insbesondere der Pavillon an der Südstraße seien teilweise „am Ende des Lebenszyklus“ angekommen und könnten nicht mehr genutzt werden. Hier stünden demnächst erhebliche Investitionen an.
Externe Berater sollen Vorschlag der Stadt Herne prüfen
Vor diesem Hintergrund will die Stadt „beleuchten“, ob eine Neuaufstellung der GBH im Verbund der gemeinnützigen Wewole-Stiftung (früher: Werkstatt für Behinderte) „sachlich und wirtschaftlich sinnvoll ist“. Die Wewole wiederum habe ein Interesse daran, sich das Feld der Arbeitsförderung jenseits der Eingliederungshilfe zu erschließen. Und auch Synergie-Effekte im „erheblichen Umfang“ seien zu erwarten. Im Falle einer Eingliederung sei zudem zu berücksichtigen, dass der Einfluss der Stadt auf arbeitsmarkt-politisch bedeutende Projekte erhalten bleibe.
Aufgrund der Komplexität des Sachverhalts sollten externe Berater einbezogen werden, schlägt die Stadt vor. Im Falle eines positiven Beschlusses des Rates sollen die Prüfungsergebnisse im ersten Quartal 2023 vorliegen. Bereits am Sonntag und Montag machten die Grünen und die Linkspartei ihre großen Bedenken gegen die Pläne öffentlich.
Unter der Überschrift „Brauchen wir eine städtische Beschäftigungsgesellschaft oder machen wir Sozialpolitik in Herne nach Kassenlage?“ führt die Linken-Ratsfraktion eine ganze Reihe von Gründen gegen einen solchen Schritt an. Und: „Wir kommen immer mehr zu dem Eindruck, dass sich die Verwaltungsspitze der Stadt Herne unter Herrn OB Dr. Dudda immer mehr aus der Sozialpolitik verabschiedet. Erst das Geeiere um das Sozialdezernat, jetzt die Abwicklung der GBH“, so Linken-Fraktions-Chefin Veronika Buszewski in einer Pressemitteilung.
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Herner Linkspartei: Geheimhaltung ist unverschämt
Konkret kritisiert die Linkspartei unter anderem, dass hier der zweite Schritt vor dem ersten gemacht werden solle. Denn: Zunächst müsste die Frage diskutiert werden, ob Herne eine eigenständige GBH benötige. Die SPD habe dies 2020 in ihrem Kommunalwahlprogramm nicht nur bejaht, sondern sogar noch Vorschläge für eine Ausweitung und Intensivierung des Geschäftsfeldes gemacht. Diese Forderung könne man nur unterstützen: „Nur eine kommunale Beschäftigungsgesellschaft kann aus städtischer Sicht gesellschaftlich notwendige Arbeiten und Projekte unter kommunaler Regie oder kommunaler Mitwirkung sicherstellen.“
Als „geradezu unverschämt“ bezeichnet es Buszewski, dass der gesamte Vorgang „geheim“ ablaufen soll. Auch im mit Ratsvertretern besetzten Aufsichtsrat der GBH habe es bisher keinerlei Informationen gegeben. Die Grünen-Ratsfrau Dorothea Schulte – sie ist wie Buszewski Mitglied im GBH-Aufsichtsrat – kritisiert im Gespräch mit der WAZ ebenfalls die Informationspolitik.
Die Grünen haben zur Ratssitzung den Antrag gestellt, das Thema im nicht öffentlichen Teil zu diskutieren. Wie die Linkspartei plädiert auch die Grünen-Sozialexpertin Dorothea Schulte dafür, dass die GBH als wichtiges Arbeitsmarktinstrument unter dem Dach der Stadt bleiben soll. Und sie weist darauf hin, dass die Träger sehr unterschiedliche Zielgruppen hätten.
Die Stadtverwaltung wollte am Montag auf Anfrage der WAZ aus Gründen des Datenschutzes nicht öffentlich Stellung nehmen zu den Plänen. Wewole-Geschäftsführer Rochus Wellenbrock war nicht zu erreichen.
>>> 80 Stammmitarbeiter, 500 Menschen in Maßnahmen
Die Gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft Herne (GBH) ist eine hundertprozentige Stadttochter. Hauptamtliche Geschäftsführerin ist Ursula Westphal, nebenamtlicher Geschäftsführer ist zurzeit noch Dennis Neumann, Leiter des Fachbereichs Schule.
Nach Angeben der GBH hat die Gesellschaft aktuell 82 feste Mitarbeitende sowie rund 500 Menschen in Projekten und Maßnahmen.