Herne. Herne hat einen Strategieplan zur Demokratieförderung erarbeitet. Daran beteiligt waren neben der Verwaltung auch Bürgerinnen und Bürger.

Es war im Jahr 2019, als plötzlich sogenannte „besorgte Bürger“ durch die Innenstadt liefen. Als Reaktion darauf formierte sich das Bündnis Herne und stellte sich der rechten Gruppierung so lange entgegen, bis diese ihre „Spaziergänge“ einstellten. Dieses prominente Beispiel offenbart, dass Demokratie nicht als selbstverständlich betrachtet werden darf, dass eine Gesellschaft immer an ihr arbeiten muss. In Herne geschieht dies - mit dem Strategieplan „Demokratieförderung in Herne“.

Dass er just zu einem Zeitpunkt präsentiert wird, an dem weltweit Demokratien unter Druck geraten, ist Zufall. Vertreter der Stadt Herne, aber auch der Zivilgesellschaft haben ihn in den vergangenen drei Jahren im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ gemeinsam erarbeitet, an dem sich der Fachbereich Kinder, Jugend und Familie seit 2015 beteiligt.

Der Strategieplan umfasst sechs verschiedene Themenfelder: die Demokratieförderung selbst, die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, rechte Strömungen, Rassismus gegen Sinti und Roma, Antisemitismus sowie antimuslimischer Rassismus. Insgesamt wurden 30 Ziele formuliert, für deren Erreichung 52 Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

Stephanie Jordan, Fachbereichsleiterin für Kinder, Jugend und Familie, sieht die Erarbeitung des Strategieplans als spannenden Lernprozess für Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger.
Stephanie Jordan, Fachbereichsleiterin für Kinder, Jugend und Familie, sieht die Erarbeitung des Strategieplans als spannenden Lernprozess für Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Einige Beispiele: So soll es einen stadtweiten Aktionsplan zur sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt geben, dazu soll zunächst ein runder Tisch eingesetzt werden; die Entwicklung rechter Strukturen und Netzwerke in Herne soll fortlaufend dokumentiert werden, möglich machen soll dies eine digitale Plattform zur Dokumentation antidemokratischer Aktivitäten; damit Sinti und Roma über ihre Rechte und Pflichten in Deutschland aufgeklärt sind, sollen Sprachlotsinnen und -lotsen sie unterstützen; Jugendliche sollen für Rassismus und Antisemitismus sensibilisiert werden, dazu soll es Fortbildungsangebote für die Schülervertretungen geben; um antimuslimischem Rassismus entgegenzuwirken, soll ein runder Tisch eingerichtet werden.

„Demokratieladen“ für Kinder und Jugendliche wird in Kürze eröffnet

Ein weiterer zeitlicher Zufall: Die Arbeit an dem Strategieplan begann 2019 - also im Jahr der rechten „Spaziergänge“. Der Prozess mit Workshops und Diskussionen sei intensiv gewesen, so Schuldezernent Andreas Merkendorf, der Plan enthalte durchaus auch Dinge, die kontrovers seien. Doch Demokratie müsse und solle auch anstrengend sein. Stephanie Jordan, Leiterin des Fachbereichs Kinder, Jugend und Familie, wies auf die Besonderheit hin, dass der Strategieplan nicht allein von der Verwaltung erarbeitet worden sei, sondern auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft. Dies sei ein ausgeprägter Lernprozess gewesen, weil beide Seiten aus unterschiedlichen Perspektiven auf Dinge schauen. Und es gebe über den Plan hinaus bereits konkrete Ergebnisse: So soll in Kürze ein sogenannter Demokratieladen für Kinder und Jugendliche eröffnet werden.

Cordula Galla, die Mitglied des „Bündnis Herne“ ist, hat sich als Bürgerin bei der Erarbeitung engagiert. Sie freut sich, dass sie als Privatperson die Möglichkeit hatte, sich aktiv einzubringen, unter anderem mit einem Impulsreferat. Außerdem habe sie viele neue Akteure kennengelernt, und sie habe gelernt, wie Verwaltung „tickt“.