Herne. Lehrermangel extrem: Durch ständige Lehrerwechsel hinken Kinder einer Herner Gesamtschule im Stoff ein Jahr hinterher. Was der Schulleiter sagt.
Die Eltern der Klasse 8d der Gesamtschule Erich-Fried sind sauer. Richtig sauer. Statt Aufholen nach Corona stehen bei ihren Kindern seit drei Jahren ständige Lehrerwechsel und Unterrichtsausfälle auf dem Stundenplan. Die Folge: Zum Beginn der achten Klasse beginnen ihre Kinder mit dem Englischbuch der Klasse 7. „Das kann so nicht weitergehen“, sagt die Klassenpflegschaftsvorsitzende Maike Elsner und wendet sich mit einem Hilferuf an die WAZ.
Sieben verschiedene Lehrer und acht Wechsel allein in Englisch, so die Bilanz nach gut drei Jahren an der Gesamtschule. Das ist mehr als jedes Halbjahr eine neue Lehrkraft. „Der ständige Wechsel und die Corona-Pandemie wirken sich natürlich negativ auf die Klausuren und Noten unserer Kinder aus“, sagt Maike Elsner, deren Tochter Josie die 8d besucht. „Wir sind sauer, dass die Schule aufgrund von personellen Schwierigkeiten ihrem Lehrauftrag nicht angemessen nachkommt“, sagt Mutter Julia Brächter. Bei einigen Kindern sei die Englischnote um ein bis zwei Noten schlechter geworden.
Herne: „Abwärtsspirale“ seit Beginn des Corona-Lockdowns
Bei einem Elternabend haben die anwesenden Mütter und Väter kürzlich entschieden: So darf es nicht weitergehen. Bereits im Vorfeld habe man über die Klassenlehrer und die Schulleitung versucht, dem Wechselspiel ein Ende zu bereiten – ohne Erfolg. Immer wieder gab es neue kurzfristige Unterrichtsausfälle und dann Lehrerwechsel. Deshalb gehe man nun an die Öffentlichkeit. Dabei ist den Müttern, die stellvertretend für die Eltern der 8d mit der WAZ sprechen, wichtig zu betonen: Ihr Ärger richte sich nicht gegen einen einzelnen Lehrer; niemand, der krank wird, könne etwas dafür. Aber es dürfe mit dieser „Abwärtsspirale“ so nicht weitergehen.
„Die Kinder haben gar keine Lust mehr auf den Englischunterricht“, bedauert Klassenpflegschaftsvorsitzende Maike Elsner. „Die Kinder sind demotiviert“, sagt auch Mutter Melanie Piontek. Die Kontinuität fehle, da die Kinder sich immer wieder auf neue Lehrer einstellen müssten, die anders ihre Noten vergeben. Durch die ständigen Wechsel müsse immer wieder von vorne angefangen werden. Unterrichtsausfälle und die Einarbeitung der neuen Lehrkraft hätten dazu geführt, dass die Kinder zum Beginn des achten Schuljahres gerade einmal mit dem Englischbuch der siebten Klasse begonnen haben.
Eltern haben Angst um Abschlüsse ihrer Kinder
„Unsere Kinder gehen auf die Gesamtschule, um hier vielleicht auch mal ihr Abitur zu machen“, sagt Julia Brächter. Bei den Prüfungen frage niemand mehr, wie viele Lehrer sie schon hatten und wie viel Unterricht ausgefallen ist. „Wir haben uns diese Schule ausgesucht, weil sie einen extrem guten Ruf hat. Man hat uns eine Förderung der Kinder versprochen“, so Brächter. Aber das sei bei den Personalwechseln gar nicht möglich. „Wir haben wirklich Angst, dass unsere Kinder ihre Leistungen nicht erbringen können und ihre Abschlüsse nicht schaffen.“
Schulleiter Stephan Helfen zeigt gegenüber der WAZ Verständnis für den Ärger der Eltern, dem sie nun lautstark Ausdruck verleihen. „Es ist eine besondere Situation“, betont er. Schwangerschaften, Elternzeiten, Krankheiten und befristete Verträge hätten in der Summe zu diesen Wechseln geführt. „Wir haben versucht, Kontinuität reinzubekommen, um die missliche Lage zu verbessern“, sagt Helfen. Aber leider sei dies nicht gelungen.
Schulleiter verspricht zusätzliche Förderstunde in Englisch
„Die Unterrichtsversorgung ist generell angespannt“, sagt der Schulleiter. Allein in Herne konnten zum Beginn des Schuljahres laut Bezirksregierung Arnsberg 58 Lehrerstellen nicht besetzt werden (die WAZ berichtete). Hinzu komme ein Generationswechsel im Kollegium der EFG, das nun viele junge Kollegen hätte, die öfter wegen Elternzeiten oder Schwangerschaften ausfielen. Es sei nun wichtig, nicht zurück zu gucken, sondern in die Zukunft.
Und in dieser möchte Helfen nun der Klasse 8d zusätzliche Unterstützung zukommen lassen: Die Kinder sollen künftig mit doppeltem Personal im Englischunterricht unterstützt werden sowie eine zusätzliche Förderstunde pro Woche in Englisch erhalten, um das Versäumte aufzuarbeiten. Zunächst solle dieses Programm bis zum Ende des Halbjahres laufen, verspricht Stephan Helfen den Eltern. Dann werde geschaut, wie sich der Leistungsstand der Kinder in Englisch verbessert hat.