Herne. Der neue Tunnel Baukau soll schon bald staugeplagte Autofahrer entlasten. Auf die Herner kommen der Bauarbeiten wegen Einschränkungen zu.
- Der Tunnel Baukau wird 550 Meter lang. 60 Meter werden unterirdisch gebaut
- Wegen der Tunnelarbeiten wird die Cranger Straße für fast ein Jahr gesperrt
- OB Dudda zieht Vergleich zur Stadtentwicklung
Es kracht, im Tunnel und in den Ohren, Staubwolken trocknen den Mund. Stück für Stück meißelt sich der monströse Bagger durch das Gestein, und dann: Licht. Der Tunnel Baukau in Herne, der künftig den Verkehr von der A 43 aus Bochum auf die A 42 Richtung Duisburg leiten soll, hat am Montag einen weiteren wichtigen Schritt getan. Der sogenannte „Tunneldurchstich“ ist vollbracht.
Das Bauwerk, insgesamt später einmal imposante 550 Meter lang, soll das Nadelöhr A 43/A 42 in Herne entlasten. „Diese Verbindung ist eine der meisten befahrenen im östlichen Ruhrgebiet“, erklärt Elfriede Sauerwein-Braksiek, Leiterin der Autobahn-Niederlassung Westfalen. Der größte Teil des Tunnels wird „offen“ gebaut, lediglich 60 Meter müssen „bergmännisch“ gegraben werden, denn über der Tunneldecke verlaufen Bahngleise.
Das „neue“ Kreuz Herne steht vor schwierigen Herausforderungen
Das „neue“ Herner Kreuz, das macht Sauerwein-Braksiek klar, wird kein klassisches Kleeblatt, wie es die meisten Autobahnkreuze sind. „Das Kreuz ist geprägt von städtischen Straßen und Bahnstrecken“, ergänzt sie, deswegen mussten die Arbeiter vor den ersten Meißelarbeiten im September 2021 einen „Schutzschirm“ aus Rohren entlang der Decke und den Wänden des zukünftigen Tunnels ins Gestein rammen. Die stellen sicher, dass die Bahngleise oben nicht vom schweren Gerät im Tunnel beeinträchtigt werden.
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„Hier wurde 24 Stunden am Tag gebaut“, berichtet Sauerwein-Braksiek der versammelten Presse im Tunnel, und den anwesenden Arbeitern schwillt zurecht vor Stolz die Brust. 7000 Kubikmeter Erde haben sie losgemeißelt und weggeschafft, immer in Fünf-Meter-Schritten, dann mussten die Wände erstmal einbetoniert werden. Sieben solcher Blöcke sind schon fertig, nach Adam Riese 35 Meter also – mehr als die Hälfte ist geschafft.
Cranger Kirmes als Maßstab: Diese Einschränkungen kommen auf die Herner zu
Doch nach der Fertigstellung der fehlenden 25 Metern ist die Arbeit für den Tunnel Baukau noch lange nicht getan. Die verschiedenen Tunnelstücke müssen miteinander und mit den Autobahnen verbunden werden, geplant für Ende 2023, und dann kommt noch die technische Ausstattung. Sämtliche Lichter, Sicherheitsvorrichtungen und ein Fußgängertunnel für die Flucht im Notfall kommen dann in den Tunnel.
Besonders wichtig für Herner: Die Cranger Straße, eine der wichtigen Ost-West-Verbindungen in der Stadt, steht dem Tunnel im Weg – im wahrsten Wortsinne. Ein Stützpfeiler der Brücke, die die Cranger Straße über die A 43 führt, steht direkt „im“ zukünftigen Tunnel. Deswegen wird die Brücke abgerissen und neu gebaut. Eine besondere Herausforderung in der Kirmesstadt Herne, denn so ganz ohne Brücke taugt die Straße natürlich nicht mehr als Verbindung zur Cranger Kirmes. Planmäßig soll die Brücke daher kurz nach der Kirmes 2023 abgerissen werden, die neue Überführung soll kurz vor der Cranger Kirmes 2024 befahrbar sein. Wenn alles glatt läuft, rollen 2025 die ersten Pkw durch den neuen Tunnel auf die A 42.
Tunnelbau mit Beistand von oben – und aus der Politik
Das alles ist jetzt noch Zukunftsmusik, gerade dominiert die Freude über den erfolgreichen Tunneldurchstich – auch bei Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda. „Das ‘Licht am Ende des Tunnels’ passt auch gut zur Stadtentwicklung“, lobt der OB die Stadt und ihre Bürger. Für die sei das Bauwerk elementar. „Die Zukunft der Städte wird in den Netzen geschrieben: in Energienetzen, in digitalen Netzen, aber auch in Verkehrsnetzen.“ Den Plural wählt der Politiker wohl nicht ohne Grund, als einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte im Pott reicht die Bedeutung des Autobahnkreuzes weit über die Herner Stadtgrenzen hinaus.
Weg von baulichen und lokalpatriotischen Aspekten, hin zu weit weniger weltlichen Angelegenheiten: Andrea Oehler, CDU-Bürgermeisterin, ist Tunnelpatin und irdische Vertreterin von St. Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute. „Es ist mir eine Ehre, Tunnelpatin zu sein“, sagt sie, und blickt auf die Ikonenfigur der Schutzheiligen, die Tag und Nacht über die Tunnelbauer wacht. Und weil man von Glaube, Liebe, Hoffnung allein nicht leben kann, brachte Oehler „ihren“ Tunnelarbeitern immer wieder ein wenig zu Essen vorbei: Süßigkeiten zu Weihnachten, Osterhasen zu Ostern und Bier und Bratwurst zur Tunnel-Halbzeit. Die Bergleute dankten es ihr mit einer Plakette – der 60 Meter lange Tunnelabschnitt heißt offiziell inoffiziell „Andrea-Tunnel“.
Glückliche Gesichter im Tunnel
Nach den Reden röhrt dann endlich der Bagger: Matthias Behring, der auch schon den ersten Stich im September getan hat, schwingt sich in seine Maschine und rückt der Tunnelwand zu Leibe. Er stochert und bohrt, reißt und zieht mit dem massiven Meißel am Ende des Baggerarms, Steinlawinen rumpeln die Tunnelwand hinab.
Mittlerweile sind alle Smartphones gezückt, Linsen und Augenpaare blicken hoch, dann rollt ein letzter Stein und die Sonne scheint in den Tunnel. Glückliche Gesichter ringsum, und es mag eine Täuschung der Sinne sein: Aber jetzt, da im Tunnel Durchzug herrscht, weicht der muffige Baustellengeruch einem frischen Wind. Vielleicht ist es das kollektive Aufatmen der Autofahrer, die einem stauärmeren Ruhrgebiet ein wenig näher gekommen sind.
>> DESHALB WIRD DIE A 43 AUSGEBAUT
- Die A 43 hat mit 100.000 Fahrzeugen täglich die Kapazitätsgrenze für vierspurige Autobahnen überschritten.
- Auf 28 Kilometern soll die Strecke zwischen Marl-Sinsen und Witten-Heven bis 2030 sechsspurig ausgebaut werden.
- Zwischen Rhein-Herne-Kanal und Bochum-Riemke müssen insgesamt 21 Brücken angepasst oder erneuert werden.