Herne. Hannah Peters belegte bei der Weltmeisterschaft für Gehörlose den dritten Platz. Warum die 22-jährige Hernerin „zwischen zwei Welten“ lebt.
Die Hernerin Hannah Peters ist leidenschaftliche Sportlerin. Sie nimmt regelmäßig an Leichtathletik-Meisterschaften teil – und jetzt auch an den „Deaflympics“.
Wenn die Siebenkämpferin ihr Cochlea-Implantat vom Kopf entfernt, hört sie nichts mehr, auch nicht ihren eigenen Atem beim Sprint. Die 22-jährige Sportlerin wurde gehörlos geboren. Das Implantat ermöglicht es ihr seit dem zweiten Lebensjahr, auch an der Welt der Hörenden teilzunehmen. Sie tritt regelmäßig im Siebenkampf auf Leichtathletik-Meisterschaften sowie nun auch bei den sogenannten Deaflympics (aus den englischen Wörtern „deaf“/„taub“ und „Olympics“/„Olympischen Spiele“), einem Wettbewerb im Gehörlosensport, an.
Auf dem Programm stehen dann Sprint, Hürden, Weitsprung, Hochsprung, Speerwerfen, 800 Meter-Lauf und Kugelstoßen. Dabei ist sie erfolgreich. In Polen auf der Weltmeisterschaft für Gehörlose belegte sie im Siebenkampf den dritten Platz und wurde dadurch im vergangenen Jahr zur besten jugendlichen Gehörlosensportlerin in Deutschland gekürt. Im Mai nun trat Hannah bei den Deaflympics in Brasilien an – und erreichte den fünften Platz im Siebenkampf.
Hernerin macht jeden Tag Sport
Derzeit studiert Peters Lehramt in den Fächern Sport und Biologie an der Uni Duisburg-Essen am Standort Essen. Sport ist ihr Leben: Neben dem Studium und der Bachelorarbeit trainiert sie im Verein USC-Bochum und zusätzlich in Essen beim Gehörlosen-Turn- und Sportverein. Außerdem ist sie Trainerin beim LC Westfalen Herne. Zusätzlich ist sie einmal am Tag sportlich unterwegs, im Fitnessstudio oder sie macht Ausdauertraining. Auch wenn dadurch das Privatleben etwas eingeschränkt wird, sei es das wert: „Das ist kein großes Problem, da ich viele Freunde im Sport habe und meine anderen Freunde da sehr verständnisvoll sind.“ Ein Leben ohne den Hochleistungssport will die Hernerin nicht mehr missen – ob das tägliche Training, um fit zu bleiben, das Reisen für die Meisterschaften oder die Freundschaften. Auch ihre Arbeit als Trainerin bereichere sie sehr, und es helfe ihr für ihren späteren Job als Sportlehrerin.
Sportlerin möchte nicht auf Cochlea-Implantat angewiesen sein
Durch das Cochlea-Implantat war es ihr möglich, auf eine übliche öffentliche Schule zu gehen: Sie ging zunächst auf die Realschule Sodingen und machte anschließend ihr Abitur auf dem Alice-Salomon-Berufskolleg in Bochum. Durch das Implantat und eine Sprachtherapie musste sie auch nie Gebärdensprache lernen. Nun holt sie das nach, um sich mit anderen aus dem Verein und auf der Gehörlosen-Meisterschaft besser verständigen zu können. Aber nicht nur deswegen: Sie möchte nicht auf das Implantat angewiesen sein, falls es mal kaputt gehen sollte.
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Die Sportlerin findet es wichtig, dass über die Deaflympics aufgeklärt wird. Sie selber habe nichts von ihren Möglichkeiten gewusst, sprich: dass sie an den Deaflympics teilnehmen dürfe. „Ich habe am Anfang gedacht, dass ich da gar nicht mitmachen darf, wegen meines Implantates“, sagt sie. Umso mehr freue sie sich, dass sie endlich einen Ort gefunden habe, mit dem sie sich verbunden fühle. Sie könne endlich eine Welt erkunden, die seit der Geburt zu ihr gehöre, die ihr aber nie bekannt gewesen sei. „Zwischen zwei Welten“, nennt es die Hernerin.
Schon von klein auf habe sie durch ihre Familie die Leidenschaft zum Hochleistungssport entdeckt. Heute sei ihr ein Leben ohne Sport gar nicht mehr möglich. Seit über zehn Jahren betreibt die Hernerin Leichtathletik. „Durch die Bundesjugendspiele in der Schule und meine Lehrerin bin ich damals auf den Hochleistungssport gestoßen“, erzählt sie.
Auch mit Implantat nicht immer leicht
Wenn Peters bei dem Deaflympics antritt, nimmt sie ihr Cochlea-Implantat ab und ist somit komplett gehörlos. Für sie sei diese Umstellung nicht schwierig. Man müsse aber „sehr aufmerksam sein und seine Augen gut nutzen, alle anderen Sinne werden in dem Moment angestrengt“, sagt sie. Aber auch mit Implantat sei es nicht immer leicht. Da sie die Sinnesprothese nur auf einer Seite trägt, leide sie, durch das Richtungshören, teilweise oft unter Konzentrationsschwierigkeiten und Kopfschmerzen.
Und so geht es weiter: Im März 2023 reist sie nach Polen, um an der Hallen-WM als Fünfkämpferin anzutreten.
>> WEITERE INFORMATIONEN: Cochlea-Implantat
Ein Cochlea-Implantat ist eine Sinnesprothese, die gehörlosen und hochgradig schwerhörigen Menschen wieder zum Hören verhilft. Dabei wird, anders als bei einem Hörgerät, der Schall nicht verstärkt, sondern elektrisch direkt an den Hörnerven gesendet.
Dazu wird ein flaches Implantat unter die Kopfhaut eingepflanzt. Ein außen hinter dem Ohr getragener Audio-Prozessor enthält die Mikrofone und sendet die Signale drahtlos durch die Haut zum Implantat. Der Audioprozessor enthält auch die Batterien und kann durch eine Fernbedienung gesteuert werden.