Herne. Folge des Kriegs in der Ukraine: Die Herner Tafel verzeichnet einen großen Ansturm. Auch andere Hilfseinrichtungen spüren eine größere Nachfrage.
Ansturm auf die Herner Tafel: Die Einrichtung spürt einen großen Zuwachs von Kunden, die als Flüchtlinge aus der Ukraine nach Herne gekommen sind. „Sonst haben wir immer etwa 1500 Menschen pro Woche versorgt“, sagt Martin von Berswordt-Wallrabe, Mitglied im Vorstand der Herner Tafel. „Inzwischen sind wir bei 2400.“ Vor allem in den vergangenen sechs Wochen sei die Zahl noch einmal sehr deutlich gestiegen. Auch andere Hilfseinrichtungen in Herne verspüren eine zuletzt deutlich gestiegene Nachfrage.
Bereits im März hatte von Berswordt-Wallrabe von einer deutlichen Zunahme bei den Neuaufnahmen gesprochen. Zu der Zeit waren es zwischen 20 bis 25 Neuanmeldungen pro Woche. Inzwischen sei die Zahl auf etwa 70 pro Woche gestiegen, so von Berswordt-Wallrabe. Dabei handele es sich fast ausschließlich um Menschen, die aus der Ukraine kommen.
Diese Flüchtlingswelle unterscheide sich von der aus Syrien, bei denen die Geflüchteten zunächst in Flüchtlingsunterkünften untergekommen und dort auch vom Land versorgt worden seien. Dieses Mal würden die meisten Ukrainer sofort privat unterkommen und unmittelbar als Geflüchtete anerkannt. „Damit haben sie direkt Anspruch auf Sozialleistungen und sind im Kundenkreis der Herner Tafel“, so das Vorstandsmitglied weiter. „Deshalb ist es viel massiver spürbar, als es das damals war.“
Bisher kein Aufnahmestopp bei Herner Tafel
Es sei nicht absehbar, dass die Zahl in naher Zukunft zurückgehe. „Das stellt uns vor die große Herausforderung, dass wir diese Menschen auch alle versorgen müssen“, sagt er. Die Tafeln anderer Städte wie etwa in Essen und Duisburg haben angesichts der gesteigerten Nachfrage bereits einen Aufnahmestopp verhängt. In Herne sei das noch kein Thema: „Wir sind im Moment noch in der Lage, dass wir den Menschen helfen können, so dass wir noch keinen Aufnahmestopp machen mussten“, so Martin von Berswordt-Wallrabe.
Das sei aber nur durch die immense Unterstützung von Einzelpersonen und Vereinen möglich gewesen. Dabei seien nicht nur Geldspenden, sondern vor allem auch dringend benötigte Lebensmittelspenden eingegangen. Diese könnten auch weiterhin direkt an der Bielefelder Straße 145 abgegeben werden.
Das Zeppelin-Zentrum, das neben der Beratungsstelle für Arbeitslose auch Mittagessen und eine Kleiderkammer vor Ort anbietet, spürt auch eine deutlich gesteigerte Nachfrage. „Neben vermehrten Beratungsanfragen zu wirtschaftlichen Notlagen häufen sich wieder die Nachfragen nach einer warmen Mahlzeit beziehungsweise nach Lebensmittelspenden“, sagt Leiterin Dagmar Spangenberg-Mades. „Die Leute haben Schwierigkeiten; sie haben jetzt schon nicht genug Geld am Ende des Monats und ich denke, das wird noch mehr werden.“
Steigende Lebensmittelpreise machen Hartz-IV-Empfängern zu schaffen
Beim Arbeitslosengeld II seien 155 Euro für Lebensmittel vorgesehen. Das sei immer schon viel zu wenig gewesen, bei steigenden Preisen sei es fast unmöglich, sich bei dem Budget noch gesund zu ernähren, mahnt Spangenberg-Mades. „Für diese Menschen wird es immer schwerer. Viele sind schon resigniert und geben sich mit immer weniger zufrieden.“ Teilweise würden Leute in Tränen ausbrechen und völlig verzweifelt sein ob der Situation, beobachtet die Leiterin des Zeppelin-Zentrums. „Die Menschen nehmen schon jetzt wenig teil am sozialen Leben und die Spirale wird nun noch weiter nach unten gedreht.“
In der Kleiderkammer vor Ort herrsche „ein reger Betrieb“. Auch bei den Kleiderkammern des Deutschen Roten Kreuzes hat die Nachfrage stark zugenommen. „Wir haben etwa dreifach gestiegene Kundenzahlen“, sagt Hernes DRK-Chef Martin Krause. Ob das an den gestiegenen Preisen oder auf die Flüchtlinge aus der Ukraine zurückzuführen sei, könne er jedoch nicht sagen.
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Beim Herner Jobcenter gebe es bisher noch keine verstärkten Nachfragen nach zusätzlichen Hilfestellungen, sagt Christian Matzko, stellvertretender Geschäftsführer. „Ich gehe aber davon aus, dass es noch kommen wird.“ Jedoch sei das Jobcenter stark an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und könne lediglich in akuten Notlagen mit einem Vorschuss oder Darlehen helfen. „Das Problem ist aber erkannt worden und wird gerade von der Politik besprochen.“ Erste Hilfen sollen schon im Juli fließen.
>>>WEITERE INFORMATIONEN: Zusätzliche Unterstützung
- Erstmals für den Juli gibt es einen Sofortzuschlag für Kinder in Höhe von 20 Euro für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres.
- Daneben sieht das Entlastungspaket der Bundesregierung auch einen Kinderbonus 2022 vor, der als Einmalzahlung an kindergeldberechtigte Familien in Höhe von 100 Euro ausgezahlt wird.
- Leistungsberechtigte, die für den Monat Juli 2022 Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld haben und deren Bedarf sich nach der Regelbedarfsstufe 1 (Regelbedarf für Alleinstehende und Alleinerziehende) oder 2 (Regelbedarf für volljährige Partner) richtet, erhalten eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro.
- Eine Einmalzahlung für Energiekosten im Arbeitslosengeld in Höhe von 100 Euro erhalten Personen, die im Monat Juli 2022 für mindestens einen Tag Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Ausgenommen sind Personen, die im gleichen Zeitraum Anspruch auf eine Einmalzahlung als Leistungsberechtigte nach dem SGB II haben. Das Geld soll ab August 2022 ausgezahlt werden.
- Außerdem gibt es einen Heizkostenzuschuss von einmalig 230 Euro.