Herne. Zahlreiche Menschen aus der Ukraine fliehen vor dem Krieg. Wir haben mit zwei Ukrainerinnen gesprochen, die in Herne Zuflucht gefunden haben.
Die kleine Viera sitzt in der Schaukel, ihre fünfjährige Schwester Varvara kommt angerannt und reckt ihrer Mutter stolz die Tannenzapfen entgegen, die sie gerade gesammelt hat. Kateryna Korovets-Makarenko lächelt und streicht ihrer Tochter übers Haar. Mit dem Handy macht die 35-Jährige Fotos von den beiden Mädchen. „Für Papa“, sagt sie. Wie viele andere Ukrainer auch, musste Evgeniy Korovets im Land bleiben. Er im westukrainischen Khmelnytskyi, sie in Herne.
An der ukrainisch-moldawischen Grenze trennten sich die Vier. Kateryna Korovets-Makarenko überquerte die Grenze mit ihren beiden Töchtern und einem Koffer zu Fuß, Freiwillige brachten sie mit dem Auto in die moldawische Hauptstadt Kischinau. Von dort ging es mit einem Bus ins rumänische Bukarest – erstmal fünf Tage durchatmen in einer Unterkunft. In dieser Zeit steht die zweifache Mutter in engem Austausch mit Sergiy Plyuta (43). Er stammt auch aus Khmelnytskyi, ist ein Freund. Er bietet der Familie an, sie in Herne aufzunehmen.
Nach langer Reise in Herne angekommen
Mit dem Flugzeug landen Korovets-Makarenko und ihre beiden Töchter am 8. März in München. Der letzte Reiseabschnitt am nächsten Tag – eine Bahnfahrt von München nach Duisburg – hat es nochmal in sich. „Wir sind um 5 Uhr morgens losgefahren und waren um 21 Uhr erst in Duisburg“, erzählt die Lehrerin. „Technische Probleme oder so etwas, wir mussten in Frankfurt aussteigen. Aber uns wurde sehr freundlich geholfen.“
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Nach langer Odyssee werden sie von Sergiy Plyuta und seiner Partnerin in Empfang genommen. In der zweistöckigen Wohnung des Paares lebt zu diesem Zeitpunkt seit Kurzem auch die 35-jährige Viktoriya Gorobets mit ihren beiden Söhnen Dmytriy (15) und Daniil (11). Sie sind mit dem Auto nach einem Zwischenaufenthalt in Krakau in Herne angelangt, Vater und Ehemann Yuriy ist in Khmelnytskyi geblieben. „Wir kennen uns schon seit 30 Jahren“, sagt Sergiy Plyuta. „Yuriy ist ein enger Freund, wir standen seit Kriegsbeginn im Austausch.“
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„Wir wollen unsere Kinder schützen“
Lange habe die Familie mit sich gerungen und abgewägt, ob sie in Deutschland Zuflucht suchen soll. „Aber als die Lage immer kritischer wurde, haben wir uns dafür entschieden“, sagt Viktoriya Gorobets. „Wir wollen unsere Kinder schützen, das ist das Wichtigste für uns.“ Dmytriy und Daniil sind alt genug, um zu begreifen, was um sie herum geschieht. „In meiner Heimat herrscht Krieg, es ist alles anders als früher“, sagt der 15-jährige Dmytriy, genannt Dima. Und obwohl alles so anders ist: Hausaufgaben machen die beiden Jungs trotzdem – Online-Unterricht macht es möglich. „Einige meiner Freunde sind noch in der Ukraine, manche in Polen, Rumänien oder Moldawien. Ein Freund ist auch in Deutschland.“
Sergiy Plyuta versucht, den Familien ein Stück Normalität zu ermöglichen. „Wir gehen in den Park, Eis essen, spazieren“, sagt er. „Ablenkung tut uns allen gut.“ Dennoch sei der Krieg natürlich omnipräsent, „wir alle sprechen täglich mit unseren Familien und Freunden dort“. Videoanrufe seien bislang noch problemlos möglich, zumindest aus technischer Sicht. „Jedes Mal, wenn mein Mann die Mädchen beim Telefonieren sieht, weint er. Wir alle“, erzählt Kateryna Korovets-Makarenko. Das Schlimmste sei die Ungewissheit. „Am liebsten wären wir natürlich noch in unserer Heimat. Aber hier sind wir sicher.“ Viktoriya Gorobets nickt. „Vielleicht können wir bald schon wieder zurück. Das ist meine große Hoffnung.“
>>> Offener Treff im Tanzpott
- Um ukrainische Geflüchtete in Herne miteinander zu vernetzen und ein Freizeit-Angebot zu schaffen, stellt Sergiy Plyuta jeden Samstag von 12 bis 14 Uhr die Räume seiner Tanzschule Tanzpott (Bahnhofstraße 70-72) zur Verfügung.
- „Jeder ist willkommen, nicht nur Ukrainer“, erklärt Plyuta. „Wir stellen Kaffee und Kuchen, die Leute sollen sich unterhalten oder wer mag, auch tanzen.“
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