Herne. Im November 2021 teilte die IHK mit, dass Hauptgeschäftsführer Eric Weik das Haus verlässt. Seitdem scheint man die Erinnerung an ihn zu tilgen.

Diese Nachricht kam am 2. November des vergangenen Jahres aus heiterem Himmel: Eric Weik, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, verlässt die Kammer. Seitdem drängt sich der Eindruck auf, dass die Erinnerung an Weik bei der IHK Stück für Stück getilgt wird.

Das jüngste Beispiel: Vor wenigen Wochen verkündete die IHK das Ende der eigenen Internetplattform „netzn“. Schon der Titel der Pressemitteilung ist vielsagend: Der neue Auftritt soll „sichtbarer, strukturierter und nutzerfreundlicher“ sein.

Dabei war „netzn“ beim Jahresempfang der IHK Anfang 2019 in Herne mit großem Aufwand präsentiert worden, Eric Weik hatte im Gespräch mit der Herner WAZ davon gesprochen, dass „netzn“ die erste Benutzerplattform sei, die regional sei, ein – kostenloses – Angebot, das es in dieser Form noch nicht gebe. Menschen, aber gerade auch Unternehmen könnten dort ihre Profile anlegen, selbst Gruppen zu verschiedenen Themen gründen oder bereits bestehenden Gruppen beitreten. „Netzn“ sei die konsequente Weiterentwicklung des IHK-Veränderungsprozesses. Doch den von Weik formulierten Anspruch konnte die Plattform nie erfüllen. Auch die Herner WAZ trat mehreren Gruppen bei, doch nach anfänglicher Neugier versandete ein Austausch komplett.

2019 war „netzn“ beim Jahresempfang der IHK in Herne präsentiert worden.
2019 war „netzn“ beim Jahresempfang der IHK in Herne präsentiert worden. © MATTHIAS GRABEN

Die IHK begründet das Aus damit, dass das Portal – auch und gerade im Zuge der Corona-Pandemie – in vielerlei Hinsicht in seiner Funktion von der technischen Entwicklung überholt worden sei. Heute gebe es viel bessere Tools und Möglichkeiten für Unternehmen, in den digitalen Austausch zu treten.

Doch: Es hatte schon im Vorfeld Zweifel an „netzn“ gegeben. Der Aufwand sei groß und der Nutzen überschaubar, fasst diese Zweifel Norbert Assen zusammen. Diese hätten sich im Nachhinein bewahrheitet. Assen ist Chef der Herner Isap AG und war früher Mitglied in der IHK-Vollversammlung. Nach Assens Schätzung haben sich nur einige Hundert Unternehmen aus dem Kammerbezirk bei „netzn“ angemeldet. Allein in Herne gibt es mehr als 5000 Mitgliedsunternehmen, im ganzen Kammerbezirk mit Bochum, Hattingen und Witten über 27.000. Assen ergänzt: Als „netzn“ aufgebaut worden sei, habe es ja schon andere Netzwerke wie Xing oder Linkedin gegeben. Doch Weik habe seine Idee durchgezogen. Das Isap-Tochter-Unternehmen Intalogy sei im Vorfeld auch zu einem Informationsgespräch eingeladen gewesen, doch man habe den Eindruck gehabt, dass die Entscheidung längst gefallen sei, „netzn“ so umzusetzen, wie geplant.

Das Aus für „netzn“ kostet rund 240.000 Euro

Der „netzn“-Irrtum kommt die IHK – und damit die Mitgliedsunternehmen – teuer zu stehen. Die Kosten für Aufbau und Betrieb von „netzn“ hätten sich auf rund 240.000 Euro, also etwa 60.000 Euro pro Jahr belaufen, teilt die IHK auf Anfrage mit.

Zu einem wesentlich teureren Irrtum hätte der Neubau der IHK im Bochumer Westpark werden können. Doch im Mai stoppte die IHK-Vollversammlung das Vorhaben – unkalkulierbare Kosten- und Planungsrisiken gaben den Ausschlag für das vorläufige Aus des Projekts. Mit 17,4 Millionen Euro hatte ein Beratungsbüro den Neubau kalkuliert, der 2024 fertig sein sollte. Darauf fußte auch die Ausschreibung. Die drei Angebote liegen aber bei 20, 22 und 37 Millionen Euro. Doch nach den Worten von Norbert Assen sei der geplante – und von Weik forcierte – Neubau schon zu Beginn umstritten gewesen. Als die Pläne vorgestellt worden seien, habe das ein oder andere Mitglied die Kosten kritisch hinterfragt. Und dies sei vor dem Anstieg der Baukosten gewesen.

Kammer kehrt in den Dachverband DIHK zurück

Auch bei anderen Dingen dreht die IHK die Uhr nach dem Abschied von Weik zurück. So kehrt sie in die Dachorganisation des Deutschen Industrie- und Handelskammertags zurück. Ende 2020 hatte die IHK den Austritt verkündet. Dem Dachverband wurde mangelnder Reformwille und ein „Eigenleben“ jenseits der Interessen der 79 Mitgliedskammern vorgeworfen. „Ich persönlich fühle mich nicht repräsentiert durch den DIHK“, hatte Weik damals gesagt.

Den Wiedereintritt begründet die IHK nun so: „Der DIHK e. V. wird durch das neue Industrie- und Handelskammergesetz vom 11. August 2021 zum ersten Januar kommenden Jahres in eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt, in der alle deutschen Industrie- und Handelskammern Mitglied sind: die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). Auf diese Weise wird verlässlich gewährleistet, dass alle IHK-Mitgliedsunternehmen auch auf Bundesebene und in Europa in die politische Interessenvertretung einbezogen sind. Mit der Umwandlung in eine Körperschaft öffentlichen Rechts soll auch ein Kulturwandel in der DIHK einhergehen, den wir außerordentlich begrüßen.“ Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der neue IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Bergmann die Reaktionen auf den Austritt bei einer früheren Gelegenheit so zusammengefasst hat: „Wir waren das schwarze Schaf.“

Deutlich zurückfahren wird die Kammer ihr Engagement beim Verein QuAZ, der im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 gegründet worden war, um ein Instrument zu haben, um Flüchtlingen zu helfen. „Das Engagement bei QuAZ e. V. war vor allem ein persönliches von unserem ehemaligen Hauptgeschäftsführer Eric Weik. Neuer Vorsitzender ist Dirk W. Erlhöfer von den Arbeitgeberverbänden Ruhr. Die IHK Mittleres Ruhrgebiet ist aber weiterhin ordentliches Mitglied im Verein“, teilt die IHK nun lapidar mit.

Neuer Organisationsstruktur brachte offenbar viel Verdruss – auch bei Unternehmen

Viel Unruhe und Verdruss brachte Weik offenbar auch mit seiner neuen Organisationsstruktur in die Kammer. 2018 sagte er im Gespräch mit der WAZ: „Weil wir den Dienstweg abgeschafft haben, können die Mitarbeiter ihr Wissen nun in allen Bereichen einbringen. Das steigert die Leistungsfähigkeit der IHK, und davon profitieren auch unsere Mitgliedsunternehmen.“ Doch die neue Struktur habe Probleme bereitet, kommentiert Norbert Assen diesen Prozess. Deshalb habe rund die Hälfte der Belegschaft gekündigt, so dass es sogar schwierig gewesen sei, Prüfungen der Auszubildenden abzunehmen.

Assen bestätigt, dass auch das Wirken von Weik eine Rolle gespielt habe, dass er nach 15 Jahren nicht mehr für die Vollversammlung kandidiert habe. Er hofft, dass die Kammer mit dem Wechsel in ruhigeres Fahrwasser kommt.

>>> DER ABSCHIED

Nach wie vor unklar ist der abrupte Abschied von Eric Weik. Am 26. Oktober 2021 sollte er noch die Veranstaltung „Stars der Ausbildung“ in Herne moderieren. Doch er stand nicht auf der Bühne. Danach trat er – nach Wahrnehmung der WAZ – nicht mehr in der Öffentlichkeit auf.

In der Pressemitteilung zu seinem Abschied wird er wie folgt zitiert: „Die unternehmerische Herausforderung kitzelt mich nicht nur, sondern ruft mich dazu auf, dass ich mich ihr auch widme.“ Doch was er genau macht, bleibt im Ungewissen. Auf der Plattform Xing ist auf seinem Profil angegeben: Veränderungsmanager bei der Agriculture Park AG.

Nicht verstummt sind die Gerüchte, dass Weik bei der IHK alles andere als freiwillig gehen musste.