Herne. Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine bestimmten die Reden auf der Herner Mai-Kundgebung. Was die Gewerkschaften nun fordern.
Zwei Jahre hintereinander fiel die Mai-Kundgebung der Gewerkschaften in Hernewegen Corona aus, am Sonntag, 1. Mai, wurde nun wieder demonstriert. „Es ist schön, euch wiederzusehen“, sagte Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) in seinem Grußwort vor dem Herner Rathaus. Mehrere Hundert Menschen hatten sich dort gegen 11 Uhr versammelt – zum Plauschen, bei Erbsensuppe, Bier und Musik, aber natürlich auch, um den Rednern zuzuhören. Das große Wiedersehen auf dem Friedrich-Ebert-Platz ähnelte einem großen Familienfest. Mr. Mamboo, der musikalische Alleinunterhalter, kommentierte das Geschehen mit seinen Worten: Das sei ja wohl die „schönste Mai-Kundgebung nördlich der Donau“. Nun ja.
„Gemeinsam Zukunft gestalten“: Unter diesem Motto stand die Mai-Kundgebung in diesem Jahr. Um 10 Uhr starteten die Gewerkschaften zunächst einen Demonstrationszug, angeführt von einer Sambatruppe, die für viel Trommelwirbel im morgendlich-verschlafenen Herne-Mitte sorgte. Unter den rund 80 Demonstrierenden die Vertreterinnen und Vertreter der Einzelgewerkschaften, die genauso ihre Fahnen schwangen wie die Vertreterinnen und Vertreter der Parteien, die sich – vor allem jetzt im Wahlkampf – fleißig miteingereiht hatten.
Maikundgebung vor dem Rathaus
Herne: Lange Schatten durch Corona und Ukraine-Krieg
Die Reden waren nachdenklich bis ernst. Die Corona-Krise und der Ukraine-Krieg, so der Tenor, werfen einen langen Schatten, auch und vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben bekämen die Folgen zu spüren. Die Inflation, kritisierte Hernes DGB-Chef Peter Holtgreve, gehe durch die Decke, gleichzeitig stiegen die Vermögen der „Super- und Einflussreichen“ enorm. Während die Tariflöhne in Deutschland 2021 durchschnittlich um 1,7 Prozent gestiegen seien, sprudelten die Gewinne bei deutschen Konzernen, die trotz Pandemie über 70 Milliarden Euro an Dividende ausgezahlt hätten. Zeitgleich sei die „Rekord-Armutsquote“ auf 16 Prozent gestiegen. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit“, so Holtgreve, „stehen wir vor schweren gesellschaftlichen Verteilungskonflikten.“
Nötig sei eine „andere Zeitenwende“, so Hernes DGB-Chef in Anspielung auf die Rede von Bundeskanzler Scholz, der ein 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr angekündigt hatte. Die Herner Stadtgesellschaft sei „seit Jahren gespalten“, Familien-, Kinder- und Altersarmut kennzeichneten die Lebensbedingungen vieler Herner, die Stadt sei chronisch unterfinanziert. Nun müsse in Gesundheit, Bildung, ÖPNV und Klimaschutz investiert werden – „für eine sozial-ökologische Wende und Abrüstung“.
Hernes OB Dudda forderte Menschen zur Solidarität auf
Oberbürgermeister Frank Dudda rief die Zuhörerinnen und Zuhörer dazu auf, nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Schon die Pandemie habe viel Kraft und Leben gekostet, jetzt komme auch noch der Krieg hinzu. Eine Folge: Die hohe Inflation in Deutschland, die gerade eine Stadt wie Herne besonders treffe. Nötig seien deshalb Maßnahmen, um die Teuerung abzufedern. Die Stadt, so der OB, müsse raus aus dem „Angst essen Seele auf-Zustand“. „Zeigen Sie Flagge, zeigen Sie Identifikation, dann wird es Hoffnung geben“, appellierte er an die Menschen. Und: Sie sollten solidarisch sein: „Ohne Solidarität ist alles nichts.“
Gastredner bei der Mai-Kundgebung war diesmal ein Herner: Sven Bönnemann, stellvertretender Regionalleiter der Industriegewerkschaft Bau. Er verurteilte eingangs das „barbarische Töten in der Ukraine“ und sprach den russischen Präsidenten dabei direkt an: „Herr Putin, beenden Sie diesen Wahnsinn, beenden Sie diesen Krieg.“ Anschließend forderte er in seiner Rede mehr Sozialwohnungen und das Aus für Minijobs, er kritisierte Mindestlohnverstöße, unbezahlte Überstunden, falsche Eingruppierungen genauso wie Lohndrückerei, Abzocke bei Unterkünften und Zaudern bei der Bewältigung des Klimawandels.
>> WEITERE INFORMATIONEN: Gegen Rassismus, Intoleranz und die rechte Szene
Die Gewerkschaften riefen die Menschen dazu auf, sich gegen Rechts starkzumachen. „Wir müssen in Herne dem schleichenden Gift von Rassismus, Intoleranz und der rechten Szene auf allen Ebenen entschiedener vorgehen“, forderte DGB-Chef Peter Holtgreve in seiner Rede.
Ähnlich äußerte sich der stellvertretende IG-Bau-Regionalleiter Sven Bönnemann. Bei der Bewältigung der Probleme durch Corona, den Klimawandel und den Ukraine-Krieg dürften die Menschen das Spielfeld nicht „den billigen und rechten Populisten überlassen“. „Um dem rechten Pack den Boden zu entziehen, müssen wir den Menschen die Zukunftsangst nehmen“, so Bönnemann.