Herne. Ein Weihnachtsmenü fürs Hospiz, ein Hingucker für Passanten und eine politische Botschaft: Warum die Herner Trecker-Parade ein voller Erfolg war.
Aahs, Oohs und mehr als ein Hauch von Diesel liegen in der Luft, als 18 festlich beleuchtete Trecker am Samstagabend in die Jean-Vogel-Straße einbiegen, um das Lukas-Hospiz mit Weihnachtsmenüs zu beliefern. „Das ist der geilste Lieferdienst ever“, sagt Anneli Wallbaum vom Hospiz. Und der politischste, muss man hinzufügen.
Weihnachtsmenü mit Wildragout, Rotkohl und Schoko-Mousse
Zum zweiten Mal nach 2020 sind Landwirte und das Restaurant Haus Galland zu dieser spektakulären Tour gestartet. Vom Gysenberg steuern die mit Lichterketten und Weihnachtsbäumen geschmückten Traktoren über Sodinger Straße, Wiescherstraße und Hölkeskampring die Jean-Vogel-Straße an, um dort bei strömenden Regen zu den Klängen von „Jingle Bells“ die Weihnachtsmenüs zu überreichen.
Herner Landwirte liefern Festmenüs an Gäste des Lukas Hospiz
Neun Gäste lebten derzeit im Hospiz, berichtet Leiterin Anneli Wallbaum. „Eine Frau ist heute Morgen gestorben.“ Ein feines Menü haben Markus Galland und sein Team für die Bewohnerinnen und Bewohner gekocht. Nach Gänsebraten im Vorjahr gibt es diesmal Wildragout oder als Alternative Putengeschnetzeltes, dazu Klöße und Rotkohl. Auch beim Dessert darf gewählt werden: zwischen Schoko-Mousse und Mascarpone-Creme. Hhhmmmm.
Landwirte wollen auf ihre prekäre Lage aufmerksam machen
Dass das Restaurant den Gästen im Hospiz ein Weihnachtsmenü kredenzt, sei seit vielen Jahren gute Tradition, berichtet Markus Galland. Wegen der Beschränkungen durch die Pandemie kam 2020 die Idee auf, der Einrichtung in Herne-Süd das Essen mit einen Traktor-Korso zu liefern – damals noch in dem Glauben, dass es eine einmalige Aktion sein wird.
Corona blieb, deshalb nun also am Vorabend des zweiten Advents Traktor-Parade Nummer 2. Blickfang Nummer 1 ist auch diesmal der Anhänger von Haus Galland. Diesen schmücken nicht nur 50 Meter Lichterschlauch und Lichternetze , sondern auch ein Teil der Restaurant-Deko, die eigens für die Aktion abgebaut worden ist.
Neben den Treckerfreunden Wanne-Eickel haben sich in diesem Jahr auch Landwirte aus Bochum und Dortmund angeschlossen (siehe unten), berichtet Heinz Böckmann. Für den Landwirt und seine Kollegen ist es mehr als nur eine Gaudi mit karitativem Hintergrund. Unter dem Motto „Ein Funken Hoffnung. Ohne Bauern geht es nicht!“ sind an diesem Samstag in ganz Deutschland Trecker auf den Straßen. Auf die prekäre Lage vieler landwirtschaftlicher Betriebe wollten sie aufmerksam machen.
„Wir reden nicht über uns Direktvermarkter. Uns geht es gut“, betont Böckmann. Nein, es seien die tierhaltenden Betriebe, denen durch Regulierung und Preispolitik immer mehr das Wasser abgegraben werde. „Es haben noch nie so viele Betriebe aufgeben müssen wie aktuell“, sagt der Herner. Und was sagt er zum neuen Landwirtschaftsminister, dem Grünen-Politiker (und Vegetarier) Cem Özdemir? Wenig. „Da muss man erst mal abwarten.“
Foto-Shooting vor dem Herner Rathaus
Nicht mehr warten will an diesem Abend ein Treckerfreund aus Wanne-Eickel. Nach der Auslieferung des Essens steuern er und sein Mitfahrer über die Holsterhauser Straße den Heimweg an – nur zu verständlich, denn wie zwei weitere Traktoren sind sie bei Dauerregen ohne Dach unterwegs. „Da muss man schon hart im Nehmen sein“, sagt Heinz Böckmann.
Für ihn und seine Kollegen geht es noch zum beleuchten Rathaus, wo die Weihnachts-Trecker für ein Foto Aufstellung nehmen. Nach gut 100 Minuten endet der Korso am Weihnachtsmarkt Gysenberg, der an diesem Abend ebenfalls unter dem Unwetter zu leiden hat und schlechter besucht ist als üblich.
Fortsetzung folgt? Für Heinz Böckmann keine Frage: „Ich glaube, das hat sich jetzt etabliert“, sagt er. 2022 dann aber bitte ohne Corona und Regen!
>>> WEITERE INFOS: Bochumer Traktor-Konvoi fiel aus
Aus Angst vor Menschenansammlungen ist der Bochumer Trecker-Konvoi in diesem Jahr abgesagt worden.
Im vergangenen Jahr hatte es in der Nachbarstadt Ärger gegeben. Statt der angemeldeten 30 Traktoren seien knapp 100 auf den Straßen gewesen, hieß es damals von der Polizei. Die Menschen hätten trotz des Versammlungsverbots dicht gedrängt auf den Gehwegen gestanden.