Herne. . Heute ist Weltbauerntag: In Krisenzeiten kann der Verkauf ohneZwischenhandel im Supermarkt das Überleben der Herner Betriebe sichern.
Morgens um sieben beginnt der Tag, oft endet er nicht vor abends um 19 Uhr. Wer Landwirt sein möchte, für den ist das kein Job, es ist Passion. So sehen es auch die Herner Bauern Wilhelm-Heinrich Schulte-Göcking und Heinz Böckmann. Seit vielen Jahren führen sie ihre Betriebe an der Börsinghauser Straße und der Wiescherstraße, kennen sich aus mit wirtschaftlichen Hochs und Tiefs. Von der Milchkrise sind sie zum Glück nicht betroffen, sie setzen beide auf Fleischproduktion. Auch wenn sie ihn lieben, bedenkenlos empfehlen können sie ihren Beruf nicht.
Es ist Erdbeerzeit, die Felder quellen derzeit über mit den roten Früchtchen. Auf dem Feld an der Sodinger Straße holt Wilhelm-Heinrich Schulte-Göcking mit seinen Mitarbeitern die Ernte ein. Ein lukratives Geschäft für die frühen Sommermonate sei dies. „Ohne saisonale Nischen hätten wir zu kämpfen“, sagt Schulte-Göcking. Sein Hof ist eigentlich auf Fleischverkauf spezialisiert, 160 Schweine und 50 Bullen kann der Bauer in seinen Ställen halten. Hier wird noch alles hausgemacht, von der Aufzucht bis zum Verkauf. Der findet meistens über den Hofladen statt, manchmal kommen Kunden aber außerhalb der Öffnungszeiten. Dann gibt’s das Stück Fleisch auch durch das Fenster gereicht. Nur vom Fleischverkauf könnte der Landwirt schwer leben. Denn die Preise seien zu gering. Zu besonders dramatischen Zeiten habe er für ein Schwein gerade mal 125 Euro bekommen vom Käufer. „Das ist nicht der Gewinn. Da bleibt nichts übrig, wenn man Futter, möglichen Tierarzt, Transport und Haltung berechnet.“ Denn laut Deutschem Bauernverband kostet den Bauer ein Schweineleben im Schnitt 150 Euro.
Wenig Geld für gutes Essen
Durch die Direktvermarktung könne der Bauer höhere Preise als im Supermarkt nehmen. Das ist aber problematisch. Denn Schuld an den Preisen sei nach Meinung des 52-Jährigen zum Teil die Gesellschaft. „Früher wurde der Großteil des Gehalts für gutes Essen ausgegeben. Jetzt muss es günstig sein. Viele geben nicht mal mehr zehn Prozent ihres Geldes für Lebensmittel aus.“
Landwirt Heinz Böckmann, ebenfalls auf Schweine- und Rinderfleischverkauf spezialisiert, stimmt seinem Kollegen zu. Zwar brauche er sich keine Nischen suchen wie Erdbeeren oder Spargel, denn ihm und seiner Familie reiche der Verkauf des Fleisches zum Leben. Dennoch kennt er die Probleme in der Branche. „Wenn die Leute immer günstiger ihr Fleisch und ihre Milch haben wollen, aber dabei nicht bedenken, was das eigentlich für ein Aufwand ist, ist das schlecht.“ Der 45-Jährige betreibt eine eigene Metzgerei, vermarktet seine Produkte direkt an den Kunden. Er liebt seinen Job, hat als Quereinsteiger erst spät begonnen. Nachwuchsbauern sollen es sich wirklich überlegen, ob sie den Job wollen. „Für mich ist es der schönste Job der Welt. Ich arbeite mit Tieren, bin viel draußen. Aber es gibt Tiefen. Immer wieder.“
Und wenn ein solches Tief aufzieht, könne man nicht einfach aufgeben, betont Wilhelm-Heinrich-Schulte-Göcking. „Ein landwirtschaftlichen Betrieb ist nicht mal eben zu verkaufen, wenn er nicht läuft.“
Auch für den 52-Jährigen ist der Beruf des Bauern ein Traumjob. Aber er bedeutet harte Arbeit und Kompromisse. Ob seine Kinder den Familienbetrieb übernehmen, weiß er noch nicht. „Ich verstehe, wenn sie es nicht wollen. Man muss es einfach lieben, sonst wird das nichts.“