Herne. Bekommt die Herner CDU einen neuen Chef? Warum Christoph Bußmann den Vorsitzenden Timon Radicke ablösen will und warum es tiefe Gräben gibt.
Im Bund kämpfen derzeit in der CDU drei Männer um die Nachfolge des Vorsitzenden Armin Laschet. Bei der Neuwahl der Herner Parteispitze am 18. Dezember im Kulturzentrum wird - Stand jetzt - zwar nur ein Kandidat antreten, aber dafür könnte es eine Überraschung geben: Vorstandsmitglied Christoph Bußmann könnte neuer Vorsitzender und damit Nachfolger von Timon Radicke werden. Eine Vorentscheidung dürfte am 25. November in einer Kreisvorstandssitzung fallen. Im Vorfeld der Wahl werden tiefe Gräben im Kreisverband sichtbar.
Drei offizielle Nominierungen für Christoph Bußmann
Timon Radicke soll nach WAZ-Informationen bereits im Oktober in einer Vorstandssitzung seinen Rückzug von der Parteispitze signalisiert haben, wenn dies vom Kreisvorstand gewünscht werde. Auf Anfrage der WAZ erklärt der 35-Jährige in dieser Woche, dass er im Falle einer Gegenkandidatur auf dem Parteitag definitiv nicht mehr für dieses Amt zur Verfügung stehen werde. Diese Kandidatur ist seit der vergangenen Woche offiziell: Die CDU-Ortsverbände Wanne-Mitte und Eickel haben Christoph Bußmann für den Kreisvorsitz vorgeschlagen; in dieser Woche hat auch der CDU-Stadtbezirksverband Eickel den 33-Jährigen einstimmig für die Parteispitze nominiert.
„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns breiter aufstellen müssen“, sagt Bußmann zur WAZ. Die CDU sei „eine Teamveranstaltung“; es gebe mehrere Strömungen, die alle ernst genommen werden müssten. „Nur die Werte-Union akzeptiere ich nicht.“ Und: Es gehe nicht darum, konservative Klischees zu bedienen: „Ich will eine Politik für die Mitte machen.“
Herner CDU-Chef wünscht sich Geschlossenheit
Für Radicke bedeutet die Nominierung Bußmanns aber nicht automatisch, dass er auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Am 25. November wird zunächst der Kreisvorstand über die Neuwahl sprechen. In dieser Sitzung werde „ein Meinungsbild“ erstellt, sagt Radicke, der auch Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion ist, im Gespräch mit der WAZ. Und: „Mir ist wichtig, dass wir geschlossen aus dieser Sitzung herausgehen“, erklärt er mit Verweis auf die im Mai anstehende Landtagswahl.
Wenn die Diskussion beispielsweise so verlaufe, dass der Vorstand ihn auffordere, noch ein Jahr Parteichef zu bleiben, um dann das Amt an Bußmann zu übergeben, dann müsse man sehen, „wie das ausgeht“. Wenn Bußmann „den Stahlhelm aufsetzt“ und unabhängig vom Meinungsbild im Vorstand beim Parteitag antrete, „muss er das tun“. „Dann werde ich nicht kandidieren“, so Radicke.
Er habe schon zu Jahresbeginn erklärt, dass Partei- und Fraktionsvorsitz eigentlich nicht in einer Hand liegen sollten und deshalb den Rückzug vom Amt des Kreisvorsitzenden angekündigt. Mitglieder hätten ihn anschließend davon überzeugt, doch erneut für den Parteivorsitz zu kandidieren. Dem stimmte er zu - schon damals unter der Voraussetzung, dass es keinen Gegenkandidaten gibt.
Achtungserfolg für Bußmann bei der Bundestagswahl
In der Union kam dieses Hin und Her nicht gut an: Als „doppelten Rückwärtssalto“ bewerteten einige Parteifreunde den Vorgang im Frühjahr und führten den Rücktritt vom Rücktritt auch darauf zurück, dass Radicke damit seine Karrierechancen innerhalb der Partei sichern wollte. Wenn diese Theorie stimmen sollte, wäre der Plan in die Hose gegangen: Bei der Wahl des CDU-Landesvorstands fiel der Herner Vorsitzende im Oktober durch.
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Christoph Bußmann konnte jüngst als Herner CDU-Kandidat bei der Bundestagswahl ein - gemessen an den Bedingungen - solides Ergebnis von 19,8 Prozent erzielen. Bei der Kommunalwahl 2020 verpasste er den Einzug in den Rat. Das lag nicht zuletzt daran, dass Radicke zuvor einen aussichtsreicheren Listenplatz für ihn verhindert hatte: Er hätte (den Eickeler) Bußmann lieber in der Bezirksvertretung Eickel gesehen.
Markus Schlüter: Kritiker oder Strippenzieher?
Mächtiger Strippenzieher hinter den Kulissen ist nach Einschätzung von Radicke-Unterstützern der langjährige Partei- und Fraktions-Chef Markus Schlüter, der aktuell dem engeren Kreisvorstand als Schatzmeister angehört. Schlüter weist parteiintern zurück, Foul zu spielen, macht aus seiner kritischen Position gegenüber Radicke aber keinen Hehl.
Allein steht er damit nicht in der CDU. „Viel Show, wenig Inhalt“, so ein Vorwurf gegen Radicke. Und: Er entwickele viele gute Ideen, setze davon aber zu wenig um. Weitere interne Kritikpunkte: das miserable Ergebnis bei der Kommunalwahl, grobe Fehler bei der Planung des Umzugs der CDU-Geschäftsstelle und nicht zuletzt seine Rolle bei der peinlichen Abwahl der früheren CDU-Fraktionsvorsitzenden Bettina Szelag. Er habe viel frischen Wind in die Kreispartei gebracht, halten Radicke-Befürworter dagegen. Und sie werfen Gegnern des Parteichefs vor, alte Rechnungen begleichen zu wollen.
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Die WAZ hat in den vergangenen Tagen zahlreiche Gespräche mit Christdemokratinnen und Christdemokraten aus beiden Lagern geführt. Zitieren lassen wollte sich keiner der Befragten, was für den Zustand einer Partei nie ein gutes Zeichen ist.
>> Seit 2017 Chef der Herner CDU
Timon Radicke führt die Herner CDU seit 2017. In diesem Jahr ließ er sich als Lehrer am Mulvany Berufskolleg freistellen und unterstützte an führender Stelle im Berliner Konrad-Adenauer-Haus den Bundestagswahlkampf der CDU.
Christoph Bußmann gehört dem Herner CDU-Vorstand seit 2013 und der engeren Parteispitze seit 2017 an. Aktuell ist er Mitgliederbeauftragter der Union. Der Eickeler arbeitet beim Gelsenkirchener Jobcenter.