Herne. Die CDU ist von Wanne nach Herne umgezogen. Welche Gründe es dafür gab, weshalb Kritik laut wurde und was die Partei am neuen Standort plant.
Satinbettwäsche, Frottierwaren und Kopfkissen waren jahrelang an der Bahnhofstraße 84 auf zwei Etagen über die Ladentheke gegangen. Seit dem 1. Juli bemüht sich die CDU darum, im 1. Stock der früheren Räumlichkeiten von Betten Gebers eine ausgeschlafene und vor allem erfolgreiche Politik für Herne zu gestalten. Mit Stolz präsentierte die Parteispitze am Mittwochabend die neue Zentrale von Kreisverband und Fraktion. Bei der Vorstellung wurden allerdings auch unerfreuliche Zwischentöne laut.
Nach 17 Jahren an der Wanner Wilhelmstraße war es aus Sicht der CDU höchste Zeit für die Rückkehr nach Herne-Mitte. „Drei frühere Kreisvorstände hatten bereits über einen Umzug nachgedacht. Nun sind wir froh, hier gelandet zu sein“, sagt Partei- und Fraktionsvorsitzender Timon Radicke.
Die zentrale Lage, die Nähe zum Rathaus und zur Presse sowie nicht zuletzt die besseren Bedingungen für Mitarbeiter, Amts- und Mandatsträger, Mitglieder und Gäste führt der 35-Jährige als Gründe für den Umzug an die Bahnhofstraße 84 an. Der Zeitpunkt kurz vor der Bundestagswahl sei allerdings nicht der günstigste gewesen, räumt Radicke heute selbstkritisch ein.
Dauerbeschallung vom Geschäft für Damenmoden
Auf rund 220 Quadratmetern haben Partei und Fraktion Büros und Besprechungszimmer eingerichtet, die dank der großen Fensterflächen lichtdurchflutet sind. „Wir sind sichtbarer geworden“, betont Radicke unter Verweis auf die Lage. Und in Sachen Klima arbeitnehmerfreundlicher, denn: Die Wanner Geschäftsstelle war im Dachgeschoss. Im Sommer hätten die Arbeitszeiten bisweilen in die Abendstunden gelegt werden müssen, weil es dort tagsüber unerträglich heiß geworden sei, so Radicke.
Dafür müssen die vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle in Herne-Mitte nun mit einem ganz anderen Problem leben: einer Dauerbeschallung. Aus dem Geschäft für junge Damenmoden im Erdgeschoss („Flash“) dringt zurzeit ganztägig Musik mit mal mehr, mal weniger harten Beats in die Parteiräume. Auch bei der Ausstattung gibt es Nachbesserungsbedarf. So hat sich beispielsweise der Einbau des Treppenlifts wegen Lieferschwierigkeiten verzögert.
Wanner Mitglieder waren nicht begeistert
Nicht alle der derzeit rund 500 Christdemokraten waren begeistert über den Umzug. „Wanne is not amused“, bringt die stellvertretende Parteichefin Andrea Oehler (63) die Gemütslage einiger Mitglieder aus dem Stadtwesten auf den Punkt. Die Bürgermeisterin (und Wannerin) verteidigt jedoch vehement den Standortwechsel als „wichtiges Signal“ und verweist wie Radicke auf die Vorzüge der neuen Zentrale.
Auch die Lage auf der oberen Bahnhofstraße will sich die CDU nicht schlechtreden lassen. Fraktionsvize Michael Lewburg (56) hebt die sehr positive Entwicklung in der Herner Innenstadt hervor. „Ich bin mir sicher, dass sich dieser Trend in Richtung Bahnhof fortsetzen wird“, sagt er. Die CDU trage mit der Entscheidung für diesen Standort zu dieser Entwicklung bei.
Andrea Oehler tritt bei der Vorstandswahl nicht mehr an
Die feierliche Eröffnung der neuen Geschäftsstelle soll pandemiebedingt erst später stattfinden. Auch für weitere Veranstaltungsformate reifen Pläne. Die vom Vormieter als Verbindung zwischen Erdgeschoss und 1. Stock genutzte großzügige Marmortreppe (mit Spiegelwand) könnte für ein neues Talkformat genutzt werden, so Radickes Idee.
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Zunächst steht für die Union aber ein anderer Termin vor der Tür: Bei der Vorstandswahl am 4. Dezember entscheidet sich, wer in Zukunft von der Bahnhofstraße 84 aus die Geschicke der Herner CDU lenken wird. Timon Radicke stellt sich nach einem spektakulären „doppelten Rückwärtssalto“ zu Jahresbeginn - von „ich trete nicht mehr an“ bis „ich trete erneut an“ - zur Wiederwahl; er führt die Partei seit fünf Jahren. Andrea Oehler wird die Vorzüge der neuen Geschäftsstelle künftig seltener in Anspruch nehmen können: Sie kandidiert nach mehr als 20 Jahren in der Parteispitze nicht mehr für den Vorstand, bleibt aber Bürgermeisterin und Stadtverordnete.
>> Kein Abgeordnetenbüro
Vor dem Umzug nach Wanne hatte die CDU ihre Geschäftsstelle an der Schulstraße in Herne-Mitte. Aus finanziellen Gründen musste die parteieigene Immobilie jedoch verkauft werden.
Anders als an der Wanner Wilhelmstraße gibt es an der Bahnhofstraße kein integriertes Abgeordnetenbüro und damit auch keine zusätzlichen Mieteinnahmen. Nach dem Wahlkreiswechsel des CDU-Bundestagsabgeordneten Paul Ziemiak hat die Herner Union derzeit keinen überregionalen Mandatsträger mehr.