Herne. Immer mehr Tierarztpraxen - auch in Herne - klagen über einen Impfstoffmangel, gerade für Katzen und Kaninchen. Das sind die Gründe und Folgen.

Haustierbesitzer kennen das – einmal im Jahr flattert eine Postkarte des Tierarztes in den Briefkasten mit einer freundlichen Erinnerung an die jährliche Auffrischimpfung für die pelzigen Mitbewohner. Was dann folgt, ist eigentlich kein großer Akt: Termin vereinbaren, Katze, Hund oder Kaninchen einpacken, Spritze abholen – fertig. Doch in diesem Jahr müssen Mitarbeiter der Tierarztpraxen immer häufiger sagen: „Entschuldigen Sie bitte, wir haben aktuell keinen Impfstoff.“ Die WAZ hat nach den Gründen gefragt.

„Ich gehe davon aus, dass alle Kollegen ein Schreiben von ihren Herstellern erhalten haben, in denen auf die Engpässe beim Impfstoff hingewiesen wird“, sagt Tierarzt Michael Diekhans, stellvertretender Vorsitzender der Kreisstelle Bochum/Herne der Tierärztekammer Westfalen-Lippe. Grundsätzlich sei es so, dass die Tierärzte Impfstoffe verschiedener Hersteller haben. „Wenn einer davon einen Engpass anmeldet, wird der Hersteller mit freien Kapazitäten verstärkt nachgefragt, kann diese Nachfrage aber auf Dauer gar nicht auffangen.“

Tierarzt Michael Diekhans sieht einen Zusammenhang zwischen dem Impfstoffmangel für Tiere und der Konzentration auf Corona-Impfstoffe.  
Tierarzt Michael Diekhans sieht einen Zusammenhang zwischen dem Impfstoffmangel für Tiere und der Konzentration auf Corona-Impfstoffe.   © Unbekannt | OH

Konzentration auf Corona-Impfstoffe könnte Engpass verursacht haben

Betroffen seien vor allem Impfstoffe für Katzen – Katzenschnupfen und Katzenseuche – sowie der Standard-Impfstoff für Kaninchen (RHD und Myxomatose). Für den Kombi-Impfstoff der Kaninchen gebe es für dieses Jahr keine Prognose, wann er wieder verfügbar sei. „Die Stoffe gegen Katzenseuche und -schnupfen sind bei uns auch schon eng. Der Mangel beim Kaninchen-Impfstoff wird uns auch noch treffen“, ist sich Michael Diekhans sicher. Hundebesitzer können derweil erst einmal aufatmen. Hier sei bislang kein Impfstoff-Mangel bekannt.

Doch woran liegt der plötzliche Mangel? „Vor einem Jahr hat es schon mal einen Engpass gegeben“, erinnert sich der Tierarzt. Die Herstellung der Tier-Impfstoffe laufe genauso wie der für Menschen an verschiedenen Standorten auf der Welt. „Ich denke, dass durch die Konzentration auf den Corona-Impfstoff viel Personal abgezogen wurde, vor allem im Bereich der Logistik und dass dies nun einen Dominoeffekt auslöst.“ Diekhans geht davon aus, dass die Impfstoffe kleckerweise in den Praxen landen werden und empfiehlt Tierbesitzern, vorher anzurufen. Die Kombination aus vermehrten Tierkäufen während der Pandemie und einem zunehmenden Mangel an Tierärzten verschärfe die Situation zusätzlich. „Viele haben einen Aufnahmestopp.“

Auffrischung bei manchen Tieren erst später

Leiden sollen die Tiere unter der Situation jedoch nicht: „Ich habe mir eine Strategie überlegt, wie wir die Tiere am besten versorgen können“, so Diekhans. „Bei Tieren, die schon öfters geimpft wurden, habe ich kein schlechtes Gewissen, wenn diese ihre Auffrischung erst später bekommen.“ Der Mindestzeitraum bei Katzenschnupfen liege beispielsweise zwischen einem und zwei Jahren. „So lautet die Empfehlung.“ Bei reinen Hauskatzen müsse man sich noch weniger sorgen, wenn sie die Impfung erst später erhalten. „Die Priorität liegt auf Welpen, sie sind die wichtigsten Impflinge.“

Vermutlich werde sich die Situation bis zum Frühjahr nicht wirklich entspannen. Ob weitere Engpässe hinzukommen, sei ebenfalls nicht abschätzbar. Beim Tollwut-Impfstoff beispielsweise gebe es nur vage Andeutungen. „Grundsätzlich ist es aber so, dass die Impfung drei Jahre wirksam bleibt. Für Hunde wird sie auf jeden Fall empfohlen. Bei Katzen nur, wenn sie Freigänger sind.“

>>> NOCH KEIN ENGPASS IM TIERHEIM

Im Tierheim merkt man bislang noch nichts vom Engpass bei den Impfstoffen. „Unser Tierarzt hat in diese Richtung noch nichts erwähnt“, sagt Sabine Lohmann vom geschäftsführenden Vorstand des Tierheims. „Für uns als Tierheim und für andere Tierheime wäre ein solcher Mangel katastrophal.“

Es würde bedeuten, dass die Tiere, die aufgenommen würden und nicht geimpft seien, für mehrere Wochen in Quarantäne müssten. „Diese Plätze sind nur sehr begrenzt vorhanden.“ Die Schlussfolgerung daraus sei, dass das Tierheim in einem solchen Fall über mehrere Wochen keine neuen Tiere mehr aufnehmen könnte. „Wir hoffen sehr, dass dieser Fall nicht eintritt“, sagt Lohmann.