Hamm. Die Herner Sparkasse hatte ihre Mitarbeiterin Nurten Özcelik, eine SPD-Ratsfrau, rausgeworfen. Dagegen klagte sie. Und bekam vor Gericht Recht.

Die Herner Sparkasse muss ihre Mitarbeiterin Nurten Özcelik weiterbeschäftigen. In zweiter Instanz bestätigte das Landesarbeitsgericht Hamm am Dienstag das Urteil des Arbeitsgerichts Herne aus dem Frühjahr 2021. Das da hieß: Die fristlose Kündigung ist nicht rechtens.

Nurten Özcelik zeigte sich nach der Verhandlung „froh und erleichtert“. Die Sparkasse Herne habe sie mit ihrer fristlosen Kündigung im Sommer 2020 „von einer geschätzten und respektierten Mitarbeiterin mit über 30 Berufsjahren zur Hartz-IV-Empfängerin gemacht“, sagte sie zur WAZ. Für sie sei das „ein unvorstellbarer und unglaublicher Vorgang“ und für die ganze Familie „eine einschneidende und schmerzhafte Zäsur“. Folgen für sie: eine große psychische Belastung und der Verlust sozialer Anerkennung.

Herne: Özcelik wollte schlechte Beurteilung nicht hinnehmen

Sie muss Nurten Özcelik weiter beschäftigen: die Herner Sparkasse, hier die Zentrale am Berliner Platz.
Sie muss Nurten Özcelik weiter beschäftigen: die Herner Sparkasse, hier die Zentrale am Berliner Platz. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Worum ging es? Özcelik, beschäftigt in der Immobilienabteilung der Herner Sparkasse, hatte nach eigener Aussage schwere Fehler im Immobilien-Geschäft eines Kollegen entdeckt und gemeldet. Daraufhin sei in der Personalabteilung gegen sie „geschossen“ worden, und sie habe eine schlechte Beurteilung erhalten. Die habe sie nicht akzeptieren wollen, weil sie schließlich auf Mängel in einem Geschäftsvorgang hingewiesen habe.

Und dann bekam der Streit eine politische Dimension: Hernes SPD-Fraktionschef Udo Sobieski und Hernes SPD-Chef Alexander Vogt kamen ins Spiel. Beiden Parteifreunden, so Özcelik, habe sie in einem Gespräch vor den Kommunalwahlen 2020 von der schlechten Beurteilung erzählt. Davon erfuhr die Vorstandsetage und schmiss Özcelik kurzerhand raus. Die Mitarbeiterin habe ihre Treuepflicht verletzt, begründete Sparkassen-Anwältin Inken Hansen schon in der ersten Instanz. Ihr weiterer Vorwurf: Özcelik habe SPD-Chef Vogt und SPD-Fraktionschef Sobieski – Letzterer ist auch im Aufsichtsrat der Sparkasse – von dem Immobiliengeschäft berichtet.

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Der Vorsitzende Richter Kühl machte von Anfang an klar, dass er die fristlose Kündigung, wie schon sein Kollege vom Herner Arbeitsgericht, nicht nachvollziehen kann. Selbst wenn die Vorwürfe der Herner Sparkasse stimmen würden, sprich: wenn Özcelik der Parteispitze von dem Immobiliengeschäft erzählt hätte, würde das einen Rausschmiss nicht rechtfertigen.

Sparkasse lädt Parteichef und Fraktionschef nicht als Zeugen

Lehnte eine Abfindung ab: Nurten Özcelik (50).
Lehnte eine Abfindung ab: Nurten Özcelik (50). © SPD

Die Mitarbeiterin betonte, dass sie Vogt und Sobieski nur von der schlechten Beurteilung erzählt habe, den Grund aber nicht genannt habe. Statt falsche Gerüchte zu verbreiten, so Özcelik in Richtung Sparkassen-Anwältin, hätte das Kreditinstitut ihre Parteifreunde doch als Zeugen vorladen können. Diese hätten ihre Darstellung schnell bestätigen können. Auch Richter Kühl wunderte sich über die „Selbstknebelung“ der Sparkasse, also darüber, dass sie ihren Hauptvorwurf nicht durch Zeugenaussagen der SPD-Politiker bestätigen wollte.

So blieb am Ende nur noch eine Frage offen: Einigen sich Sparkasse und Mitarbeiterin auf eine Abfindung? Dazu riet der Richter. Aus seiner langjährigen Arbeit wisse er, dass es für Angestellte und Arbeitgeber schwierig sei, nach so einem Prozess wieder zusammen zu finden. Özcelik lehnte das ab: „Ich möchte wieder auf meinen Arbeitsplatz“, stellte sie klar. Die Sparkasse sei ihr „Zuhause“, sie arbeite dort längere Zeit als alle Vorstandsmitglieder, außerdem habe sie dort „gute Kolleginnen und Kollegen“. Überhaupt: Sie habe sich nichts zuschulden kommen lassen, und eine Abfindung hätte einen faden Beigeschmack. Der Kollege, der nach ihrer Aussage den schweren Fehler im Immobiliengeschäft begangen habe, verlasse Ende dieses Jahres das Haus, erklärte sie.

Özcelik lehnt Abfindung der Sparkasse ab

Die Sparkassen-Anwältin sagte, dass sie „keine Vorstellung“ davon habe, wie Özcelik wieder im Hause arbeiten könne und sagte Özcelik zu, die Summe von 50.000 Euro Abfindung, die ihr bereits angeboten worden sei, noch einmal „deutlich zu erhöhen“. Die Klägerin lehnte auch diesmal ab.

Am Ende hob das Landesarbeitsgericht die Kündigung auf. Die Vertreter der Sparkasse, darunter auch Vorstandsmitglied Dirk Plötzke, waren da schon weg: Wohl wissend, dass sie verlieren, verließen sie das Gericht, als sich Richter Kühl und die beiden ehrenamtlichen Richter zur Urteilsfindung zurückzogen.

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Nurten Özcelik geht jetzt davon aus, dass sie in Kürze ihren Dienst bei der Sparkasse wieder antritt. Damit nicht genug: „Ich hoffe, dass diejenigen, die an der Entscheidung meiner Kündigung beteiligt waren, für ihr Handeln gerade stehen“, sagte sie abschließend – ohne diese Aussage näher zu erläutern.

>> WEITERE INFORMATIONEN: Streit auch mit der SPD

Auch mit ihrer Partei liegt Nurten Özcelik im Streit: Die 50-Jährige wirft der SPD unter anderem Mobbing und Ausländerfeindlichkeit vor. Als „Frau mit Migrationshintergrund“, so ihr Vorwurf vor allem an die Fraktion, sei sie bei der SPD nicht mehrheitsfähig, so hätten ihr die Parteifreunde klargemacht. Außerdem komme sie immer wieder mit ihrer „Türkenpolitik“.

Im Februar 2021 warf die SPD-Fraktion Özcelik aus dem Vorstand, scheiterte anschließend aber dabei, sie auch aus den Fachausschüssen des Rates abzuwählen.