Herne. Polizisten und Rettungskräfte aus Herne berichten, dass der Ton auf den Straßen rauer wird. Welchen Gefahren sie zunehmend ausgesetzt sind.

Die Ereignisse vom Wochenende schockierten. Gewaltbereites Partyvolk randalierte in Düsseldorf und Köln, bewarf Polizisten mit Flaschen und behinderte Rettungskräfte. Nehmen die Übergriffe auf Einsatzkräfte zu – auch in Herne? Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte sind sich zumindest einig: Der Ton auf den Straßen wird rauer.

161 „Delikte zum Nachteil von Polizeibeamten“, wie es offiziell heißt, gab es laut dem zuständigen Polizeipräsidium Bochum im Jahr 2020 in Herne. Damit sei die Zahl im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken, so ein Sprecher. 2019 registrierte die Behörde 175 solcher Straftaten.

Mehr Angriffe auf Beamte des Polizeipräsidiums Bochum

Aufgrund des langen Corona-Lockdowns war das soziale Leben 2020 allerdings auch stärker eingeschränkt als im Vorjahr. Im gesamten Einsatzgebiet der Bochumer Behörde sei die Zahl der Straftaten gegen Polizisten im Jahr 2020 trotz Corona auf 833 gestiegen. 2019 gab es demnach insgesamt 739 Angriffe auf Polizeibeamte in Bochum, Witten und Herne.

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„Bei der Mehrheit dieser Delikte handelt es sich um Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und tätliche Angriffe auf Polizeibeamte“, erklärt Jens Artschwager, Sprecher der Polizei Bochum. Eine typische Konfliktsituation sei zum Beispiel diese: Die Polizei führt eine Personenkontrolle durch, der Kontrollierte wehrt sich heftig und schlägt auf den Beamten ein.

Polizeisprecher: Hemmschwelle, Gewalt einzusetzen, ist gesunken

Ein anderes klassisches Beispiel: Bei einer Demonstration greifen gewaltbereite Teilnehmer die Polizei völlig grundlos an und bewerfen sie mit Flaschen. In geringer Zahl befänden sich aber auch Körperverletzungsdelikte und Bedrohungen unter den erfassten Angriffen, so Artschwager.

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„Die Hemmschwelle, Gewalt einzusetzen, ist in den vergangenen Jahren gesunken“, betont der Polizeisprecher. Das merkten vor allem die Kollegen im Wach- und Wechseldienst. Dabei richte sich die Aggression aber gar nicht unbedingt speziell gegen die Polizei. Vielmehr beobachte man eine allgemein gestiegene Gewaltbereitschaft.

Gefahr droht bei Demonstrationen oder durch größere Gruppen

„Grundsätzlich wird die Polizei immer noch als Freund und Helfer wahrgenommen“, so Artschwagers Einschätzung. Gestiegenes Gewaltpotenzial erlebten die Beamten vorrangig in speziellen Situationen, zum Beispiel bei Demonstrationen oder am Wochenende im Umgang mit größeren Gruppen.

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Die Polizeibeamten hätten eine gute Ausbildung und seien selbstverständlich auch für solche Fälle vorbereitet, so der Polizeisprecher. „Trotzdem ist das eine bittere Erfahrung, die an den Kollegen nicht spurlos vorbeigeht.“ Deshalb bereite man Fälle von Gewalt gegen Polizisten behördenintern intensiv nach.

Herner Feuerwehr erlebt ebenfalls, dass der Ton ruppiger wird

Auch Feuerwehr und Rettungskräfte machen immer wieder Erfahrungen mit Gewalt und Beleidigungen. Das bestätigte Stadtsprecher Christoph Hüsken auf Anfrage. „Die Einsatzkräfte berichten, dass der Ton ruppiger wird“, sagt er. Das gelte im Übrigen nicht nur für Rettungskräfte, sondern für alle Bereiche der Verwaltung, in denen es Bürgerkontakt gebe. Auch Hüsken stellt klar: „Die gewaltbereiten Personen haben es gar nicht gezielt auf die Einsatzkräfte abgesehen, sondern reagieren aggressiv gegen jeden, der ihnen über den Weg läuft.“

Offiziell registrierte Übergriffe gegen Kräfte der Feuerwehr Herne gab es laut Angaben der Stadt im Jahr 2021 allerdings nur vier. Darunter fallen Beleidigungen, Körperverletzungen und versuchte Körperverletzungen, wobei Hüsken anmerkt, dass auch schon Schubsen als Körperverletzungsdelikt gewertet werde. Der Stadtsprecher betont: „Das ist keine schöne Situation für Einsatzkräfte, die kommen, um zu helfen.“

Weitere Informationen: Stadt kämpft mit Kampagne gegen Verrohung

  • Weil mangelnder Respekt und schlechte Umgangsformen zu oft an der Tagesordnung lägen, habe die Stadt bereits 2019 die Kampagne „Herne mit Respekt“ an den Start gebracht, sagt Stadtsprecher Christoph Hüsken.
  • Die Kampagne wendet sich gegen jegliche Form körperlicher und psychischer Gewalt und will das gesellschaftliche Miteinander in Herne fördern. Partner sind zum Beispiel Sportvereine, öffentliche Einrichtungen, Arztpraxen oder Geschäfte.