Herne. Der Ruhrhub unterstützt Start-ups im Ruhrgebiet, ihre Visionen in die Realität umzusetzen. Geschäftsführerin ist die Hernerin Svenja Tietje.
Die Digitalisierung spiegelt sich mittlerweile in fast jedem Lebensbereich wider und gehört so zu den zentralen Zukunftsthemen. Der Ruhrhub als junge Start-up Initiative mit Sitz in Essen soll junge Unternehmen aus dem Ruhrgebiet unterstützen, ihre Ideen und Visionen in die Realität umzusetzen. Geschäftsführerin ist eine Hernerin: Svenja Tietje. Mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann sprach sie über ihre Arbeit, Aufholbedarf und die Veranstaltung Ruhrsummit.
Frau Tietje, der Begriff Ruhrhub sagt vielen Hernern nichts. Was ist die Aufgabe des Ruhrhub?
Wir möchten das Bewusstsein dafür schaffen, dass das Ruhrgebiet in Sachen Digitalisierung viel zu bieten hat und wollen ihm eine entsprechende Strahlkraft verleihen. Die immense Hochschuldichte in der Metropole Ruhr gepaart mit der vielfältigen Industrie vor Ort resultiert in gut ausgebildeten Fachkräften. Unsere zentrale Aufgabe ist es, die hier ansässigen Start-ups mit den großen Firmen zusammenzubringen, Know-how zu transferieren und Optimierungspotenziale auszuschöpfen.
Bei der Gründung 2017 hieß es auch, man wolle es mit den großen Zentren Hamburg und Berlin aufnehmen. Wie ist der Stand der Dinge?
Wir können uns als Ruhrgebiet schon messen mit Berlin oder auch München. Natürlich sind diese Städte nach wie vor die Vorreiter bei der Digitalisierung, aber auch wir haben inzwischen ein großes Netzwerk aufgebaut. Das sieht man auch an unserer zentralen Veranstaltung, dem Ruhrsummit.
Schauen denn Berlin und München jetzt auch mal Richtung Ruhrgebiet?
Auf jeden Fall. Gerade beim Ruhrsummit haben wir aus diesen Städten Referenten hier, genauso wie wir Teilnehmer aus diesen Regionen haben. Mit dem Ruhrsummit sind wir ja international unterwegs. Wir hatten im vergangenen Jahr, als der Ruhrsummit ausschließlich online stattgefunden hat, Teilnehmer aus 21 Ländern auf unseren digitalen Plattformen. Das finde ich beachtlich.
Zu den Gesellschaftern des Ruhrhub gehören sechs Ruhrgebietsstädte. Müssten es nicht mehr werden, damit nicht außerhalb dieses Kreises wieder das Kirchturmdenken anfängt?
Genau das wollen wir nicht. Diese sechs Städte sind zwar unsere Gesellschafter, aber wir stehen für das komplette Ruhrgebiet. Das heißt, dass auch ein Start-up aus Herne zu uns kommen kann.
Wie sieht denn die tägliche Arbeit beim Ruhrhub aus? Was können Sie einem Startup, das zu Ihnen kommt, bieten?
Wir unterstützen bei Förderprojekten, wir können Netzwerker zu Investoren und Unternehmen sein. Im Prinzip sind wir der digitale Knotenpunkt zwischen den Zielgruppen, die ein Startup braucht. Im Fokus steht dabei immer die digitale Ausrichtung der Start-ups. Mit dem Gründerstipendium NRW, welches wir vergeben, möchten wir innovative Geschäftsmodelle fördern. Da sind digitale Komponenten in der Geschäftsmodellentwicklung ein Muss. Außerdem ist der Ausbau unserer Community ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Neben den Großevents, wie dem Ruhrsummit, versorgen wir unser Netzwerk mit neuem Input durch monatlich stattfindende Veranstaltungen, wie zum Beispiel das Ruhr-Startupbreakfast oder die Ruhr-Startupnight. Beim Ruhrsummit findet der Austausch dann in großem Format statt. Ein Startup hat bei uns immer wieder die Möglichkeit, auf die Bühne zu kommen und sein Netzwerk enger zu knüpfen.
Aber man sollte schon mit einer „digitalen Idee“ kommen?
Auf jeden Fall. Wie decken zwar alle Branchen ab, aber die digitale Ausrichtung des Geschäftsmodells muss erkennbar sein. Das heißt nicht, dass nur technologisch hoch komplexe Start-ups sich bei uns melden können. Das Startup kann durchaus aus dem Handwerk oder der Logistik kommen. „Pottsalat“ aus Essen ist so ein Fall. Die stellen zwar Salate her, aber die Bestellungen sind komplett digitalisiert. Wir können jungen Unternehmen ihre Chancen durch die Digitalisierung aufzeigen.
Im Zuge der Corona-Pandemie war viel davon die Rede, dass sie einen Digitalisierungsschub ausgelöst hat. Wie ist Ihr Befund?
Man hat ja im täglichen Leben diesen Schub gespürt, zum Beispiel durch die vielen Videokonferenzen...
...aber ist dieser Schub denn nicht auch ein Indiz für einen großen Aufholbedarf?
Es war auf jeden Fall dringend notwendig. Und Corona hat uns quasi an die Wand gestellt, und wir konnten gar nicht anders als handeln. Die ersten Resultate sieht man schon, man hat eine ganz andere Art des täglichen Arbeitens. Wobei meine Hoffnung ist, dass man mit dem Abflauen der Pandemie auch wieder ein Stück weit digital entschleunigen kann.
Hat die Krise neue Start-ups mit neuen Ideen hervorgebracht?
Das nicht, aber wir haben beim Gründungsgeschehen auch keine Einbrüche gesehen, auch wenn es einzelnen nicht gut ging, zum Beispiel jenen, die in der Urlaubsbranche aktiv sind. Aber der Mut zu gründen ist im Ruhrgebiet nach wie vor vorhanden.
Wären nicht Start-ups mit Blick auf die Schulen dringend nötig?
Auf jeden Fall. Ganz schwieriges Thema. Ich sehe das als zweifache Mutter hautnah. An manchen Schulen läuft es gut, aber es musste ja auch erst Corona kommen, damit sich etwas bewegt. Aber es fehlt noch so viel. Schule ist eigentlich ein weites Feld für Gründungsideen. Aber die Frage ist ja, was am Ende in den Schulen ankommt. Die Mittel des Digitalisierungspakts sind ja längst nicht alle abgerufen worden bislang. Es gibt bei der Ausstattung riesige Unterschiede.
Sie befinden sich gerade in der heißen Vorbereitungsphase für den Ruhrsummit, der am 29. und 30. Juni in der Bochumer Jahrhunderthalle stattfinden wird.
Der Ruhrsummit findet zum sechsten Mal statt und hat sich inzwischen fest etabliert. Wir haben letztes Jahr mit dem Ruhrsummit unser digitales Debüt gefeiert und freuen uns, die Veranstaltung in diesem Jahr hybrid aufzuziehen. Dabei wird Dreh- und Angelpunkt weiterhin unsere eigens programmierte Plattform darstellen, die um analoge Komponenten in der Bochumer Jahrhunderthalle ergänzt wird. Das wird auch in Zukunft so bleiben, damit wir auch der internationalen Start-up Szene Zugang zum Event bieten. In diesem Jahr haben wir als großes Oberthema „Smart Industry und Smart City“ vorgesehen. Es werden unterschiedliche Strategien aus mehreren Städten vorgestellt. Herne ist zwar nicht als Referent zu Gast, aber vielleicht findet die Stadt Herne ja beim Ruhrsummit als Teilnehmer Anreize, zumal die Digitalisierung ja in Herne zu den strategischen Zielen zählt.
>> ZUR PERSON
■ Svenja Tietje (geb. 1978) ist gebürtige Wanne-Eickelerin und hat am Gymnasium Eickel das Abitur gemacht.
■ Sie studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Università la Sapienza in Rom/Italien und beendete das Studium an der Ruhr Universität Bochum.
■ Nach 13 Jahren Tätigkeit auf Agenturseite war sie von 2016 bis 2020 zuständig für die Standortkommunikation der Wirtschaftsförderung Dortmund. Im April 2020 wurde sie als Geschäftsführerin in die Ruhr:HUB GmbH berufen.
>>> DER RUHRHUB
■ Im Auftrag und mit finanziellen Mitteln des NRW-Wirtschaftsministeriums sowie sechs Ruhrgebietsstädten ging der Ruhrhub im Oktober 2016 an den Start.
■ Jährlich steht dem Ruhrhub ein Budget von rund einer Million Euro zur Verfügung, um die Aktivitäten zu finanzieren. Die Zuschüsse tragen jeweils die beteiligten Städte und das NRW-Wirtschaftsministerium. Die aktuelle Förderphase läuft am 30. September 2022 aus.
■ Der Ruhrhub generiert aber auch eigene Einnahmen: aus der Vermietung von Räumen an Start-ups und für größere Veranstaltungen. Auch Erlöse aus dem Ticketverkauf und für Leistungen für Unternehmen fließen in die Kasse des Ruhrhub.