Herne. An den Impfungen über Pfingsten in sozialen Brennpunkten konnte jeder Herner bei Vorlage eines Ausweises teilnehmen. Warum das auf Kritik stößt.
Nach den mobilen Impfaktionen über Pfingsten im Horsthauser Feldherrenviertel und in der Wanner Hochhaussiedlung Emscherstraße zieht die Stadt eine „sehr positive Bilanz“ und strebt eine Neuauflage an. In der Politik wird derweil Kritik daran laut, dass die Verwaltung die Impfungen für alle Hernerinnen und Herner freigegeben hat.
„Insgesamt wurden an beiden Tagen 1004 Impfungen vorgenommen“, erklärt Stadtsprecher Michael Paternoga am Montag auf Anfrage der WAZ. Alle Herner, die am Sonntag im Feldherrenviertel und am Montag an der Emscherstraße bis 16 Uhr in der Schlange gestanden hätten, seien auch geimpft worden. Hintergrund: Das Vakzin von Johnson & Johnson, das nur eine Impfung erfordert, ist der Stadt vom Land für diese gezielten Aktionen in „sozialen Brennpunkten“ zur Verfügung gestellt worden.
„Werbung“ über Facebook
Wie viele Bewohner der beiden Herner Wohnquartiere die Stadt am Ende wirklich erreicht hat, ist unklar. Denn: Wer vor den Impfbussen einen Personalausweis mit Herner Wohnsitz vorweisen konnte, wurde auch geimpft. Die Folge: Über Facebook-Gruppen und auch durch Mund-zu-Mund-Propaganda ist in ganz Herne für die Aktion „geworben“ worden.
Auch im Nachgang will die Verwaltung nicht in Erfahrung bringen, wie viele Menschen der Zielgruppe tatsächlich einen Impfschutz erhalten haben. „Eine Auswertung ist nicht vorgesehen“, sagt Stadtsprecher Paternoga. Von einer gezielteren Kontrolle an den Impfbussen habe man wegen der „Kurzfristigkeit der Aktion“ und aus Gründen der Praktikabilität abgesehen. Informiert hatte die Stadt in den Vierteln durch das Verteilen von Flyern und aktuelle Lautsprecherdurchsagen.
Grüne hätten sich gezieltere Informationen gewünscht
Die Grünen-Stadtverordnete und Ärztin Dorothea Schulte zweifelt daran, dass das Gros des Impfstoffs auch wirklich den Menschen in den beiden Vierteln zugute gekommen ist. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Stadt im Vorfeld gezielter auf die Bewohnerinnen und Bewohner zugegangen wäre und eine umfassende Aufklärung betrieben hätte.“ So ist es beispielsweise in Bottrop praktiziert worden. Und: Es hätte in Herne weitere Bevölkerungsgruppen gegeben, die man vorzeitig hätte impfen können, sagt Schulte und nennt als Beispiel Arbeitslose, die an Eingliederungsmaßnahmen teilnehmen.
Auch interessant
Zu den Hernern, die das Impfangebot der Stadt auch ohne Wohnsitz an der Emscherstraße oder im Feldherrenviertel genutzt hat, zählt auch die Familie von Uwe Lawrenz. Der Stadtverordnete der AfD-Abspaltung WfH hat sogar am Montagmorgen in einer Facebook-Gruppe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle Herner „mit Perso“ an der Emscherstraße geimpft würden. Außerdem berichtete er auf Facebook, dass seine Familie nun „durchgeimpft“ sei.
Stadtverordneter kann kein Fehlverhalten erkennen
Auf Anfrage der WAZ will er nicht von einem Fehlverhalten sprechen. Es sei doch gar nicht klar gewesen, ob am Ende alle Impfdosen verbraucht worden wären, sagt der 63-Jährige. Seine Familie sei im Feldherrenviertel geimpft worden. Er selbst habe das Angebot der Stadt nicht in Anspruch genommen, weil er aufgrund einer Vorerkrankung vom Hausarzt geimpft werde, so Lawrenz.
Auch interessant
Zurück zur Stadt: Nach den positiven Erfahrungen vom Pfingstwochenende werde Oberbürgermeister Frank Dudda noch am Montag einen Brief an NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann schicken, so Stadtsprecher Michael Paternoga. Inhalt: eine Nachfrage, ob das Land Herne zusätzlichen Impfstoff für weitere Aktionen zur Verfügung stellen könne.
Patrick Steinbach (SPD) lobt die Verwaltung
Sozialausschussvorsitzender Patrick Steinbach (SPD) lobt grundsätzlich die Brennpunktaktion der Stadt in Wanne und Horsthausen. Impfneid sei hier fehl am Platz. „Die Aktion schützt uns alle, weil sie eine Ausbreitung der Pandemie verhindert“, sagt der Stadtverordnete.
Auch die Umsetzung durch die Verwaltung sei für ihn durchaus nachvollziehbar. Ohne eine Freigabe für alle Herner hätte es zu Konflikten kommen können - so wie es anderswo der Fall gewesen sei, sagt er.