Herne. Der Herner Sozialdemokrat Patrick Steinbach (43) hat viele Ämter und noch mehr Kinder. Wie der neue Vorsitzende des Sozialausschusses tickt.
Wenn die Berliner SPD-Parteiführung am Reißbrett einen Vorzeige-Genossen entwerfen könnte, hätte der Herner Patrick Steinbach durchaus Chancen, die Vorlage für dieses Modell zu sein. Er ist als Jugendlicher in die SPD eingetreten, Betriebsrat, Familienvater, Ratsherr, Vorsitzender des Sozialausschusses und schreibt mit seinem Ortsverein Bürgernähe groß. In einem Punkt entspricht der 43-Jährige allerdings nicht dem aktuellen SPD-Idealbild.
Patrick Steinbach ist nämlich seit seinem Parteieintritt Mitte der 90er-Jahre bekennender Anhänger von Oskar Lafontaine, also von jenem früheren SPD-Vorsitzenden, der für die meisten Genossen spätestens seit seiner Parteiflucht 2005 ein rotes Tuch ist. Auch heute schätzt er den Saarländer, der lange an der Spitze der Linkspartei gestanden hat: „Er hat noch immer SPD-Positionen. Daran hat sich nichts geändert.“ Und auch daraus macht Steinbach keinen Hehl: „Rot-Rot-Grün war und ist im Bund meine Lieblingskoalition.“
Patrick Steinbach fordert die Abschaffung von Hartz IV
Geprägt wurde seine politische Haltung allerdings nicht nur durch Oskar, sondern auch durchs Elternhaus. Vater Heinz-Jürgen war einst SPD-Stadtverordneter (und kandidierte sogar mal erfolglos gegen Horst Schiereck um den Ratsfraktionsvorsitz). Und Mutter Bärbel - sie führt einen Frisiersalon in Horsthausen - ist ebenfalls bekennende Genossin. Vom Vater hat er zudem den Vorsitz in der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) „geerbt“: Nach Heinz-Jürgen Steinbachs mehr als 20-jähriger Ära löste ihn der Sohn 2006 ab und führt seitdem die örtliche AfA.
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In der SPD würde er sich grundsätzlich mehr Einsatz für Arbeitnehmer wünschen. „Das hat uns stark gemacht, darauf müssen wir uns wieder besinnen.“ Wenn Patrick Steinbach mehr Gerechtigkeit fordert, heißt das unter anderem: die Abschaffung von Hartz IV und eine grundlegende Sozialstaatsreform. „Das ist wie bei einem alten Auto: Man kann nicht immer nur einzelne Teile austauschen, sondern braucht auch mal einen komplett neuen Motor.“
Rot-Schwarz in Herne ist für ihn „die Koalition der Vernunft“
Beruflich geht es für ihn inzwischen ebenfalls um Gerechtigkeit: Der gelernte Kaufmann für Verkehrsservice ist seit 2018 freigestellter Betriebsrat der Bogestra. Das Jahr markiert aber noch einen weiteren Einschnitt in seinem Leben: Er rückte damals über die SPD-Reserveliste für den verstorbenen Heinrich Scholz als Stadtverordneter in den Rat nach. Bei seinem ersten Anlauf vor der Kommunalwahl 2014 war er noch denkbar knapp gescheitert. In seinem SPD-Ortsverein Herne-Ost unterlag er im Kampf ums Direktmandat Platzhirsch Henryk Banski mit nur einer Stimme Rückstand.
2020 gelang ihm dann im für die SPD stets umkämpften Herne-Ost ein recht deutlicher Sieg. Patrick Steinbach führt dies auch auf die starke Präsenz zurück, die der seit fünf Jahren von ihm geführte Ortsverein nicht nur in Wahlkampfzeiten pflege. Vor der Pandemie hätten sie einmal monatlich einen Infostand aufgebaut, berichtet er. In der Herner Kommunalpolitik gilt für ihn übrigens eine andere Farbenlehre: Er stehe hinter Rot-Schwarz im Rat, weil dies „die Koalition der Vernunft“ sei.
Bei Rot-Schwarz im Bund müsse er dagegen bei einigen Kompromissen „schlucken“, bekennt er. Zum Beispiel: in der Flüchtlingspolitik. Umso mehr freue es ihn, dass sein Ortsverein mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering dieses Thema im Wahlkampf aufgreifen werde. Es sei beschämend, wie Europa an den Außengrenzen Menschen in Lagern wie Moria verrotten lasse, sagt Patrick Steinbach, der wie seine Ehefrau Julia (siehe auch Kasten) im antifaschistischen Bündnis Herne aktiv ist.
Patchworkfamilie mit sechs Kindern
Beruf, Partei, Ratsmandat, seit 2020 der Vorsitz im Sozialausschuss, Engagement gegen Rechts - da bleibt mit Ausnahme des Joggens keine Zeit für Hobbys. Erst recht nicht, weil die Familie den 43-Jährigen ebenfalls stark in Anspruch nimmt. Zu der inzwischen in Baukau lebenden Patchworkfamilie Steinbach zählen nämlich sechs Kinder - drei Mädchen, drei Jungs - im Alter von 4 bis 20 Jahren: drei aus Patricks erster Ehe, zwei aus Julias erster Ehe sowie die gemeinsame Tochter.
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„Ohne Unterstützung meiner Eltern würde das alles gar nicht funktionieren“, sagt Patrick Steinbach. Mit zunehmender Kinderzahl wachse bei einem Vater auch die Gelassenheit:. „Wenn es dann zum zweiten Mal hintereinander Pizza vom Lieferservice gibt, sagt man sich: Ja, wir wissen alle, dass das ungesund ist. Aber es ist auch mal okay, bei dem ganzen Stress nicht kochen zu müssen.“