Herne. Jana Ermlich ist seit 2020 Klimaschutzmanagerin der Stadt Herne. Von der Wildblumenwiese bis zur grünen Fernwärme hat sie viele Themen in Blick.
Das Bundesverfassungsgericht hat vor wenigen Tagen entschieden, dass das Klimaschutzgesetz von 2019 in Teilen verfassungswidrig ist und nachgebessert werden muss, weil nur bis 2030 Maßnahmen für eine Emissionsverringerung vorgesehen sind und die Gefahren des Klimawandels zulasten der jüngeren Generation verschoben werden. Anlass für ein Gespräch mit der Herner Klimaschutzmanagerin Jana Ermlich. WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann hat mir ihr gesprochen.
Frau Ermlich, wie beurteilen Sie diese Entscheidung als Klimaschutzmanagerin und als Angehörige der jüngeren Generation?
Ermlich: Es freut mich, dass das Bundesverfassungsgericht den Antrag der jungen Generation überprüft hat und festgelegt hat, dass strengere Regeln nötig sind und die Zielsetzung von Deutschland überarbeitet werden muss. Und es ist gut, dass sich Deutschland jetzt in einer kürzeren Zeitspanne ambitioniertere Ziele setzen muss.
Kann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch Auswirkungen auf die Bemühungen in Herne haben?
Es passieren ja schon einige Dinge hier. Die Bandbreite ist recht groß und reicht auf der einen Seite vom Säen der Wildblumenwiesen bis zur Erneuerung von Stadtteilen unter Klimagesichtspunkten. Eins der großen Projekte ist die Photovoltaikförderung, bei der Privatleute gefördert werden, wenn sie eine Anlage neu installieren. In dieser Hinsicht gibt es zusammen mit Innovation City, der Verbraucherzentrale und den Stadtwerken Beratungsangebote, so dass wir hier schon auf einem guten Weg sind. Die Stadtwerke haben ja vor wenigen Tagen in Horsthausen das Projekt der „grünen Fernwärme“ vorgestellt, bei dem die Abwärme des Grubengases für die Fernwärmeversorgung genutzt werden soll. Aber es gibt auch kleine Mosaiksteine, wie ein Lastenfahrrad im Rahmen des Projektes „Soziale Stadt Wanne-Süd“, das sich Bürger ausleihen können.
Bleiben wir für einen Moment bei der Photovoltaik. Die Förderung für private Anlagen kann ja, gemessen an den Potenzialen, nur der erste Schritt sein...
Das stimmt. Zwei Drittel der Herner Dachflächen sind für Photovoltaik sehr gut geeignet. Die Dächer in Herne bieten Platz, um jährlich bis zu 214 Gigawattstunden zu produzieren. Zum Vergleich: der gesamte Strombedarf in Herne liegt bei 528 Gigawattstunden pro Jahr. In den letzten Jahren hatten wir einen Ertragszuwachs von jährlich 0,3 Gigawattstunden. Durch den Start des Klimaschutzmanagements und die städtische Förderung der Solarausbauinitiative Solarmetropole Ruhr haben wir es geschafft, seit August 2020 mit den bislang 25 bewilligten Anlagen 0,22 Gigawattstunden ins Netz einzuspeisen. Übrigens: Es sind immer noch Fördermöglichkeiten für Photovoltaikanlagen dieses Jahr verfügbar. Mehr Informationen gibt es unter www.herne.de/solar.
Wie kann man diese Potenziale besser ausschöpfen?
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Indem ich als Klimaschutzmanagerin noch stärker Ansprechpartner vernetze, damit sie private Hausbesitzer gut informieren können. Das Wissen ist bei vielen Menschen nicht da oder es ist veraltet. So glauben viele immer noch, dass die Anlagen sehr teuer sind und dass sie sich nicht rentieren. Viele sind vielleicht auch zurückhaltend, weil die Einspeisevergütung geringer ist als in den vergangenen Jahren. Aber die Anlagen lohnen sich sehr wohl. Und wessen Dach nicht geeignet für die Photovoltaik ist, der kann vielleicht über ein Dachbegrünung nachdenken. Dafür gibt es ein richtiges Kataster, um zu sehen, welches Dach für was geeignet ist. Auch die Ansprache von Unternehmen ist wichtig. Viele große Dachflächen, gerade von Fabrik- und Lagerhallen, sind bislang ungenutzt. In Herne läuft seit 20 Jahren das Projekt Ökoprofit, welches Unternehmen unterstützt ihr Umweltmanagement aufzubauen und davon finanziell zu profitieren. Alle teilnehmenden Unternehmen haben sich für eine Photovoltaikanlage entschieden.
Wo kann Herne mehr machen?
Zur Person
Jana Ermlich, 28 Jahre alt, ist seit April 2020 Klimaschutzmanagerin bei der Stadt Herne.
Die studierte Geografin hat 2018 in Bochum ihren Masterabschluss in Stadt- und Landschaftsökologie gemacht. Anschließend war sie zunächst als Klimaschutzmanagerin bei der Stadt Schwerte tätig, bevor sie nach Herne in den Fachbereich Umwelt und Stadtplanung wechselte.
Dort gehört sie zur Abteilung Klima- und Immissionsschutz, Abfallwirtschaft. Die Klimaschutzmanagerin vernetzt wichtige Partner im Klimaschutz. Sie informiert über das Klimaschutzkonzept der Stadt Herne und stößt Veränderungsprozesse an.
Auch in der Verwaltung vertritt sie Klimaschutzaspekte und trägt damit zum Ziel der Stadtverwaltung bei, die Umwelt- und Lebensqualität in der Stadt zu verbessern.
Ziel ist es, Verhaltensänderungen hervorzurufen und ein erhöhtes Bewusstsein für das Thema Klimaschutz zu schaffen. Das Ganze muss als Gesellschaftsaufgabe gesehen werden, bei der jeder seinen Beitrag leistet. Die Stadt Herne hat die Aufgabe, die Bürger, aber auch Unternehmen aufzuklären. Natürlich kann nicht jeder Bürger jede Möglichkeit nutzen, aber wir müssen das Bewusstsein schaffen. Ein Beispiel: Bislang ist die Tatsache, dass Haushalte in Herne den größten Anteil am Endenergieverbrauch haben, eher wenig bekannt. Noch vor dem Verkehr. Deshalb bieten wir ja Energiespar-Checks an, bei denen die Bürger Tipps bekommen wie sie in ihrem Haushalt ihre Stromkosten senken können und somit zusätzlich einen Beitrag für den Klimaschutz leisten. Die Stadt muss weiterhin bei Einzelvorhaben im Neubau und Bestand Klimaschutzmaßnahmen überprüfen und umsetzen.
Es gibt viele kleine Maßnahmen und Ansätze. Wo bleibt der große Wurf in Sachen Klimaschutz?
Ich glaube nicht, dass es die eine große Stellschraube gibt. Ich beschäftige mich als Klimaschutzmanagerin sowohl mit energetischen Klimaschutzmaßnahmen, als auch mit jenen im Wärme- und Stromsektor. Da sind Maßnahmen wie die grüne Fernwärme der Stadtwerke die großen Projekte, weil man damit auf einen Schlag viele Haushalte klimafreundlicher machen kann. Aber man muss bedenken: In der Summe wirken sich auch viele kleine Maßnahmen positiv auf die Treibhausgasbilanz der Stadt aus.
In welchem Maß können Sie als Klimaschutzmanagerin diesen Prozess vorwärts treiben?
Ich habe verschiedene Themenfelder. So soll die Stadt Vorbildfunktion haben, das heißt, die Gebäude müssen angepasst werden, es werden immer mehr Elektrofahrzeuge angeschafft, wir leisten Klima-Bildungsarbeit in Schulen. Hinzu kommen viele Beratungen für Privatleute und Unternehmen, die ich aber nicht selbst mache, sondern die von Partnern wie den Stadtwerken durchgeführt werden. Dazu kommen die Bereiche Mobilität und Klimafolgenanpassung. Ich gebe einerseits Anstöße und Anreize. Andererseits fungiere ich quasi als Informationsdrehscheibe.
Zum Abschluss zurück zum Anfang: Müsste vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts die Position einer Klimaschutzmanagerin innerhalb der Stadtverwaltung gestärkt werden?
Bei der Stadt Herne gibt eine starke Verzahnung zwischen den Bereichen Umwelt und Planung, was das Thema Klimaschutz angeht. Auch die Fachbereiche Gesundheit und Verkehr sind bei dem Thema Klimaschutz involviert. Klimaschutz wird bei der Stadt Herne allumfassend betrachtet und auch bei zukünftigen Belangen ist das Thema verstärkt im Blick. Es gibt ja schon Leitfäden, mit denen Bauprojekte auf ihre Klimaverträglichkeit hin geprüft werden. Das mache ich zwar nicht als Person, aber auch in dieser Hinsicht hat sich die Stadt auf den Weg gemacht.