Herne. Eine der beliebtesten Geschichten aus 2021: Christian Schmidtke(25) ist Priester und lebt enthaltsam. Manchmal bereut er die Entscheidung.

Zum Jahreswechsel veröffentlichen wir einige unserer meistegelesenen Texte aus 2021 neu. Viel Spaß beim Lesen und ein frohes neues Jahr wünscht Ihre WAZ Herne!

Christian Schmidtke ist 25 Jahre alt, als er beschließt, Priester zu werden. Er tauschte sein altes Leben als Pfleger gegen ein Leben im Dienste Gottes. Und das aus Liebe zu Gott.

Mit dem Eintritt ins Priesterleben gibt er das Versprechen ab, im Zölibat zu leben, also nie wieder eine Partnerschaft zu führen oder eine Familie zu haben. Darauf habe er sich bewusst eingelassen, erzählt er. Trotzdem hinterfrage er sich jeden Tag, ob er weiterhin so leben möchte und kann. „Aber das ist ja auch in jeder Partnerschaft so.“

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Ein Hinderungsgrund sei der Zölibat nie gewesen, sagt Schmidtke, der 2018 zum Priester geweiht worden ist. Es habe zwar im Theologiestudium Momente gegeben, in denen er sich gefragt habe, ob er es schaffen könne. In diesen Momenten habe er sich dann aber immer wieder klar gemacht, dass er, wenn er wollte, zurück in seinen alten Beruf als Pfleger kehren könne. „In der Pflege werden schließlich immer Leute gesucht – ich wusste also: Ich falle nicht.“

Herner Priester fehlt ab und zu menschliche Nähe

Ob er die Entscheidung, sich für den Priester-Weg entschieden zu haben, schon mal bereut hat? „Um ehrlich zu sein: ja.“ Es gebe Tage, da bereue er die Entscheidung, weil es manchmal kompliziert sei. Aber auch das habe er in seinem vorherigen Leben schon erlebt.

Vor allem in den Momenten, in denen es ihm nicht gut gehe oder er sich über etwas geärgert habe, sei es schade, dass niemand abends auf ihn zuhause warte und in den Arm nehme. „Natürlich könnte man sagen, dass man diese Trauer dann weg betet – aber das ist Quatsch.“ Die menschliche Nähe fehle gerade in diesen Momenten sehr.

Deshalb seien Familie und Freunde für ihn sehr wichtig. „Wenn ich meine Probleme bei jemandem abladen kann, dann geht es mir danach schon deutlich besser. Ohne meine Freunde würde ich es nicht schaffen.“ Seit 2018 arbeitet Christian Schmidtke nun in Herne in der St.-Dionysius-Gemeinde, in der Zeit habe er sich ein gutes Netzwerk aufbauen können. Auch seine Familie wohne nicht weit weg in Iserlohn.

„Liebe ist etwas wunderschönes“

Verliebt sei der Priester in seinem Leben vor dem Zölibat schon gewesen, auch eine Partnerschaft habe er geführt. „Liebe ist etwas Wunderschönes.“ Sie sei befreiend und erfüllend, könne aber gleichzeitig auch schmerzvoll sein, sagt Schmidtke. Liebe gebe es aber nicht nur in der Partnerschaft, betont er. „Wer Liebe noch nicht erlebt hat, hat definitiv etwas verpasst.“

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Auch wenn er mit dem Zölibat gut leben könne, sollte die Entscheidung, enthaltsam zu leben, freiwillig sein, sagt er. Würde das Pflichtzölibat abgeschafft, würden mehr Menschen sich dazu entscheiden, Priester zu werden, sagt er. In einigen Ländern gebe es verheiratete und unverheiratete Priester – auch in der römisch-katholischen Kirche. „Man sieht also, es ist möglich.“ Der Zölibat sei ein reines Kirchengesetz, „man könnte es von heute auf morgen ändern, wenn man wollte.“ Es gebe viele junge Priester, die sich verliebten und dann ihren Dienst nicht weiter ausführten. „Das ist ein großer Verlust für die Kirche.“

Zölibat wird mit Missbrauchsskandalen in Verbindung gebracht

Früher sei der Zölibat ein Zeichen dafür gewesen, dass der Priester nur für die Gemeinde lebe. Heute sei es eher verwirrend und das Zeichen werde nicht mehr verstanden, so der 34-Jährige. „Damals fanden die Leute es noch toll, heute interessiert es eigentlich keinen mehr.“ Im Gegenteil: Der Zölibat werde von vielen Menschen mit Missbrauchsskandalen in Verbindung gebracht. Das müsse aber differenziert betrachtet werden, betont er. „Man kann den Zölibat nicht für alles verantwortlich machen.“

Er merke, dass die Akzeptanz für Vielfalt in den letzten Jahren gewachsen sei. Seien beispielsweise Homosexuelle früher noch „schräg“ angeguckt worden, gebe es dort mittlerweile eine größere Akzeptanz. „Jeder soll schließlich selbst entscheiden, wie er sein Leben gestalten möchte.“

>>> LIEBESSERIE „BEI ALLER LIEBE“

Vikar Christian Schmidtke ist Teil unserer Serie „Bei aller Liebe“ in der WAZ Herne. Dafür suchen wir Paare aus Herne, die uns ihre ganz besondere Liebesgeschichte erzählen wollen.

Das können Männer und Frauen sein, die sich vor kurzem erst verliebt haben – oder schon ewig zusammen sind. Pärchen, die bald heiraten wollen oder (überzeugte) Singles. Partner, die trotz Altersunterschied oder anderer Nationalität zueinander gefunden haben. Oder auch Menschen, die davon erzählen, wie schwer es sein kann, in Corona-Zeiten jemanden kennenzulernen.

Schreiben Sie uns unter lea.wittor@funkemedien.de oder als Brief an die WAZ-Redaktion Herne, Bahnhofstraße 64, 44623 Herne.

Unsere bisherigen Folgen von „Bei aller Liebe“:

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