Herne. Aus Liebe zu Kindern arbeitet Yvonne Guth als Tagesmutter in Herne. In unserer Liebesserie verrät sie , wie der Beruf ihren Alltag verändert hat.
Yvonne Guth lenkt den großen Kinderwagen gekonnt über die Bordsteinkante in Richtung Spielplatz. „Heute Morgen kamen die Kinder etwas später, daher hat alles etwas länger gedauert“, sagt sie und setzt ein Kind nach dem anderen in den Sand. Evelin (1) und Liv (2) laufen sofort zu der großen Schaukel, während die einjährige Rebecca Schippe, Eimer und Förmchen im Sandkasten verteilt.
Yvonne Guth arbeitet seit knapp zwei Jahren als Tagesmutter in Herne. Ihre Liebe zu Kindern begann schon im Tennie-Alter, erzählt die heute 40-Jährige. „Eine Freundin von mir hatte zwei jüngere Geschwister, auf die wir immer gemeinsam aufgepasst haben.“ So machte sie nach dem Schulabschluss eine Ausbildung zur Erzieherin und arbeitete anschließend viele Jahre in einer Kita in Dortmund. Doch so richtig glücklich war die junge Frau zuletzt nicht mehr. Bis zu 25 Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren seien in dem Kindergarten in einer Gruppe gewesen. „Die Kleinen gehen dabei oft unter“, bedauert Guth.
Vier kleine Zahnputzbecher stehen im Badezimmer der Hernerin
Es war die Schwester einer Freundin, die Yvonne Guth schließlich zu etwas Neuem antreibt: „Als ich gehört habe, dass sie als Tagesmutter arbeitet, bin ich ganz hellhörig geworden.“ Sie informiert sich, macht die Qualifizierung in Herne und sammelt erste Erfahrungen als Vertretung einer Tagesmutter. Gleich nach dem ersten Tag habe sie ihren Mann angerufen und gesagt: „Das ist das, was ich machen möchte“, erzählt sie und strahlt. Ihre ersten beiden Betreuungskinder waren Zwillinge, die im Alter von zwei Jahren zu ihr kamen. „Das hat sich nicht wie Arbeit angefühlt“, schwärmt die zweifache Mutter und schippt noch eine Schaufel Sand in den hellgrünen Eimer. Und es fühle sich auch heute nicht so an.
Yvonne Guth entschied sich gegen die Arbeit in einer Großtagespflege mit mehreren Tagesmüttern. Auch Räumlichkeiten wollte sie nicht anmieten. Stattdessen hängen in ihrem Badezimmer nun vier kleine Handtücher, auf dem Waschbecken stehen vier kleine Zahnputzbecher, in der Küche haben vier Hochstühle ihren Platz gefunden. Im Wohnzimmer liegt ein großer bunter Spielteppich, in den Zimmern ihrer beiden Kinder baut die Mutter jeden Tag zur Mittagszeit vier kleine Bettchen auf. Vom Jugendamt hat sie Investitionsgelder erhalten – einmalig 500 Euro pro geschaffenem Platz. So mussten an den Treppen Schutzgitter angebracht werden, und auch der Teich im Garten der Familie wurde kindersicher gemacht.
Bis zu fünf Kleinkinder darf eine Tagesmutter gleichzeitig betreuen, Yvonne Guth nimmt maximal vier auf. „Sonst würde es auch etwas eng“, gibt sie zu. Neben Evelin, Liv und Rebecca fährt normalerweise noch ein viertes Kind in dem großen Kinderwagen mit: Die zweijährige Emilia. „Alles Mädchen“, sagt Yvonne Guth und lacht – und das, obwohl ihr elfjähriger Sohn so gerne einen Jungen zum Fußballspielen hätte.
Herner Tagesmutter schätzt Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Es ist auch die enge Bindung zu den Kindern und den Eltern, die Yvonne Guth nicht mehr missen möchte. Ein ein- oder zweijähriges Kind habe eben ganz andere Bedürfnisse, brauche viel mehr Aufmerksamkeit als ein Sechsjähriger, der kurz vor der Einschulung steht. „Mama“ ruft eines der Mädchen und zeigt auf die Rutsche. Yvonne Guth hilft beim Hochklettern und hält die kleine Hand beim Runterrutschen. „Das familiäre Umfeld ist total schön“, sagt die Mutter und erinnert sich immer wieder gerne an eine Situation, in der sich ihr Sohn und eines der Kinder zu Begrüßung in die Arme gefallen sind.
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Jeden Morgen zwischen halb acht und acht klingeln die vier Mädchen an der Tür von Familie Guth. „Dann frühstücken wir erst einmal gemeinsam“, erzählt die Mutter. Anschließend gibt es einen Morgenkreis, die Kinder singen oder lesen gemeinsam, bevor es bei gutem Wetter raus in den Park oder auf den Spielplatz geht. Spätestens um zwölf kocht Yvonne Guth das Mittagessen. Nach dem Mittagsschlaf bleibt noch Zeit zum Spielen, Malen oder Basteln. „Vor Corona sind wir einmal in der Woche gemeinsam turnen gegangen“, erzählt die Tagesmutter. Doch auch zu Hause gibt es viel zu entdecken: „Wir haben einen Hund, Hasen, Hühner, Hamster und ein Chamäleon.“
Trotz aller Liebe sei die Corona-Krise für die vier- beziehungsweise achtköpfige Familie eine Herausforderung gewesen. Weil es ihm einfach zu trubelig sei, fahre ihr Mann häufig ins Büro, obwohl er eigentlich von zuhause aus arbeiten könnte, erzählt Guth. Auch ihre 14-jährige Tochter und ihr elfjähriger Sohn müssten oft warten, bis die Kinder im Bett oder abgeholt worden sind – erst dann habe die Mutter Zeit, ihnen bei den Schulaufgaben zu helfen. „Aber“, sagt Yvonne Guth, Familie und Beruf seien dennoch gut miteinander vereinbar. „Ich bin immer da.“
„So etwas habe ich in all den Jahren in der Kita nicht erlebt“
Bis zum dritten Lebensjahr betreuen die Tagesmütter in Herne ihre Schützlinge normalerweise. Im Anschluss besuchten die allermeisten eine Kita, so Guth. Der Abschied von ihren ersten beiden Betreuungskindern sei der 40-Jährigen sehr schwer gefallen. Als Dankeschön habe die Familie sie zum Essen eingeladen. „So etwas habe ich in all den Jahren in der Kita nicht erlebt.“ Und auch heute telefoniere sie noch regelmäßig mit den Eltern, traf sich vor der Pandemie mit den Zwillingen zum Spielen im Park. „Ich möchte ja wissen, wie es ihnen geht“, sagt sie.
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In einigen Monaten muss sich die junge Mutter erneut verabschieden: Emilia wird die Gruppe verlassen. Die übrigen drei können sich aber auf einen Neuankömmling freuen: Evelins Bruder, jetzt noch im Bauch seiner Mutter, wird ab Sommer Teil der Großfamilie sein, erzählt Yvonne Guth – und damit zieht zur Freude ihres Sohnes auch endlich ein Junge ein. Ob er mit drei Monaten schon Fußball spielen kann?
>> WEITERE INFORMATIONEN
■ Eltern, die sich für einen Betreuungsplatz interessieren, können sich beim Verein Herner Tageseltern e.V. melden. Für die Betreuung ab dem 1. August 2021 gibt es noch freie Plätze für Kinder unter drei Jahren.
■ 83 Tagesmütter und -väter, darunter auch Yvonne Guth, sind bei dem Herner Verein gemeldet, sieben davon arbeiten als Vertretung.
■ Die tätigkeitsvorbereitende Qualifizierung dauert in der Regel zehn Monate, erklärt Esther Mattern, Vorstandsmitglied der Herner Tageseltern. Frühestens nach eine Pause von vier bis sechs Monaten, in der die Tageseltern erste Erfahrungen sammeln, könnten sie die zweite Stufe, die tätigkeitsbegleitende Qualifizierung, absolvieren.