Essen. Weil sich die anderen Eigentümer im Haus gestört fühlen, muss sich eine Tagesmutter in Essen eine andere Bleibe suchen. Gar nicht so einfach.

Tagesmutter Sabine Boelter-Speer sucht eine neue Bleibe. Denn in ihrer Eigentumswohnung an der Alfredstraße in Bredeney kann sie ihren Job wohl bald nicht mehr ausüben. Auf der Eigentümerversammlung sei das beschlossen worden. Die Kinder seien zu laut, das morgendliche Klingeln störe und man wolle keine fremden Leute im Haus haben, seien die Argumente gewesen. Die Tagesmutter sucht jetzt neue Räume – was sich aber ebenfalls schwierig gestalte. Denn auch bei Vermietern stoße sie mit ihrem Job nicht gerade auf Begeisterung.

„Ich bin schon ein bisschen irritiert über die Empfindlichkeit der Gesellschaft. Einerseits werden Kinderbetreuungsplätze gesucht, andererseits ist der Lärm, den Kinder nun mal machen, zu viel“, sagt die 49-Jährige. Nach der Geburt ihrer Tochter Lucia vor acht Jahren wollte die Industriekauffrau nicht wieder Vollzeit bei ihrem Arbeitgeber einsteigen. „Ich habe mich in meinem alten Bereich, in dem ich mich um Versand und Export gekümmert habe, nicht mehr wohlgefühlt, wollte lieber mit Menschen arbeiten“, erinnert sie sich.

"Ich halte die Kinder schon an, leise zu sein, aber es sind ja keine Roboter"

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Sie habe sich für den Job als Tagesmutter qualifiziert, den sie seit sechs Jahren ausübe, und sei dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter angegliedert. Bis zu fünf Kinder dürfe sie in ihrer Wohnung betreuen, meist seien aber nur drei oder vier da. Die Betreuung finde zwischen 7.15 und 15 Uhr statt. „Ich unternehme viel mit den Kindern, gehe oft mit ihnen heraus, male und bastele“, sagt die Tagesmutter, die Kinder zwischen 18 Monaten und drei Jahren betreut und sie auf den Kindergarten vorbereitet.

„Natürlich macht es Lärm, wenn die Kinder hier über den Fliesenboden laufen. Ich halte die Kinder schon an, im Hausflur leise zu sein, aber es sind ja keine Roboter, sondern Kinder, bei denen das nicht immer so klappt. Im Sommer habe ich mich mit ihnen nicht auf den Balkon getraut, weil das zu laut gewesen wäre“, sagt sie. Das Problem sei entstanden, da fast alle im Haus Rentner und dadurch den ganzen Tag anwesend seien.

Jetzt gebe es mehrere Alternativen: Entweder ziehe sie mit Mann und Tochter um und biete dann wieder Tagesbetreuung in ihrer Wohnung an. „Mir ist die gemütliche Atmosphäre wichtig. Die Kinder sollen sich zu Hause fühlen. In einer Privatwohnung lernen sie, dass es Grenzen gibt und man nicht überall herangehen darf, wie es vielleicht im Kindergarten möglich wäre.“ Die Tagesmutter könnte sich aber auch vorstellen, zusätzlich eine Wohnung, ein Haus oder Ladenlokal zu mieten oder zu kaufen oder gemeinsam mit einer Kollegin eine sogenannte Großtagespflege zu eröffnen, bei der sie dann neun Kinder betreuen könnten. „Oder ich steige in eine bestehende Großtagespflege mit ein“, sagt sie. Da sie keine gelernte Erzieherin sei, könne sie nicht im Kindergarten arbeiten.

Tagesmutter sucht im Süden von Essen neue Bleibe

Die 49-Jährige sucht in Bredeney, Stadtwald und Haarzopf nach neuen Räumen. Ihre Tochter gehe in Bredeney zur Schule und die wolle sie nicht aus ihrer sozialen Umgebung reißen. Außerdem wohnten ihre Kunden größtenteils im Umfeld. Die Suche sei nicht einfach, wie auch andere Kollegen ihr bestätigt hätten. „Mit drei Hunden findet man etwas. Sobald man aber sagt, dass man dort als Tagesmutter arbeiten will, winken die Vermieter ab. Eine Wohnungsgesellschaft hat sogar einfach aufgelegt“, berichtet Sabine Boelter-Speer von ihren Erfahrungen.

Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2012 sei eine Tagesbetreuung für Kinder eine gewerbliche Nutzung der Wohnung, erklärt Gerold Happ, Jurist bei Haus & Grund Deutschland. Diese Nutzung bedürfe der Zustimmung des Verwalters, der sich um die Belange der Eigentümer kümmert. Tagesmutter Sabine Boelter-Speer erklärt, dass der Verwalter damals mündlich zugestimmt, seine Zustimmung aber später zurückgezogen habe

Laut Gerold Happ sei eine Wohnung prinzipiell zum Wohnen da. Der Verwalter könne seine Zustimmung zu der gewerblichen Tätigkeit aber nur verweigern, wenn wichtige Gründe vorlägen. Wenn sich niemand von der Tätigkeit gestört fühlen könne, wie es etwa bei einer Arbeit mit Telefon und Computer der Fall sei, dürfe die gewerbliche Tätigkeit ausgeführt werden. Kinderlärm hingegen könne stören, auch wenn er anders zu bewerten sei als Lärm aus anderen Quellen.

Die Bredeneyer Tagesmutter sucht neue Räumlichkeiten ab 50 Quadratmeter, in denen sie Kinder betreuen kann. Dazu müsse bei der Stadt ein Antrag auf Baunutzungsänderung gestellt werden. Wer Kontakt zu Sabine Boelter-Speer aufnehmen will, kann das unter Telefon 0178 1543715 oder per E-Mail unter sabinespeer@googlemail.com tun