Herne. Die Wanne Herner Eisenbahngesellschaft hat das „Corona-Geschäftsjahr“ 2020 gut überstanden. Geschäftsführer Mirko Strauss erläutert die Gründe.
Vor gut 10 Jahren galt die Wanne Herner Eisenbahngesellschaft (WHE) als Sorgenkind. Doch vor wenigen Tagen bezeichnete Stadtwerke-Chef Ulrich Koch, zu deren Unternehmensfamilie die WHE gehört, das Unternehmen als Tafelsilber. Was hinter dieser Einschätzung steckt, erläutert WHE-Geschäftsführer Mirko Strauss im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann.
Herr Strauss, wie ist das Unternehmen durch das schwierige Corona-Jahr gekommen?
Wir hatten uns noch vor Beginn der Pandemie ziemlich „sportliche Ziele“ für das Jahr 2020 gesetzt: Und die haben wir trotz der Pandemie erreicht. Aber vielleicht auch wegen der Pandemie.
Wie ist das zu verstehen?
Der Boom der Online-Bestellungen hat sich vor allem am Container Terminal bemerkbar gemacht. Und als vor und während des ersten Lockdowns die Menschen Klopapier gehortet haben, sind „Unmengen“ davon am Westhafen von der Schiene auf die Straße umgeschlagen worden. Wir haben zwar zeitweise Aufträge im Auto- und Stahlbereich verloren, doch dies hat nichts am guten Ergebnis geändert. Bemerkenswert ist insbesondere auch, dass unsere Mitarbeiter trotz der schwierigen Rahmenbedingungen durch die Corona-Krise immer da waren und wir unsere Leistungen zu jeder Zeit erfüllen konnten.
Kann man dieses Ergebnis in Zahlen fassen?
Genaue Zahlen zum Geschäftsjahr können wir erst in den kommenden Wochen nennen, aber ein Blick auf das Container Terminal Herne zeigt die Entwicklung: Das hat im vergangenen Oktober mit 16.300 Kranungen einen neuen Monatsrekord aufgestellt, der bereits in diesem März mit 17.200 Kranungen geknackt worden ist. Insgesamt standen im vergangenen Jahr rund 165.000 Kranungen zu Buche.
Das heißt, Kurzarbeit stand bei der WHE nie zur Diskussion?
Erfreulicherweise nicht.
Kommt das CTH bei dieser Entwicklung nicht langsam an seine Kapazitätsgrenze?
Noch reichen die Gleise aus, mit optimierten Abläufen und einer Fläche haben wir mehr Kapazität geschaffen, doch schon bald kommt die Auslastungsgrenze tatsächlich in Sicht. Wir müssen uns Gedanken machen, wo noch Flächenpotenziale schlummern, eine Alternative könnten unsere Kohlenlagerplätze sein, wenn das Kohlekraftwerk in Baukau vom Netz gegangen ist.
Wie haben sich die anderen Bereiche entwickelt, zum Beispiel das ETZ?
Das Container Terminal steuert zwar einen größeren Teil zu Umsatz und Ergebnis der WHE bei, doch auch das Eisenbahn-Technikzentrum hat die geplanten Zahlen erreicht und ist gut ausgelastet. Unter anderem kooperiert das ETZ in Teilbereichen mit dem Instandhaltungswerk des schweizerischen Konzerns Stadler auf dem Blumenthal-Gelände.
Als Sie die Aufgabe der Geschäftsführung übernommen haben, haben Sie als ein Ziel ausgegeben, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Was haben Sie in dieser Hinsicht erreicht?
Auch hier sind wir vorangekommen: In Bottrop bedient die WHE ja bereits die Werksbahn der dortigen Kokerei. Inzwischen haben wir dieses Geschäftsfeld ausgebaut und auch den Betrieb einer Werksbahn in Essen aufgenommen und sprechen aktuell mit drei weiteren Chemiestandorten. Auch den Chemiepark in Marl bedienen wir per Bahn.
Also streben Sie weiteres Wachstum an?
Ja, aber neben der Flächenfrage könnte sich der Fachkräftemangel als begrenzender Faktor entpuppen. Bei Lokführern, Stellwerkern und Kraftfahrern herrscht ein eklatanter Fachkräftemangel, es ist schwierig, Abgänge qualifiziert zu ersetzen. In beiden Bereichen hat der Mangel sogar dazu geführt, dass Fachkräften teilweise Wechselprämie angeboten werden. Doch wir wollen den eingeschlagenen Kurs konsequent fortsetzen und auf Dauer stabil und profitabel sein. Dazu gehören auch erhebliche Investitionen. Wir haben damit begonnen, einen erheblichen Investitionsstau aus der Vergangenheit aufzulösen. Weichen- und Gleiserneuerung sind durchgeführt worden, wir treiben die Digitalisierung des Eisenbahnbetriebes, des Container Terminals und der Verwaltung voran. Hinzu kommt die Sanierung der Brücke am Böckenbusch, die ja mit Bundes- und Landesmitteln gefördert wird. Die Sanierung wird im Mai starten. Insgesamt hat die WHE in den vergangenen Jahren dafür mehrere Millionen Euro in die Hand genommen.
>> DIE WHE ALS „GRÜNES UNTERNEHMEN“
■ Mirko Strauss sieht die WHE auch als „grünes Unternehmen“.
■ Zwar entstehe durch den Umschlag von der Schiene auf die Straße Lkw-Verkehr vor Ort, doch in der Gesamtbetrachtung trage die WHE mit dem Container Terminal zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes bei.
■ Diese Einsparung ergebe sich auf den langen Strecken: So ersetze ein Güterzug etwa 52 Lkw-Fahrten, bei etwa 6000 Zügen im Jahr, die von oder nach Herne fahren, sei das eine nennenswerte Größenordnung.