Herne. Trotz einer 7-Tage-Inzidenz um 150 hat Herne nicht die Notbremse gezogen, sondern erlaubt das Einkaufen mit negativem Test. Die ersten Einrücke.
Eigentlich hätten am Montag die meisten Geschäfte in der Herner und der Wanner Innenstadt geschlossen sein müssen. Mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von rund 150 gehört Herne mit Sicherheit zu jenen Städten, die die Notbremse hätten ziehen müssen – wenn die Landesregierung nicht am Freitag beschlossen hätte, dass diese Bremse doch nicht ganz so hart gezogen werden muss. Mit einer Teststrategie können Kunden nach Terminvereinbarung weiter in die Geschäfte. Die WAZ hat am Montag geschaut, wie diese Regelung umgesetzt worden ist.
Shoppen im Jahr 2021, das ist eine seltsame Angelegenheit: Der Kunde sucht sich im Schaufenster einen Schuh aus, teilt den Mitarbeitern die entsprechende Bestellnummer mit – und diese bringen die Schuhe an die Eingangstür. Anprobe erst nach dem Bezahlen. So bietet es Schlatholt zurzeit unter der Bezeichnung „Look & Collect“ an. Jürgen Eckstein hat am Montag Gebrauch davon gemacht. Er ist extra aus Hattingen angereist – das Geschäft im Kirchturm ist für ihn beim Schuhkauf ein Fixpunkt. Auf die Mühe, sich mit einem negativen Corona-Test auszustatten, hat er verzichtet, er bleibt vor dem Geschäft.
Lange Wartezeit vor dem Testzelt auf der Bahnhofstraße
Andere nehmen diese Mühe auf sich. Wobei es am Montag am Zelt auf dem Rondell wahrscheinlich länger dauert, bis man als Prüfling an der Reihe ist als bis zum Ergebnis des Tests. Jedenfalls ist die Schlange für jene ohne einen Termin stattlich. Andrea Pahlstedt wollte sich eigentlich auch testen lassen, doch die Schlange sei ihr zu lang gewesen. Die Alternativen in nahen Apotheken? Auch voll. Also bleibt sie bei der Parfümerie Pieper vor der Tür. Dort hat die Mitarbeiterin einen sehr ruhigen Auftakt der Osterwoche registriert. Click & Meet habe funktioniert, die Pflicht, einen negativen Test vorzuweisen, könnte das Geschäft wieder bremsen.
„Die letzte Woche war eine Katastrophe“, ärgert sich Nehle Reiter-Gies, Inhaberin von Reiter Fashion in Herne, über die sich ständig ändernden Regeln und Verordnungen. Und auch ihre Kundinnen wüssten bei all dem Hin und Her überhaupt nicht mehr, ob sie in das Geschäft an der Bahnhofstraße kommen dürften oder nicht.
Vielen Menschen ist die Testpflicht noch gar nicht bewusst
Am Montagmorgen hat Reiter-Gies erst eine Kundin bedient – nicht im Geschäft, sondern an der Ladentür. Dass es in den kommenden Tagen deutlich mehr werden, glaubt die Inhaberin nicht. So würden die allermeisten für ein T-Shirt oder eine neue Jacke keinen Corona-Test machen. Und auch Nehle Reiter-Gies könne unter den aktuellen Umständen kaum noch arbeiten: „Ich kann keine neue Ware bestellen, weil ich nicht weiß, ob wir überhaupt noch geöffnet haben, wenn die Ware ankommt.“
Viele Menschen, die am Montag in den Innenstädten unterwegs sind, sind sich der Testpflicht gar nicht bewusst. So berichten die Mitarbeiter des Tchibo-Geschäfts am Robert-Brauner-Platz, dass schon einige Menschen ohne Nachweise vor der Tür gestanden haben. So wird einfach an der Tür verkauft. Doch es könne sein, dass der Umsatz jetzt wieder sinke, weil viele Kunden durch die Testpflicht abgeschreckt sein könnten.
Die Kurzfristigkeit der Entscheidung der Landesregierung führt unter anderem dazu, dass Kunden, die eigentlich eine festen Termin vereinbart hatten, nun noch einen Test benötigen. „Oje, oje“, sagt eine ältere Dame, als sie beim Elektrohändler Drüke & Loskill von der Pflicht erfährt. Bei C&A steht eine Kundin vor der Tür und fragt eine Mitarbeiterin, ob sie nach einem weißen Schal schauen könne, um selber zu schauen, bräuchte sie ja einen Test. Wenig später steht auch sie in der Schlange vor dem Testzelt.
Einen Test? Den habe sie nicht, so eine ältere Dame, die bei „Steffi Moden“ eingekauft hat. Und man nimmt ihr diese Unwissenheit ab. Die Inhaberin ist sich keines Fehlverhaltens bewusst. Sie habe noch keine offizielle Mitteilung der Stadt erhalten.
>>> Einzelhändler werden jetzt informiert
Die Corona-Notbremse, die dort gilt, wo die 7-Tage-Inzidenz an drei Tagen in Folge über dem Wert von 100 liegt, ist in Herne ausgesetzt worden.
Voraussetzung für diese Vorgehensweise sei das ausreichende und flächendeckende Angebot zur Vornahme kostenloser Bürgertestungen, teilt der Krisenstab mit. Diese Voraussetzungen lägen in Herne vor. Es seien 39 über das Stadtgebiet verteilte Teststellen vorhanden, die durch Hilfsorganisationen und Anbieter medizinischer Dienstleistungen betrieben würden. Eine entsprechende Liste ist auf der Homepage der Stadt Herne zu finden.
Die Einzelhändler würden nun schnellmöglichst über die Details informiert, sagt Stadtsprecher Michael Paternoga. „Durch die kurzfristige Entscheidung am Freitagabend war das leider nicht früher möglich.“ Alle Infos seien ebenfalls auf der Stadt-Homepage zu finden.