Herne. Krumme Preise gehen in Herne um. Grund: Die Senkung der Mehrwertsteuer. Manche Händler freut’s, andere ärgern sich über den hohen Aufwand.

Wer ab Mittwoch in Herne einkaufen geht, braucht vor allem eines: Ein Portemonnaie voller Centmünzen. Denn die befristete Senkung der Mehrwertsteuer ab dem 1. Juli führt zu ziemlich krummen Preisen. Was die Wirtschaft ankurbeln soll, führt bei einigen Einzelhändlern aber zunächst vor allem zu viel Mehrarbeit und Kopfschütteln.

Monika Eibinger und ihre Kollegen werden bei Edeka Driller in Herne-Mitte am Dienstagabend eine Extra-Schicht nach Feierabend einlegen. „Wir haben 13.000 Artikel und müssen jedes einzelne Schild austauschen“, sagt die Marktleiterin. Bereits in den vergangenen Tagen seien die Vorbereitungen gestartet, die bisherigen Etiketten wurden eingelesen und neue ausgedruckt.

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Bei eh schon günstigen Preisen, liege der Unterschied bei wenigen Cents. „Ich glaube nicht, dass es den Umsatz erhöht“, sagt Monika Eibinger deswegen. Die Arbeit hat der Supermarkt dennoch. Besser haben es die Mitarbeiter bei Rewe Mokanski an der Dorstener Straße. Dort werden die Preise digital ausgewiesen. Marktleiter Bahattin Tingir freut das: „Wir müssen für die Preisänderung der 5000 Artikel nur auf einen Knopf drücken.“ Den Rest erledige der Computer.

Herner Einzelhandel beklagt Mehraufwand

Bei Elisabeth Röttsches führt das Thema eher zu Kopfschütteln als Jubelrufen. „Zunächst ist es für ein halbes Jahr ein großer Aufwand“, sagt die Vorsitzende des Einzelhandelsverbandes in Herne. Viele Einzelhändler in Herne hätten spontan gesagt: „Oh Gott, was für eine Aktion.“ Kassenprogramme müssten umgestellt, Preise geändert werden. Am Ende mache es ein paar Cent Unterschied, die nicht so spürbar seien.

Bei ihr im Literaturhaus werde sich an den Buchpreisen nichts ändern. „Das ist die einzige Branche mit einer Preisbindung“, sagt sie. Nur die Verlage könnten den Preis senken, davon habe sie aber nichts gehört. Um auch ihren Kunden etwas mitzugeben, plant Elisabeth Röttsches, im Juli die Preise auf Artikel mit 19 Prozent Mehrwertsteuer um zehn Prozent zu senken.

Expert erhofft sich mehr Kundennachfrage

Einen größeren Effekt erwartet hingegen Thomas Bendik, Geschäftsführer bei Expert Drüke und Loskill. Bei hochpreisiger Elektronik wirkten sich drei Prozent schon aus. Krumm wird es auch hier. So kostet der Fernseher statt 1599 Euro demnächst 1558,70 Euro oder ein anderes Modell 876,34 Euro. Die Aktion werde im Schaufenster groß beworben. „Ich glaube schon, dass das eine Auswirkung haben wird“, so Thomas Bendik.

Die neuen Etiketten sind bereit. Sie müssen Dienstagabend aber noch zu den entsprechenden Produkten verteilt werden.
Die neuen Etiketten sind bereit. Sie müssen Dienstagabend aber noch zu den entsprechenden Produkten verteilt werden. © Kathrin Meinke

Bereits im Vorfeld seien Bestellungen von Kunden eingegangen, die die Ware erst im Juli geliefert bekommen möchten – mit dem günstigeren Steuersatz. Viel Arbeit sei die Umstellung für ihn nicht. „Für uns ist das nur ein Knopfdruck, den Rest macht Expert.“ Und mit der Umetikettierung ließe er sich Zeit. Im Zweifel werde der günstigere Preis dann an der Kasse berechnet.

Einige Geschäfte an der Herner Bahnhofstraße, die einer Kette angehören, warten am Montag noch auf Informationen von der Zentrale, wie genau sie vorgehen werden. So erwarteten die Mitarbeiterinnen bei Esprit etwa, dass sie nicht jedes Etikett überkleben werden, sondern die Differenz einfach an der Kasse abziehen.

Eisdiele senkt die Preise nicht

„Wie wir das im Einzelnen bewerben und umsetzen, weiß ich noch nicht“, sagt auch Martina Gregorzik, Filialleiterin bei Bonita. Sie freut sich über die Senkung und ist optimistisch, dass es bei den Kunden gut aufgenommen wird. „Das wird auf jeden Fall ein kleines Zugpferd sein.“ Und das können die meisten Geschäfte in Herne nach dem Corona-Lockdown gut gebrauchen.

„Wir haben seit vier Monaten schlimme Verluste“, sagt Niko, Geschäftsführer bei der Eisdiele Gelateria Dolce Vita an der Bahnhofstraße. Er möchte die Eis-Preise nicht ändern. „Die Mehrwertsteuer wird für uns gesenkt, um die Verluste auszugleichen,“ davon ist er überzeugt. Es sei nur ein kleiner Mehrgewinn im Vergleich zu dem, was er bis heute an Einbußen verzeichne.

Senkung der Mehrwertsteuer

Als Teil eines Corona-Konjunkturpaketes wird die Mehrwertsteuer vom 1. Juli bis zunächst zum 31. Dezember von 19 auf 16 und von sieben auf fünf Prozent gesenkt.

Einige Einzelhändler nutzen die Senkung für eigene Werbeaktionen. So hat beispielsweise der Lebensmitteldiscounter Lidl die Preise bereits seit Montag, 22. Juni, gesenkt. Konkurrent Aldi hat bereits angekündigt, die Preise nicht um zwei, sondern um drei Prozent auf vier Prozent zu senken. Die Drogeriemarktkette Rossmann zog wenig später mit der Ankündigung der gleichen Reduzierung nach.