Herne. Kommando zurück: Timon Radicke will nun überraschend doch Vorsitzender der Herner CDU bleiben. Das löst unterschiedliche Reaktionen aus.

Der Begriff des „doppelten Rückwärtssaltos“ macht in der Herner CDU die Runde. Der Anlass: Der Partei- und Ratsfraktionsvorsitzende Timon Radicke hat in dieser Woche in einem Brief an alle Mitglieder überraschend den Rücktritt vom Rücktritt vollzogen. Das heißt, dass der 35-Jährige bei der nächsten Vorstandswahl im Herbst nun doch wieder für den Parteivorsitz kandidieren wird.

Auch interessant

Entschieden und unumstößlich klang die Begründung, mit der Radicke noch vor zwei Monaten seinen Rückzug vom Vorsitzenden-Amt zur nächsten regulären CDU-Vorstandswahl in diesem Jahr angekündigt hatte. „Meine feste Überzeugung war und ist immer noch, dass Parteiführung und Fraktionsvorsitz nicht in Personalunion ausgeübt werden sollten.“ Die Partei brauche „immer Beinfreiheit“, um über die fraktionelle Arbeit hinaus Impulse zu setzen und sich erkennbar abzusetzen vom politischen Mitbewerber, so Radicke, der nach der Kommunalwahl 2020 auch zum Chef der Ratsfraktion gewählt worden ist.

Deutliche Kritik nach dem Brief im Januar

In einem in dieser Woche verschickten Mitgliederbrief und im Gespräch mit der WAZ nimmt er deutlich Abstand von dieser „festen Überzeugung“. Radicke führt dies auf „viele vertrauensvolle Gespräche“ innerhalb der CDU zurück, aus denen „immer wieder die Bitte hervorgegangen ist“, seinen Rückzug vom Parteivorsitz zu überdenken. Dabei sei ihm deutlich geworden, dass es angesichts großer Herausforderungen besser wäre, weiterhin Verantwortung zu übernehmen, sprich: Vorsitzender zu bleiben.

Der 2019 gewählte Kreisvorstand der Herner CDU: (v.re.) Timon Radicke, Sven Rickert, Peter Neumann-van Doesburg, Andrea Oehler, Christoph Bußmann und Markus Schlüter.
Der 2019 gewählte Kreisvorstand der Herner CDU: (v.re.) Timon Radicke, Sven Rickert, Peter Neumann-van Doesburg, Andrea Oehler, Christoph Bußmann und Markus Schlüter. © loc

Sven Rickert, als Schriftführer Mitglied des geschäftsführenden CDU-Kreisvorstands, begrüßt diesen Schritt seines Vorsitzenden, den er als „doppelten Rückwärtssalto“ bezeichnet. „Ich bin froh darüber, dass Timon Radicke erneut als Vorsitzender kandidieren will“, sagt er auf Anfrage. Kontinuität werde der Kreispartei in diesen Zeiten gut tun. Rickert sagt aber auch, dass es nach dem ersten Brief deutliche Kritik an Radicke gegeben habe - vor allem an der Art und Weise des (zunächst schriftlich übermittelten) Rückzugs. Doch auch der Inhalt stieß auf Widerspruch - insbesondere bei Radickes Vorgänger Markus Schlüter.

Auch interessant

Vorsitz als Karrierefaktor? Radicke weist dies zurück

CDU-Vorstandsmitglied (und möglicher Bundestagskandidat) Christoph Bußmann will den Rückzieher Radickes nicht bewerten. Er akzeptiere aber diese Entscheidung, über die nun die Mitglieder bei der Vorstandswahl zu befinden hätten.

Innerhalb der CDU werden aber auch andere Stimmen laut, die hinter der Volte persönliche Motive vermuten. Die Theorie: Radicke - er hat sich als Lehrer in Herne für ein halbes Jahr beurlauben lassen, um für die Bundespartei in Berlin den Bundestagswahlkampf zu unterstützen - habe erkannt, dass es für eine Parteikarriere von Vorteil wäre, doch den Parteivorsitz zu behalten.

Auch interessant

Timon Radicke weist dies gegenüber der WAZ entschieden zurück: „Ich weiß nicht, wovon da die Rede ist.“ Es stehe nichts an, bei dem er einen Vorteil aus dem Amt des Kreisvorsitzenden ziehen könnte. Er führe solche Theorien vor allem darauf zurück, dass es bei und nach der Kommunalwahl viele Enttäuschungen gegeben habe.

CDU wählt den neuen Vorstand nach der Bundestagswahl

Der seit 2016 amtierende Parteichef räumt aber ein, dass er mit seinem Brief im Januar einen Fehler gemacht habe. Er habe aber seine Lehren daraus gezogen. „Ich lerne wie alle Menschen täglich dazu. Jemand, der für sich etwas anderes behauptet, lügt.“

Stichwort Kreisvorstand: Die ursprünglich fürs Frühjahr geplante Neuwahl soll verschoben werden und nun im Herbst nach der Bundestagswahl stattfinden. Timon Radicke kündigt an, dass er der Basis ein Vorstandsteam vorschlagen werde, das möglichst viele Perspektiven aus der Partei einbringe und unter anderem auch eine Parität aus Frauen und Männern ermögliche.

Weitere Berichte aus Herne und Wanne-Eickel finden Sie hier.