Herne. Viele Herner Schüler haben wegen der Corona-Pandemie große Schwierigkeiten, Praktikumsplätze zu finden, weil immer weniger Betriebe sie anbieten.

Das System Schule kommt in den Zeiten der Pandemie an vielen Stellen an die Grenzen seiner Belastbarkeit. Mit der mittelfristigen Sicht auf die spätere Berufswahl stehen nun viele Schüler vor einem besonderen Problem: Es wird immer schwieriger, einen Praktikumsplatz zu finden.

Wie dramatisch sich die Situation entwickelt, kann Lothar Heistermann, Leiter der Hans-Tilkowski-Schule, schildern. Vor den Herbstferien hätten noch fast alle Schüler der Jahrgangsstufe 10 einen Praktikumsplatz gefunden. Doch das habe sich gründlich geändert, erzählt Heistermann im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Nun hätten die Zehntklässler ihre Langzeitpraktika antreten sollen: bis zu den Osterferien einen Tag pro Woche in einem Betrieb. „Doch von den 50 Schülern sind rund 80 Prozent unversorgt“, so Heistermann. Hoffnung auf eine Verbesserung hat er kaum noch.

Manche Betriebe verlangen einen negativen Corona-Test

Probleme sieht auch Sylke Reimann-Perez, Leiterin der Mont-Cenis-Geamtschule. Auch dort sind viele Schüler unversorgt, manche hätten nach einer Zusage wieder eine Absage bekommen. Es sei aber nicht machbar, wenn ein Teil der Jugendlichen im Praktikum sei, der andere aber in der Schule lerne.

Auch die Agentur für Arbeit hat die Rückmeldung aus den Unternehmen, dass derzeit nur sehr wenige Berufsfelderkundungen stattfinden. Die Unternehmen böten zum Teil gar keine Plätze an oder hätten die Erkundung (erst einmal) weit in das kommende Jahr hinein geplant. Es gebe mitunter den Wunsch, dass die Schüler bei Praktikum-Beginn einen negativen Corona-Test vorweisen. Wer die Kosten dafür zu tragen habe, sei noch in keiner Weise deutlich oder gar entschieden.

Auch die wirtschaftliche Situation in einigen Betrieben dürfte eine Rolle spielen. Auf der anderen Seite ist es nach WAZ-Informationen so, dass manche Eltern ihre Kinder ungerne in eine unbekannte Umgebung schicken.

Stichprobe der WAZ bei Unternehmen ergab ein gemischtes Bild

Eine stichprobenartige Umfrage der Herner WAZ bei verschiedenen Unternehmen ergab ein unterschiedliches Bild:

Die Stadtwerke haben bereits mit dem ersten Lockdown im Frühjahr das Angebot für Schüler- und studentische Betriebspraktika auf Eis gelegt. „Wir finden das sehr bedauerlich, da uns die Qualifizierung junger Menschen sehr wichtig ist und sich daraus schon viele interessante und zum Teil auch dauerhafte Kontakte ergeben haben. Aber als Betreiber kritischer Infrastruktur beschränken wir derzeit alle externen Kontakte auf ein Minimum“, teilt Sprecherin Angelika Kurzawa mit.

In den Einrichtungen der St. Elisabeth Gruppe werden aufgrund der hohen Infektionszahlen in der Region derzeit keine neuen Praktikumsplätze für Schüler mehr angeboten. Auch Pflegepraktika im Rahmen des Medizinstudiums werden nicht mehr angeboten. Ausgenommen von dieser Regelung sind FOS-Praktikanten, die ein verpflichtendes Praktikum zum Erlangen der Fachhochschulreife absolvieren, sowie Praktikanten im Anerkennungspraktikum und im Rahmen einer Umschulung, teilt die Gruppe mit.

Reifen Stiebling bietet weiter Praktika an, um womöglich spätere Auszubildende zu entdecken

Ebenso könnten angehende Pflegekräfte, die sich bereits am Campus der St. Elisabeth Gruppe um einen Ausbildungsplatz beworben haben, weiterhin ein Praktikum im Pflegebereich absolvieren, um vor ihrer Ausbildung den Arbeitsalltag auf einer Station kennenlernen zu können. Darüber hinaus könnten weiterhin Praktika gemacht werden, die im Rahmen der Ausbildung zum Rettungssanitäter notwendig sind. Die derzeit in der St. Elisabeth Gruppe tätigen FSJler könnten entscheiden, ob sie ihr Freiwilliges Soziales Jahr fortsetzen wollen.

Auch die Herner WAZ bietet zurzeit keine Praktika oder Berufsfelderkundungen an. Die Mitarbeiter arbeiten zum allergrößten Teil von Zuhause - was auch bei anderen Unternehmen mit ein Grund ist, warum keine Praktika mehr angeboten werden -, außerdem ist die Zahl der Termine in den vergangenen Wochen so stark gesunken, dass Praktikanten kaum sinnvoll eingesetzt werden können

„In unseren Pflegeeinrichtungen werden auch zur Zeit Praktikanten im Rahmen Berufsfelderkundung eingesetzt“, teil DRK-Chef Martin Krause mit. Diese hielten sich an die gleichen Regularien wie die fest angestellten Mitarbeitenden: Gesundheitsscreening bei Dienstantritt, Fiebermessung, Tragen von Schutzausstattung, Hygieneeinweisung.

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Bei Reifen Stiebling versucht man nach wie vor, in allen Bereichen und Standorten Praktika anzubieten. Das gebe den jungen Menschen die Möglichkeit, den Betrieb kennenzulernen, das Unternehmen habe auf diese Weise schon junge Leute entdeckt, die später eine Ausbildung im Unternehmen absolviert hätten, so Geschäftsführer Alexander Stiebling.

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