Herne. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat am Dienstag mit Auszubildenden der Elisabeth-Gruppe diskutiert. Das waren die Themen.
Dass sie am ersten Tag ihrer Ausbildung von einem Bundesminister begrüßt worden sind - das können wohl nur sehr wenige Auszubildende von sich behaupten. Die neue Azubis der St. Elisabeth-Gruppe können es. Am Dienstagmorgen schaute Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Ausbildungscampus in Börnig vorbei.
Die vergangenen Tage dürften zu den unangenehmen in Spahns bisheriger Amtszeit gehören. Am Wochenende war er in Bergisch-Gladbach von Gegnern der Corona-Politik der Bundesregierung nach eine Termin beschimpft worden . „Da ist natürlich eine Diskussion am Ende nicht möglich“ hatte Spahn am Montagabend den Vorfall im ZDF-Heute Journal kommentiert. Bei seinem Besuch am Ausbildungscampus - den der Herner CDU-Oberbürgermeisterkandidat Timon Radicke ermöglicht hatte - konnte Spahn diskutieren. Er beantwortete er zahlreiche Fragen von sechs Auszubildenden.
Spahn: Die Pflege sitzt bei Gehaltsverhandlungen am längeren Hebel
Selbstverständlich war Corona auch während der Diskussion ein Thema - zum Beispiel bei der Bezahlung. Zur Erinnerung: Im Frühjahr hatten Pflegekräfte Applaus für ihren Einsatz Applaus bekommen, doch was sei mit einer verbesserten Bezahlung? Spahns Antwort: „Eins kann ich Ihnen nicht abnehmen. Das sind die Gehaltsverhandlungen.“ Sei es individuell oder über Tarifverträge. Letzteres könne dadurch erreicht werden, dass sich die Beschäftigten in der Pflege organisieren. Im Scherz fügte er an: Dass er mal zu gewerkschaftlicher Organisation aufrufen würde, hätte er vor 20 Jahren auch nicht gedacht.
Mehr als 1000 Auszubildende
Die Elisabeth-Gruppe hat angesichts des Fachkräftemangels in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der Auszubildenden erheblich ausgebaut - auf mehr als 1000 zum Ende des Jahres 2019.
Da beim Besuch des Gesundheitsminister auf den Sicherheitsabstand geachtet werden musste, wurde die Diskussion per Stream übertragen.
Doch ganz im Ernst machte Spahn den Auszubildenden eins deutlich: Wer in der Pflege arbeite, könne selbstbewusst in Gehaltsgespräche gehen. „Denn Sie sitzen am längeren Hebel.“ Was er damit meinte: Die Nachfrage nach Fachkräften in der Pflege sei groß, der Markt quasi leergefegt. Deshalb würde auch der schlaue Arbeitgeber Weiterbildungen finanzieren - um seine Kräfte zu binden. Spahn brachte darüber hinaus die Schaffung einer sogenannten Pflegekammer ins Gespräch, die die Interessen ihrer Mitglieder nach außen vertritt - wie es zum Beispiel die Ärztekammern tun. In der Vergangenheit habe es in der Pflege den Impuls, sich zusammenzutun, sehr selten gegeben.
Corona-Zwangspause beschäftigt die Auszubildenden
Was die Auszubildenden ebenfalls bewegt: Muss die Ausbildungszeit, die durch die Corona-Zwangspause verloren gegangen ist, hinten dran gehängt werden? Spahn will in der Hinsicht als Gesundheitsminister keine Vorgaben machen, diese Entscheidung müsse vor Ort getroffen werden, weil man dort die genaue Situation kenne.
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Zum Schluss wurde Spahn um drei Argumente für eine Ausbildung in der Pflege gebeten. Antwort: eine gute Perspektive, sie sei ein Beruf mit Zukunft, weil man dort immer einer Job bekomme; gute Weiterbildungs-Chancen und - „das verspreche ich Ihnen“ - gute Bezahlungsmöglichkeiten. Und die Pflege sei fachlich und menschlich ein schöner Beruf. Aber es reiche nicht, wenn er als Minister den Beruf bewerbe, das müssten die Beschäftigten in der Pflege auch tun. „Wenn die Pflege nicht selbst besser über ihren eigenen Beruf redet, sondern alle nur von Notstand reden und wie furchtbar alles ist: Wie wollen wir überhaupt noch jemanden davon überzeugen, in die Pflege zu gehen?“