Herne. Ein Herner Lehrer schildert die Corona-Situation in seiner Schule und die persönlichen Herausforderungen. Das Schulministeriums bleibt beim Kurs.

  • Immer mehr Lehrer protestieren gegen das Corona-Vorgehen des NRW-Schulministerium.
  • Ein Lehrer hat seine persönliche Corona-Situation an einer Herner Schule geschildert.
  • Ein großes Problem: Die wiederholte Corona-Quarantäne erschwert auch in Herne Schulen den Unterricht und die Klausuren.

Immer mehr beamtete Lehrer üben sich wegen der Corona-Gefahren offenbar in Ungehorsam gegenüber dem NRW-Schulministerium. Der Remonstrationsbrief, der in Herne bekannt wurde, hat offenbar inzwischen Verbreitung deutlich über Herne hinaus gefunden. Nun hat ein Herner Lehrer seine persönliche Situation an einer Schule geschildert.

Die WAZ Herne veröffentlicht diese Schilderung - der Lehrer möchte seinen Namen nicht in der Zeitung lesen - ungekürzt mit lediglich leichten redaktionellen Änderungen.

So beschreibt er die Corona-Situation an seiner Herner Schule:

„Seit Mittwoch, 4. November, agieren wir als Schule im Auftrag des Gesundheitsamtes unserer Stadt und schicken Kontaktpersonen von infizierten Schülern per Verordnungsschreiben in eine zweiwöchige Quarantäne. Ich hatte seitdem als Stufenleiter das zweifelhafte Vergnügen, über die Quarantäne von über 50 Menschen (zwei Drittel der Stufenmitglieder) zu entscheiden und diese auch anzuordnen.

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Vorgabe ist, dass weniger als 1,5 Meter Abstand im Unterricht bestanden. Damit gilt man als Kontaktperson der Kategorie 1. Alle anderen Schüler im Raum werden als Kontakt der Kategorie 2 klassifiziert und bekommen nur ein Infoschreiben.

Schule und Corona: Kinder auch in Herne mehrfach in Quarantäne

Auf der einen Seite steht das Ministerium und will Präsenzunterricht und volle Klausurenanzahl. Auf der anderen Seite stehen wir Lehrkräfte und versuchen, unseren Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden und uns irgendwie durch den Tag zu retten. Einige Schülerinnen und Schüler waren schon mehrfach für zwei Wochen in Quarantäne und haben entsprechend viele Klausuren und Unterricht versäumt.

Manche Kurse habe ich seit Wochen nicht komplett im Unterricht gehabt, weil immer mehrere Schülerinnen und Schüler in Quarantäne waren. Wenn Schüler wegen Quarantäne abwesend sind, müssen diese zusätzlich zum normal stattfindenden Präsenzunterricht mit Materialien versorgt werden.

Corona erschwert einheitliche Prüfungen an Herner Schule

Es ist inzwischen organisatorisch fast unmöglich, alle Schülerinnen und Schüler die gewünschten Klausuren schreiben zu lassen. Außerdem müssen fast alle Klausuren – wie bei der Auswahlmöglichkeit im Vorabitur - mindestens doppelt gestellt werden, weil immer mehrere Prüflinge wegen Quarantäne oder Krankheit fehlen.

Kurz gesagt macht mir weniger meine direkte Gesundheit wegen einer möglichen Corona-Infektion Sorgen (ich trage durchgängig selbst finanzierte FFP2-Masken und achte äußerst penibel auf die A-H-A+L-Regel), vielmehr befürchte ich, dass die Arbeitsbelastung durch organisatorische Mehrarbeit und die Übernahme der Aufgaben des Gesundheitsamtes mich gesundheitlich in die Knie zwingen werden.

Corona und Schule: Kontaktverfolgung erfordert viel Zeit

Allein in den letzten vier Tagen habe ich rund 20 Stunden allein mit der Kontaktverfolgung und Quarantäneanordnung verbracht. Einerseits bin ich froh, dabei helfen zu können, die Infektionsketten zu verfolgen und zu unterbrechen.

Andererseits bin ich kein Arzt oder wenigstens dafür geschult, so weitreichende Entscheidungen zu treffen. Und schlussendlich fehlt mir einfach die Zeit und Kraft, um dies zusätzlich zu leisten – zumal ein kurzfristiges Ende dieses Zustandes nicht absehbar ist.“

Schulministerium hatte seinen Corona-Kurs verteidigt

Die Verfasser des Remonstrationsschreibens hatten bereits mit einer „unzulässigen Gesundheitsgefährdung“ durch die Vorgaben der Landesregierung „mit Risiken bis hin zum Tod“ argumentiert.

Die Remonstration

Eine Remonstration ist der Widerspruch eines Beamten gegen die Weisung eines Vorgesetzten.

Rechtlich wollen sich Beamte so gegen die Folgen von Entscheidungen absichern, die sie für falsch halten.

Das Schulministerium hatte in einer ersten Reaktion auf das Remonstrationsschreiben den bisherigen Kurs verteidigt und auf Anfrage der WAZ Herne unter anderem Folgendes mitgeteilt: Vor dem Hintergrund der Empfehlungen des RKI seien sich für den Bereich Schule alle Regierungen von Bund und Ländern einig: Das Recht aller jungen Menschen auf schulische Bildung und Erziehung habe bei allen Entscheidungen über Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens in der Corona-Pandemie oberste Priorität. Offene Schulen, also Präsenzunterricht, hätten für die schulische, die soziale und die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen höchste Bedeutung.

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Die Vorgaben für den Infektionsschutz würden greifen. Das Schulministerium habe zusammen mit dem Gesundheitsministerium, den Kommunen sowie der Unfallkasse NRW ein Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmenpaket erarbeitet, das dazu beitrage, das Infektionsgeschehen an den Schulen weiterhin gering zu halten. Die Zahlen aus den Abfragen bei den Schulen belegten, dass das Infektionsgeschehen dort im Verhältnis zu anderen Bereichen relativ gering sei.

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