Herne. 26 Herner Ratsmitglieder hören auf. Dazu zählen der letzte Ratsherr der Stadt Wanne-Eickel und der Mann, dessen „Arschbombe“ Schlagzeilen machte.
26 von 60 Herner Stadtverordneten nehmen am Dienstag, 27. Oktober, in der letzten Sitzung dieser Ratsperiode im Kulturzentrum Abschied vom kommunalen Parlament.
Der letzte Mohikaner
Peter Worbs hat mehr als fünf Jahrzehnte Kommunalpolitik gemacht und insgesamt mehr als 40 Jahre für die SPD im Rat gesessen. Und vor allem: Er ist der letzte noch aktive Ratsherr der bis zur Ehe mit Herne im Jahr 1975 eigenständigen Stadt Wanne-Eickel.
1969 sei er mit 25 Jahren in den Wanner Rat gewählt worden - „als jüngster SPD-Stadtverordneter in NRW“, erinnert sich Worbs. In das Klagelied zahlreicher Wanne-Eickeler über die vermeintliche Bevorzugung Alt-Hernes will der 76-Jährige zwar nicht einstimmen, aber: „Die damals angestrebte Zweipoligkeit war nur eine Illusion“, sagt er. Herne-Mitte sei durch das Rathaus und andere Einrichtungen das alleinige Zentrum der Stadt.
Eine massive Vernachlässigung Wanne-Eickels durch Verwaltung und Politik könne er aber nicht erkennen. Insbesondere in den vergangenen Jahren sei viel investiert worden. „Wanne-Eickel ist lebens- und liebenswert“, sagt der Genosse, der beruflich fast 40 Jahre die Geschäfte des Herner SPD-Unterbezirks führte.
Den Schritt in die Kommunalpolitik habe er nie bereut. Die Kultur war in den vergangenen Jahren der Schwerpunkt seiner Arbeit. Die tiefsten Spuren habe er jedoch als Jugendpolitiker im Kampf für die Rechte von Kindern hinterlassen, glaubt Worbs. Die Einführung eines „Kinderanwalts“ verbucht er beispielsweise in Herne ebenso auf der Habenseite wie die Abschaffung der Schilder „Betreten der Grünflächen verboten. Der Oberstadtdirektor“.
Adieu sagt er nun mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Worbs wollte eigentlich noch weitere fünf Jahre im Rat dranhängen, doch seine Partei machte ihm bei der Nominierung einen Strich durch die Rechnung: In einer Kampfabstimmung unterlag er recht deutlich seinem 35 Jahre jüngeren Herausforderer Frank Salzmann. Den inoffiziellen Titel „letzter noch aktiver Ratsherr Wanne-Eickels“ wird ihm allerdings niemand mehr nehmen können.
Der Wellenschläger
Auf mehr als zweieinhalb Jahrzehnte im Herner Rat und auf ein spektakuläres Alleinstellungsmerkmal kann auch Bürgermeister Erich Leichner (69) zurückblicken: Der SPD-Stadtverordnete eröffnete am 26. November 2016 mit einer Arschbombe das neue Wananas und löste damit ein beim Richtfest des Freizeitbades gemachtes Versprechen ein.
Hohe Wellen schlug aber auch seine Überraschungskandidatur fürs Bürgermeistermeister-Amt, bei der er 2014 SPD-intern Amtsinhaberin Birgit Klemczak knapp besiegte. Seine persönliche Bilanz wäre aber auch ohne diesen Coup positiv ausgefallen, sagt der Sozialpolitiker und frühere Mitarbeiter des evangelischen Instituts für Kirche und Gesellschaft. Er habe weder die Partei noch die Stadt gebraucht, um wirtschaftlich unabhängig zu sein: „Deshalb habe ich mich niemals verbiegen müssen.“ (Ein ausführliches Interview mit Erich Leichner folgt in Kürze)
Die Aussteiger
Lutz Hammer (SPD) und Benjamin Majert (CDU) verlassen den Rat in einem Alter, in dem andere Stadtverordnete gerade mal anfangen. Die Motive der beiden 38-Jährigen sind (fast) identisch. Die Familienväter - beide habe zwei Kinder, Majert ist zudem Pate von Hammers Ältestem - können Beruf und Privates nicht mehr mit den Anforderungen ans politische Ehrenamt in Einklang bringen.
Auf „eine spannende Zeit“ blickt Majert nun zurück, der 2009 in den Rat eingezogen ist und mehrere Jahre planungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion war. Er habe das schönste Hobby, „das man sich vorstellen kann“, sagt der Jurist. Mit seiner Tätigkeit bei einem Essener Energieunternehmen sei die Mitgliedschaft im Rat aber nicht mehr vereinbar. Wie Lutz Hammer - er ist Marketing-Chef bei der Herner Firma Reckli - ist auch Majert häufig dienstlich unterwegs. Dazu passt: Ob er heute an der allerletzten Ratssitzung teilnehmen kann, ist wegen einer beruflichen Berlin-Reise noch offen.
Andere Partei, gleiches Problem: Corinna Schönwetter (Die Linke) verlässt - nach nur sechs Jahren - den Rat. „Schweren Herzens“, wie die 52-Jährige sagt. Sie müsse aber nach mehreren befristeten Jobs nun endlich beruflich Fuß fassen, sagt die frühere „Schlecker“-Frau, die aktuell als kaufmännische Angestellte in einem Büro arbeitet. Auch wenn es klare rechtliche Regelungen für Freistellungen gebe, stoße man mit einem politischen Engagement bei Arbeitgebern nicht gerade auf Begeisterung.
Die Rolle in der Opposition gegen eine zahlenmäßig übermächtige rot-schwarze Koalition habe ihr dagegen keine Bauchschmerzen bereitet. „Im Gegenteil, das war für mich eher eine Herausforderung“, sagt Schönwetter. Sie schließe auch nicht aus, irgendwann mal in den Rat zurückzukehren.
Auch sie machen Schluss
Diese 21 Stadtverordneten müssen - mal freiwillig, mal unfreiwillig - ebenfalls Abschied vom Rat nehmen: Henry Banski, Walter Hanstein, Muzaffer Oruc, Wolfgang Pfeiffer, Thomas Spengler, Marion Tittel und Gerhard Wippich (alle SPD), Heinrich Kranemann, Michael Musbach, Peter Neumann-van Doesburg, Christoph Nott, Horst Severin, Gabriele Sopart und Lüder Thiele (alle CDU), Susanne Marek und Raoul Roßbach (Grüne), Andreas Prenning und Bernd Schroeder (Piraten), Rolf Hosse und Armin Wolf (AfD) sowie Ingo Heidinger (Alternative Liste).
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