In der kommenden Woche wird das Herner Projekt „Bibi Buntstrumpf“ 20 Jahre alt. Seit neun Jahren setzt sich Nuray Sülü (43) als Kinderanwältin für die Belange von Kindern und Jugendlichen ein. Mit der gelernten Pädagogin sprach WAZ-Mitarbeiter Klas Libuda.

Frau Sülü, wer oder was ist Bibi Buntstrumpf?

Bibi Buntstrumpf ist eine Person, die nur für Kinder und Jugendliche da ist.

Das heißt. . .

. . .dass nur das zählt, was sie gerade erzählen. Oft haben Kinder das Gefühl, dass immer nur die Erwachsenen recht haben. Bibi Buntstrumpf lässt die Kinder erzählen, respektiert aber auch ihre Grenzen.

Schlüpfen Sie in eine Rolle, wenn Sie morgens in Ihr Büro kommen?

Nein. Ich bin schon Bibi, wenn ich nur in die Stadt gehe und persönliche Besorgungen mache. Es hat Vor- und Nachteile, in der gleichen Stadt zu wohnen, in der man auch arbeitet. Vieles vermischt sich.

Was sind das für Fälle, an denen Sie arbeiten?

Angefangen von „Mein Bruder ärgert mich immer“ bis „Mit mir werden Sachen gemacht, die unangenehm sind“. Viele Eltern tragen auch ihre Konflikte über die Kinder aus, Gewalt ist auch ein Thema, oder dass Kinder sich selbst überlassen werden. Die sind Acht und müssen zusehen. Es kommen aber auch Kinder zu mir, die Ärger mit dem Nachbarn haben, weil der ihnen das Spielen verbietet.

Was machen Sie dann?

Ich versuche, Informationen über die Kinder einzuholen, über die Eltern und über den Nachbarn. Daraus sind schon ganze Anwohnerversammlungen entstanden, in solche Fällen übernehme ich vermittelnde Funktion.

Zeigt sich denn jeder Nachbar einsichtig?

Nicht immer. Eigentlich haben alle Menschen Kinder lieb, aber nicht vor der eigenen Haustür. Ich erinnere mich noch an einen Fall, da ist der Verwaltungsrichter persönlich auf den Spielplatz gekommen, um sich ein Bild zu machen.

Wie hat er entschieden?

Zugunsten der Kinder.

Nun ist nicht jeder Fall so harmlos, was passiert, beklagt sich ein Kind über häusliche Gewalt?

Letztens hat mir ein Kind in einer Schulsprechstunde erzählt, dass es zu Hause Stress hat, dass es geschlagen wird. Ich habe ihm dann zunächst erklärt, wie der weitere Weg sein wird, dass ich das Jugendamt informieren muss.

Haben Sie noch Kontakt zu dem Kind, oder kümmert sich ab jetzt das Jugendamt?

Ich sehe das Kind noch in der Schule, das ist wichtig für mich, aber auch für dieses Kind. Manche bekommen auch von zu Hause die Order, nicht mit mir zu sprechen. Einige kommen aber trotzdem.

Gibt es auch Fälle, die Sie gleich abgeben?

Natürlich, so verstehe ich meinen Job auch. Ich bin auch ein Bindeglied. Für mich ist es einfacher, sich eben schlau zu machen als für eine alleinerziehende Mutter, die sich bei der Stadt durchtelefoniert und nach dem dritten Anruf aufgibt. Wenn man das System kennt, ist das kein Problem.

Erwachsene beraten Sie auch?

Auch Eltern brauchen Unterstützung, zum Beispiel wenn es Probleme mit der Schule gibt.

Arbeiten Sie hauptsächlich an solchen Einzelfällen? Sie sind ja auch in Projekten beschäftigt.

Das ist eine Mischung, und das ist auch gut so, dass ich mit den Kindern auch mal langfristig an schönen Projekten arbeiten kann.

Seit 20 Jahren gibt es in Herne die Kinderanwältin, seit neun Jahren sind Sie das. Hat sich Ihre Arbeit in dieser Zeit verändert?

Die Kindheit ändert sich, die Jugend auch, die Inhalte haben sich verändert. Cyber-Mobbing etwa gab es vor ein paar Jahren noch nicht. Was sich nicht verändert hat, ist das Konzept. Es geht um die Beteiligung der Kinder. Daran wird sich auch nie etwas ändern, das ist schließlich unsere Überzeugung.

Weitere Infos und Kontaktmöglichkeiten gibt es online: www.bibibuntstrumpf.de.