Herne. In der nächsten Woche beginnt wieder der Unterricht an den Schulen. Lehrer haben angesichts der Herner Infektionszahlen ein mulmiges Gefühl.
Angesichts der sprunghaft gestiegenen Infektionszahlen in Herne blicken Schulvertreter mit Sorge dem Unterrichtsbeginn am Montag entgegen. Die WAZ hat Stimmen gesammelt.
Zur Erinnerung: Am Freitag vor den Herbstferien war der Inzidenzwert in Herne erstmals über den kritischen Wert von 50 gestiegen, am Donnerstag lag er bei 152,8.
Die Stimmung sei wegen der Herner Zahlen „äußerst angespannt“, sagt Nicole Nowak, Schulleiterin am Haranni-Gymnasium und Sprecherin der Herner Gymnasien. Dass das Land wieder eine Maskenpflicht für die weiterführenden Schulen angeordnet hat, hält sie für den absolut richtigen Schritt, wobei sich Nowak den kleinen Seitenhieb nicht verkneifen kann, dass die Schulen - mal wieder - nicht vor den Medien von den neuen Vorgaben erfahren haben. Doch aus Nowaks Sicht hätte es der Erneuerung der Pflicht (die ja schon mal eingeführt und dann abgeschafft worden war) gar nicht bedurft. Denn sie habe in ihrer Schule dafür geworben, dass die Schüler sie freiwillig tragen. An diesem Werben habe sich auch die Schülervertretung beteiligt.
An allen Schulformen in Herne gab es in den vergangenen Wochen Infektionsfälle
Auch werde die Schule weiter daran arbeiten, dass die Abstände eingehalten werden, um Infektionen zu vermeiden. Den Leitfaden des Landes zum Lüften erfülle das Gymnasium bereits. Vor den Ferien hätten die Fenster immer offen gestanden, doch dazu werde es wohl in den kommenden Wochen zu kühl.
Nowak hofft, dass der Präsenzunterricht so lange wie möglich aufrecht erhalten werden kann, allerdings könnte dies immer schwieriger werden, weil immer mehr Lehrer fehlten. Nowak: „Ich habe ein ungutes Gefühl, aber wir geben nicht auf.“
Auch Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini zeigt sich „hoch besorgt“, wie sich die Situation an den Grundschulen in der kommenden Woche entwickelt. Dazu muss man wissen, dass es in den Wochen zwischen den Sommer- und den Herbstferien in Herne an allen Schulformen Coronafälle gegeben hat und die entsprechenden Klassen oder Gruppen in Quarantäne mussten.
Personalsituation ist äußerst angespannt
Zwar hätten alle Grundschulen Konzepte zur Vermeidung entwickelt, doch die haben offenbar auch Nebenwirkungen - zum Beispiel beim Thema Lüften. Mancher Lehrer hätten sich freiwillig in den Durchzug gestellt und seien dadurch erkrankt. Gerade Herbst und Winter als Erkältungszeit würden die ohnehin äußerst angespannte Personalsituation noch weiter verschärfen, glaubt sie. „Wir werden an unsere Grenzen stoßen“, sagt sie - und hofft auf Verständnis in der Bevölkerung dafür, „dass Lehrer Menschen sind, die so viel gearbeitet haben, dass es irgendwann nicht mehr geht“.
Harsche Kritik an der Landesregierung kommt von Carsten Piechnik, Herner Chef der Lehrergewerkschaft GEW. Mit Blick auf die Maskenpflicht weist er darauf hin, dass die meisten weiterführenden Schulen in Herne das Tragen auf freiwilliger Basis weitergeführt hätten, und die allermeisten Schüler hätten sich dran gehalten. Die Unsicherheit in den Grundschulen sei dagegen sehr groß, weil man einerseits darum wisse, dass eine Maskenpflicht für Grundschulkinder besonders schwer sei, aber andererseits gebe es ältere Lehrer, die nicht wissen, ob sie gefährdet seien, wenn die Kinder keine Maske tragen - was sie nach den Vorgaben des NRW-Schulministeriums nicht müssen.
Herner GEW-Chef: Viele Lehrer fühlen sich verschaukelt
Bei der Maskenpflicht für die älteren Schüler verweist Piechnik darauf, dass man die Abschaffung der Pflicht und die Lockerung der Abstandsregeln abgelehnt habe und vorhergesagt habe, dass man das womöglich mit Menschenleben bezahlen werde. Die Wiedereinführung der Pflicht sieht Piechnik als Bestätigung des GEW-Standpunkts.
Grüne kritisieren Schulministerin
Auch die Herner Grünen kritisieren das Land.
Schulministerin Gebauer mache sich einen schlanken Fuß, so Jörg Höhfeld. „Verantwortlich sind Schulträger, Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler, nur das Ministerium nicht. Die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts werden ignoriert. Es gibt keinen Schwellenwert für Schulschließungen. Klassen werden nicht geteilt, kein Schichtbetrieb, keine Ausweitung des digitalen Lernens. Maskenpflicht im Unterricht und häufiges Lüften sind richtig, reichen aber nicht aus.“
Seit März habe Gebauer Zeit, über einen Plan B nachzudenken. Statt dessen: „Querlüften, wo immer es möglich ist“. Und wo es nicht möglich ist?
Aber auch die angeordneten Maßnahmen des Landes seien teilweise nicht nachvollziehbar. So stelle sich die Frage, wie an windstillen Tagen gelüftet werden soll. Außerdem gebe es Schulen, da könne man Fenster gar nicht öffnen oder nur auf Kipp. Das vom Schulministerium vorgegebene Stoßlüften alle 20 Minuten würde die Unterrichtszeit drastisch reduzieren. Aus Sicht der GEW muss ausreichender Abstand gewährleistet werden, was weniger Schüler im Raum bedeuten würde. Dass dann weniger Unterrichtsstoff vermittelt werden kann, müsse man in Kauf nehmen.
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Gerade weil einige Kinder in schwierigen Situationen lebten, sei es wichtig, den Präsenzunterricht so lange wir möglich aufrecht zu erhalten, aber mit einem großen Abstand und mit sicheren Masken.
Bei den Lehrern gebe es eine große Unsicherheit und oft das Gefühl, dass man verschaukelt wird. Die Maßnahmen des Ministeriums in ihrer Kurzfristigkeit und Widersprüchlichkeit könnten viele Lehrer nicht mehr nachvollziehen. Piechnik weist darauf hin, dass zahlreiche Lehrer, die selbst zu Risikogruppen gehören, aber freiwillig unterrichtet hätten, nun abspringen.
In diesem Zusammenhang beschäftigt Piechnik auch die Frage, inwieweit es das Gesundheitsamt noch schafft, Infektionsfälle an Schulen nachzuverfolgen.
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