Düsseldorf. Lehrer, Rektoren und Eltern warnen: In der Pandemie brauchen Schulen mehr als Maskenpflicht und Lüften

Lehrer-, Schulleiter- und Elternverbände begrüßen zwar mehrheitlich die Wiedereinführung der Maskenpflicht im Unterricht an weiterführenden Schulen. Angesichts stark steigender Corona-Infektionszahlen überall in NRW sei dies „ein notwendiges Übel, das akzeptiert werden muss, um den Präsenzunterricht durchzuführen“, sagte zum Beispiel die Landesvorsitzende des Philologen-Verbandes, Sabine Mistler.

Extrem kritisch wird allerdings das von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) vorgestellte Lüftungskonzept gesehen. Direktorenvereinigungen bezeichneten es als „schwer durchführbar“, zumal sinkende Temperaturen in den kommenden Monaten das regelmäßige Lüften in Schulräumen weiter erschweren dürften.

Besonders bedauerlich ist aus Sicht der Verbände aber, dass das vom Robert-Koch-Institut (RKI) empfohlene Teilen von Klassen in Corona-“Hotspots“ in den Überlegungen der NRW-Landesregierung derzeit überhaupt keine Rolle spielt. Dabei sei Distanz der wichtigste Schutz vor einer Infektion. „Andere Bundesländer wie Bayern folgen dieser Empfehlung des RKI und haben einen entsprechenden Stufenplan entwickelt“, kritisierte Anke Staar von der Landeselternkonferenz NRW.

Mit der Wiedereinführung der Maskenpflicht im Unterricht an weiterführenden Schulen und der Verpflichtung zum regelmäßigen Lüften von Kassenräumen reagiert das NRW-Schulministerium auf die sich zuspitzende Infektionslage. Das ist im Prinzip okay, aber nicht genug. Darin sind sich praktisch alle einig, die am Schulleben teilnehmen.

Wie sind die Reaktionen auf die Maskenpflicht im Unterricht?

Insgesamt positiv. Der Philologen-Verband NRW, der Verband Lehrer NRW, die GEW, der VBE und andere Gewerkschaften halten diesen Schritt für notwendig. „Gerade die Masken haben sich als einfaches, effektives und akzeptiertes Mittel erwiesen, das Infektionsgeschehen einzudämmen“, sagte Brigitte Balbach, Landesvorsitzende des Verbandes Lehrer NRW, der vor allem Pädagogen in der Sekundarstufe 1 vertritt.„Folgerichtig“ nennt auch Anke Staar von der Landeselternkonferenz die Rückkehr zur Maskenpflicht.

Unter Schulleitern ist diese Maßnahme allerdings umstritten. „Das ist zu kurz gegriffen und letztendlich unverantwortlich“, sagte der Chef der Schulleitungsvereinigung NRW, Harald Willert. Wichtiger und praktikabler als Maskenpflicht und Lüften sei das Aufteilen von Klassen oder ein Unterricht im Schichtsystem. Die Westfälisch-Lippische und die Rheinische Direktorenvereinigung der Gymnasien, begrüßen die Maskenpflicht „ausdrücklich“.

Warum gibt es keine Maskenpflicht für Grundschüler?

Studien deuten darauf hin, dass von Kindern, insbesondere Kita-Kindern und Grundschülern, kein besonderes Infektionsrisiko ausgeht. Außerdem ist eine Maskenpflicht bei Grundschülern schwerer durchzusetzen als bei älteren Kindern und Jugendlichen. Der Ennepe-Ruhr-Kreis wollte angesichts der vielen Neuinfektionen die Einführung einer Maskenpflicht auch im Unterricht in der Primarstufe einführen, scheiterte damit aber bei der Bezirksregierung.

Gibt es Kritik am Lüftungskonzept?

Es gibt massive Kritik, obwohl die Landesregierung ein 50 Millionen Euro schweres Sonderprogramm des Landes für den Kauf mobiler Belüftungsanlagen für Schulen auflegt. „Unzureichend und schwierig umzusetzen“ seien die Regeln zum Lüften, so die Direktorenvereinigungen der Gymnasien. Der Winter erschwere dies zusätzlich. Die Schulleitungsvereinigung NRW spricht gar von „Augenwischerei“. Wenn die Regeln für Händehygiene und Lüften eingehalten würden, dann hätten die Schüler in einer Schulstunde von 45 Minuten nur 30 Minuten Unterricht. Das geforderte „Stoßlüften“ sei mit Blick auf die Raumtemperaturen eine „enorme Zumutung“, warnt der Philologen-Verband NRW.

Eine vom RKI empfohlene Teilung von Klassen bei hohen Infektionszahlen wird es nicht geben. Wie sind die Reaktionen darauf?

Verheerend. So ist die Landeselternschaft der Gymnasien NRW empört: „Zwiebellook, Stoßlüften und Maskenpflicht – mehr kommt nicht?“ Schon vor Beginn des neuen Schuljahres habe man NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) auf ein Stufenmodell nach dem Vorbild Bayerns hingewiesen. Dies sieht einen Wechsel von Präsenz- und Fernunterricht sowie halbierte Klassengrößen je nach Infektionslage vor. „Seitdem ist nichts passiert“, sagte Dieter Cohnen, Sprecher des Elternverbands, dieser Redaktion. Eine Verkleinerung der Lerngruppen sei sinnvoll. „Kreative Lösungen müssen seit Monaten her.“ Auch in NRW müsse man nun über Schichtbetrieb oder Samstagsunterricht nachdenken, meint Franz-Josef Kahlen, Mitglied im Vorstand der Landeselternschaft.

Der Philologen-Verband NRW fordert vom Land einen Infektions-Grenzwert, ab dem der Regelbetrieb an Schulen durch ein Schichtmodell ersetzt wird. Der Verband Lehrer NRW ruft nach einem „Plan B“ für den Fall, dass die Pandemie in NRW zu regionalen Lockdowns wie derzeit im Berchtesgadener Land führen sollte.

Das Halbieren von Klassen sei vielerorts kompliziert, warnte die Rheinische Direktorenvereinigung. „Es gibt zum Beispiel in Köln eine Reihe von Gymnasien, die Klassenräume von einer Größe haben, dass die Lerngruppen geviertelt werden müssen, um Abstandsregeln einzuhalten“, so Verbandschef Martin Sina.

Was sagt die Opposition?

SPD-Schulexperte Jochen Ott spöttelte, Schulministerin Gebauer setze mit ihren Stoß- und Querlüftungsvorgaben in der Herbst- und Wintersaison auf „das frierende Klassenzimmer“. Die SPD fordert ein weitergehendes „Corona-Schulkonzept“ mit einer Verkleinerung von Klassen bei hohen Infektionszahlen, mehr Digitalunterricht in der Sekundarstufe 2 und Sonderfahrplänen für Schulbusse. Lehrer und Schüler sollen sich regelmäßig und kostenlos testen lassen können. Mobile Luftfilter sollten vom Land zentral beschafft und verteilt werden.