Herne. Wahlplakate, Flyer und Kulis sind nicht totzukriegen. Die Parteien setzten nun aber auch auf Werbung bei Facebook & Co. Das hat mehrere Gründe.

Wer auf Facebook und Instagram unterwegs ist, stolpert in diesen Tagen regelmäßig über Wahlwerbung wie diese: Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) spaziert im Video durch Herne-Mitte und erklärt die Entwicklung in der Innenstadt, CDU-OB-Kandidat Timon Radicke sitzt in seinem Elektrotransporter und spricht über Masken im Unterricht, Linke-Ratskandidatin Lea Jansen hüpft vor der Akademie Mont-Cenis von Stein zu Stein und redet über ihr „Herzensthema Kultur“.

Bezahlte Werbung in Social-Media-Kanälen nimmt in Herne einen noch vergleichsweise kleinen Rahmen ein. Wahlplakate dominieren, so wie eh und je, und noch immer werden Flyer gedruckt und Kulis verschenkt. Aber: Der Anteil an Wahl-Werbung bei Facebook & Co. wächst stetig, bis zu zehn Prozent, das ergab eine Umfrage bei den großen Herner Parteien, geben die Parteien dafür im Kommunal-Wahlkampf aus. Videos werden gezeigt, fast immer mit Kandidaten, oder so genannte Sharepics, also Bilder mit einem griffigen Zitat oder Spruch – etwa „Stadtwald auf dem Blumenthal-Gelände“ (Linke) etwa oder „Zukunft.Machen.“ (Frank Dudda, SPD). Auffällig: Das Ganze wird immer aufwändiger und professioneller produziert.

SPD-Chef Vogt: Wähler erwarten Informationen im Internet

Social-Media-Werbung sei heute das, was in der Antike das Forum und im Mittelalter der Markt gewesen seien, sagt Linke-Chef Patrick Gawliczek. Konkret: „Öffentliche Orte, um sich zu begegnen, einen Teil seiner Freizeit zu verbringen, aber auch um zu diskutieren.“ Werbung bei Facebook & Co mache die Partei sichtbar, biete ihr die Möglichkeit, „auch mal mit Menschen in Kontakt zu kommen, die außerhalb unserer Blase sind“.

Auch SPD-Chef Alexander Vogt nennt es „wichtig, im Netz zu informieren“. Das werde auch „zu Recht von uns erwartet“. Ebenso äußert sich Kai Wahler, Kreisgeschäftsführer der CDU: „Die vergangenen Wahlen haben gezeigt, dass es unerlässlich ist, die Wählerschaft in Social Media anzusprechen.“ Das persönliche Gespräch, sagt aber SPD-Chef Vogt, werde durch Social-Media-Werbung nicht ersetzt.

Das sind die Wahlkampfkosten der Parteien

Das geben die großen Parteien nach eigenen Angaben im Kommunal-Wahlkampf für Werbung und Aktionen aus: SPD 80.000 Euro, CDU 40.000 Euro, Grüne 25.000 Euro plus Wahlkampfspenden, Linke 10.000 Euro und FDP 15.000 Euro.

Social-Media-Werbung macht demnach einen Anteil von bis zu zehn Prozent aus. SPD hat 2000 Euro für bezahlte Werbung bei Facebook & Co. eingeplant, die CDU 4000 Euro, Grüne 2500 Euro, Linke 400 Euro. Die FDP schaltet keine Social-Media-Werbung.

Das sagt auch Fabian May, Pressesprecher der Grünen. Allein: Die Corona-Krise schränke die persönlichen Gespräche aber ein. Gerade wegen des „selbstauferlegten coronagerechten Wahlkampfs“ sei den Grünen Werbung „ohne direkten physischen Kontakt“ besondern wichtig. Deshalb fährt auch diese Partei das volle Programm: Sie schalte Kandidatenvideos von OB-Kandidat Pascal Krüger, der Top 11 der Ratsliste und der Spitzenkandidaten für die Bezirke sowie besagte Sharepics mit Forderungen und Wahlaufrufen. Hinzu komme: „Einige Angebote aus der Grünen Jugend sind speziell auf die Zielgruppe 16 bis 27 zugeschnitten“, so May.

Parteien können auswerten, wie viele Menschen Werbung gesehen haben

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Positiver Nebeneffekt: Die Parteien können sehen, wie viele Menschen sich die Videos anschauen – die geschalteten, aber auch die „freien“, die über die eigenen Seiten laufen. Die CDU etwa erstelle über jeden beworbenen Post ein Monitoring, sagt Geschäftsführer Wahler. Daran lasse sich erkennen, welches Thema in welcher Zielgruppe ankomme. Das, betont er, sei wichtig für die künftige politische Arbeit.

Prominenter Unterstützer von Frank Dudda: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in einem Video.
Prominenter Unterstützer von Frank Dudda: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in einem Video. © Facebook

Nicht zuletzt können die bezahlten Posts auch kommentiert werden. Interaktion, sagt Grünen-Pressesprecher Fabian May, sei gerade in den sozialen Medien wichtig. Nicht verhehlen will er aber, dass dabei nicht immer die „Regeln des allgemeinen Respekts und des demokratischen Miteinanders“ eingehalten würden: „Einige wenige justiziable und extrem persönlich beleidigende Kommentare mussten auch gelöscht werden.“

Die FDP schaltet dagegen keine Werbung, „da die Zielgruppenorientierung der Social-Media-Kanäle nicht präzise genug ist“, sagt FDP-Chef und OB-Kandidat Thomas Bloch. Der Effekt von Werbung auf Facebook & Co dürfe nicht überschätzt werden, meint er. Hauptsächlich erreiche man über die Werbung eh nur diejenigen Menschen, die einen sowieso wählten. „Was nützt mir eine gute Werbung für Katzenfutter, wenn ich nur Hundefutter damit erreiche?“, fragt er. Auf den eigenen Seiten würden aber durch regelmäßig Beiträge gepostet. Wobei: Mit gerade mal 840 Freunden auf Facebook ist die Leserschaft vergleichsweise überschaubar.

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