Herne. In Herne treten am 13. September fünf OB-Kandidaten an. Im Vorfeld trifft sich die WAZ mit ihnen zum Interview. Heute: Thomas Bloch (FDP).
Bei den Kommunalwahlen am 13. September wird auch der Oberbürgermeister gewählt. In Herne treten fünf OB-Kandidaten an. Im Vorfeld trifft sich die WAZ mit den Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge an einem Ort ihrer Wahl zum Interview. Den Auftakt macht Thomas Bloch (FDP).
Als Treffpunkt für dieses Interview haben Sie sich den kleinen Park vor dem Gasometer in Holsterhausen ausgesucht. Warum?
Das ist eine kleine und sehr schöne Oase mitten in der Stadt, die sehr wenigen Menschen bekannt ist. Außerdem ist sie ein sehr gutes Beispiel für einen gelungenen Strukturwandel, in diesem Fall also für die Umwidmung einer Industrie- zu einer sehr gelungenen Grünfläche. Sie müsste aber noch aufgewertet werden, das kann der neue Rat auf den Weg bringen.
Kommen wir zur Politik: Die FDP befindet sich nicht gerade auf einem Höhenflug. Es gab zuletzt so manche Negativ-Schlagzeile, etwa über den Ex-Ministerpräsidenten von Thüringen Thomas Kemmerich oder über Parteichef Christian Lindner, außerdem gibt es schlechte Umfragewerte im Bund. Kommen die Kommunalwahlen für die Liberalen in Herne (mal wieder) zur Unzeit?
Wir hätten uns sicherlich mehr Rückenwind erhofft. Aber: Bei den letzten Kommunalwahlen hatten wir im Bundestag gerade unsere „Sabbatperiode“ eingelegt, saßen also nicht im Parlament. Nun sind wir im Bundestag und sogar in der NRW-Landesregierung vertreten. Das stimmt uns für die Kommunalwahlen optimistisch.
Tatsächlich? Ist es wirklich ein Pluspunkt für die Wahlen, dass die FDP an der NRW-Landesregierung beteiligt ist? Schulministerin Yvonne Gebauer etwa wird ja seit Monaten massiv kritisiert.
Ich finde, dass die Schulministerin keinen schlechten Job macht. Klar, man kann immer alles besser machen. Sie wird viel kritisiert, insbesondere für ihre Informationspolitik, auch aus den Lehrerkreisen. Das kann ich nachvollziehen. Alles in allem macht die Landesregierung, Joachim Stamp eingeschlossen, aber einen guten Job. Ob wir dadurch Rückenwind bekommen, bleibt abzuwarten. Wir machen vor Ort das Beste daraus: Letztlich entscheidet bei einer Kommunalwahl ja das Personal, das vor Ort vorhanden ist und vor Ort verwurzelt ist.
Vor Ort sieht es bislang nicht berauschend für die Liberalen aus: Die FDP spielt im Herner Rat nur eine kleine Rolle, mit nur zwei Ratsvertretern hat sie nicht mal Fraktions-, sondern nur Gruppenstatus. Wie wollen Sie das ändern?
Indem wir 3000 + x Stimmen holen und mit drei Mandaten in den Rat einziehen, so dass wir wieder Fraktionsstatus haben. Und indem wir in alle vier Bezirksvertretungen einziehen. Dann sind wir auch wieder in allen Ausschüssen vertreten, was jetzt wegen des Gruppenstatus nicht der Fall ist. Daran arbeiten wir. Und obwohl wir zurzeit nur zu zweit im Rat sind, haben wir in der ablaufenden Ratsperiode einen guten Job gemacht.
Haben Sie ein Beispiel?
Stichwort: Digitalisierung. Die App fürs Parken etwa haben wir angestoßen. Wir haben durchaus Duftmarken setzen können. Daran möchten wir anknüpfen.
2009 waren Sie schon einmal OB-Kandidat und erhielten 6,9 Prozent. Warum nun ein weiterer Anlauf?
Wir sind als Liberale selbstbewusst und möchten als Liberale demonstrieren, dass wir Verantwortung übernehmen wollen. Wir sind also bereit, vor Ort Entscheidungen zu treffen. Deshalb war es nur konsequent, einen Oberbürgermeister-Kandidaten zu stellen. Vor allem deshalb, weil diesmal nicht nur die OB-Wahl stattfindet. Wir wollen unseren Wählern die Möglichkeit geben, durchzuwählen: vom OB-Kandidaten über den Rat und die Bezirksvertretung bis zum RVR-Parlament.
Und Integrationsrat?
Dort haben wir keine Liste aufgestellt. Das lag an den unterschiedlichen Kulturkreisen, aus denen die Personen kamen. Sie konnten sich untereinander nicht einigen. Und einen Deutschen ohne Migrationshintergrund wollten wir nicht aufstellen, auch wenn das kein Problem gewesen wäre. Ein Kandidat sollte aus einem anderen Kulturkreis kommen. Deshalb haben wir das dann gelassen.
Gab es keine Überlegungen, dass mehrere Parteien gemeinsam einen Kandidaten stellen? So wie 2015 mit dem Grünen Thomas Reinke, der auch von der FDP unterstützt wurde?
Wenn wir einen Kandidaten einer anderen Partei hätten, der die Aussicht hätte, Amtsinhaber Frank Dudda zu schlagen, dann hätten wir uns möglicherweise überlegt, mit ihm und seiner Partei zu sprechen. Im Übrigen: Der kleine Partner geht nie auf den großen zu, dass muss umgekehrt funktionieren. Das ist aber diesmal nicht passiert. Deshalb sind wir so selbstbewusst und stellen einen eigenen Kandidaten auf.
Die FDP hätte auch Amtsinhaber Frank Dudda unterstützen können, so wie die Piraten. Sie sind doch oft auf einer Linie mit dem OB.
Er macht keinen schlechten Job. Er ist ein Manager und Macher-Typ. Das ist unbestritten und das sage ich auch. Aber: Zu unserem Selbstverständnis als liberale Partei gehört, dass wir selbstständig handeln wollen.
Was würden Sie in den ersten 100 Tagen als neuer OB machen?
Ich würde erst einmal Inventur machen. Also einen Gesamtüberblick darüber erarbeiten, was bereits angestoßen und priorisiert wurde und was auf Halde liegt. Dann würde ich sehen, was schnell umgesetzt werden könnte, um auch eine Duftmarke setzen zu können. Wichtig ist: Es muss einen Aufbruch geben, und den Menschen muss gezeigt werden, dass sich die Stadt verändert und dass was passiert.
Apropos Aufbruch. Das Wahlprogramm der Liberalen steht unter dem Motto „Ein echter Aufbruch für Herne“. OB Frank Dudda wird nicht müde zu betonen, dass es den längst schon gibt.
Wir sind der Meinung: Da ist noch Luft nach oben. Da geht noch mehr.
Wobei denn?
Herne verkauft sich komplett unter Wert. Wir müssen zunächst einmal ein Selbstbewusstsein bei den Menschen fördern, dass sich die Hernerinnen und Herner nicht immer so schlecht reden. Herne ist eine lebenswerte Stadt in der Mitte des Ruhrgebiets. Wir müssen die Möglichkeiten und Chancen der Stadt in den Vordergrund stellen. Klar ist natürlich auch: Wir müssen mehr Arbeitsplätze schaffen. Und das nicht nur durch weitere große Logistik-Unternehmen. Von ihnen bin ich kein Freund. Sie brauchen viel Platz und bieten wenig qualifizierte Arbeitsplätze. Wir sollten dagegen verstärkt die Möglichkeiten der Kreativwirtschaft aus den Bereichen Architektur, Software-Entwicklung und künstlerischem Bereich nutzen. Das schafft Arbeitsplätze und holt junges Publikum nach Herne. Wir müssen die Menschen in den Mittelpunkt stellen und sie mitnehmen.
Ein Kernthema aus Ihrem Wahlprogramm ist die Digitalisierung, die sie ansprachen. Was wollen sie da ändern?
Die Menschen sollen „Per App aufs Amt“ können. Das ist auch ein Slogan auf unseren Wahlplakaten. Das heißt: All das, wo Menschen heute noch aufs Amt müssen, muss digital etwa von zu Hause aus möglich sein. Außerdem müssen Menschen an Daten kommen, etwa an statistische Daten oder Umwelt-, Wetter- oder Verkehrsdaten – Stichwort: Open Data. Meine Vision ist eine Herne-App, die das abbildet. Und die mir beispielsweise auch zeigt, wo ich mit dem Auto in der Innenstadt parken kann, wo also ein Platz frei ist. Da sind wir noch relativ weit am Anfang.
Wenn die FDP nach den Wahlen Juniorpartner in einer Dreier-Konstellation im neuen Rat wird – wer wären Ihre Lieblingswunschpartner?
(Lacht) Ich formuliere das mal vorsichtig: Wir sind in der Lage, mit allen demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten; ausschließen würde ich deshalb eine Zusammenarbeit mit der AfD. Wir haben eine starke SPD, eine interessante CDU sowie Grüne, mit denen wir schon einiges zusammen bewegt haben. Wenn sich die Situation ergibt und wir mitgestalten können in der neuen „Stadtregierung“, dann würden wir uns schon einigen.
Dann wären die Liberalen in Herne die bislang fest zementierte Oppositionsrolle los. Wie frustrierend ist diese Rolle?
(Lacht) Man ist als Liberaler von Hause aus leidensfähig.
Entweder/Oder:
Fernsehen oder Streaming?
Bloch: Streaming. Ich habe Netflix, Amazon Prime und Disney + abonniert. Sehr spannend fand ich zuletzt bei Netflix „Stranger Things“ und „How to Sell Drugs Online (Fast)“.
Nordsee oder Cote d’Azur?
Nordsee. Eigentlich Schwarzmeerküste, aber die Option hatte ich ja nicht. Wenn Nordsee, dann Helgoland.
Bier oder Wein?
Bier. Am besten ein helles. Fiege.
Schalke oder BVB?
Schalke. Mein Wunsch: Am Ende der kommenden Saison landet S04 im gesicherten Mittelfeld. Ich bin aber skeptisch.