Herne. Videochat statt Vorstandssitzung: Die Pandemie verändert die politische Kommunikation in der Herner Politik. Wie Parteien derzeit arbeiten.

Videoschalte statt Ortsvereins-Versammlung, Informationsveranstaltungen als Digitaltreffen, die Telefonkonferenz ersetzt die Vorstandssitzung: Die Pandemie stellt derzeit die politische Arbeit vor Ort auf den Kopf. Auch im Hinblick auf die Kommunalwahl am 13. September gibt es derzeit eine rege digitale Kommunikation. Prognose von Parteichefs: Nach dem Ende der Corona-Krise werden einige der aktuell erprobten Modelle beibehalten und ins politische Leben integriert. Eine Bestandsaufnahme.

SPD-Videokonferenz mit 70 Kandidaten

Die SPD hat gerade einen Kandidaten-Marathon hinter sich: In vier Videokonferenzen für alle Stadtbezirke hat sich die Parteispitze mit insgesamt rund 70 Kandidaten ausgetauscht. „Es ging vor allem um die Kommunalwahl und die Frage, ob und wie sich Themen durch die Pandemie verändert haben“, berichtet SPD-Vorsitzender Alexander Vogt.

Videoschalten hätten sich mittlerweile als Hauptkommunikationsmittel etabliert. Ausgeschlossen würde dadurch (fast) niemand - auch nicht ältere Genossinnen und Genossen. „Einige sind inzwischen zum Kommunikationsprofi geworden“, sagt Vogt. Smartphone und Internetzugang gehörten ja mittlerweile dazu. Und wenn jemand trotzdem nicht klarkommt mit der schönen neuen Digitalwelt? „Dann wird er oder sie von unseren Büromitarbeitern oder Ehrenamtlern an die Hand genommen.“

FDP sieht keine inhaltlichen Einschränkungen

Auch in der FDP stelle die Technik keine Hürde dar, weiß Parteichef Thomas Bloch. „Inhaltlich sind wir überhaupt nicht in unserer Arbeit eingeschränkt.“ Die FDP sei aber auch schon vor Corona digital „gut unterwegs gewesen“ über FaceTime oder Skype. Dabei habe es sich aber in der Regel um Gespräche zwischen zwei Teilnehmern gehandelt, so Bloch.

Vier Herner FDP-Poltiker in der Videokonferenz: (von oben links im Uhrzeigersinn) Klaus Füßmann, Ulrich Nierhoff, Elena Ivanova-Bloch und Thomas Nückel.
Vier Herner FDP-Poltiker in der Videokonferenz: (von oben links im Uhrzeigersinn) Klaus Füßmann, Ulrich Nierhoff, Elena Ivanova-Bloch und Thomas Nückel. © FDP Herne | Screenshot


Seine Prognose: In zehn Jahren werden diese Elemente wie selbstverständlich dazu gehören. Nachteile sieht Bloch nicht - mit einer Ausnahme: Ein Herner Mitglied gehe mit seinem Smartphone während der Videoschalten immer durch die Wohnung und den Garten. „Das geht einem auf den Wecker“, sagt Bloch (und lacht).

Auch die CDU praktiziere einen regen digitalen Austausch, berichtet Timon Radicke. Wegen des hohen Durchschnittsalters der Mitgliedschaft könne man damit jedoch nicht alle erreichen. Trotz der Zwangspause durch Versammlungsverbote sei die Schlagzahl nach wie vor hoch: „So voll der Kalender vor Corona mit realen Terminen war, so voll ist er jetzt mit virtuellen Terminen“, sagt der CDU-Vorsitzende und Bezirksverordnete.

Keine digitale Jahreshauptversammlung

Einen großen Vorteil gebe es jedoch zurzeit: Mehrere Termine innerhalb kürzester Zeit ließen sich gut miteinander verbinden - so wie beispielsweise am Donnerstag: Erst tage die Bezirksvertretung (in einer „richtigen“ Sitzung), dann stünden nacheinander Videoschalten des Bezirksvorstandes Ruhr und des Kreisvorstandes auf dem Programm.

Das macht die Digitalisierung noch nicht möglich: Die Grünen müssen nach dem Rücktritt von Susanne Marek eine neue Vorsitzende nachwählen. Rechts: der derzeit allein amtierende Parteichef Pascal Krüger.
Das macht die Digitalisierung noch nicht möglich: Die Grünen müssen nach dem Rücktritt von Susanne Marek eine neue Vorsitzende nachwählen. Rechts: der derzeit allein amtierende Parteichef Pascal Krüger. © Unbekannt | loc


Doch auch in der schönen neuen Digitalwelt der Parteien gibt es Beschränkungen. Zum Beispiel: Vorstandswahlen müssen verschoben werden. „Wir wollten nach dem Rücktritt von Susanne Marek eigentlich im März auf der Jahreshauptversammlung eine Vorstandssprecherin nachwählen“, sagt Partei-Chef Pascal Krüger.

Übrigens: Auch in der Pandemie steigen die Mitgliederzahlen bei den Grünen kräftig an. Nachdem die Partei im Juni 2019 die magische 100er-Grenze genommen hat, sind es mittlerweile 127 Mitglieder. Kontaktiert und begrüßt würden sie per Mail und/oder Anruf. „Das haben wir sonst aber auch so gemacht“, sagt Pascal Krüger.

„Richtiges“ Treffen der Piraten

Videochats und Telefonkonferenzen bestimmen derzeit auch das Parteileben in der Linken und der Piratenpartei. „Man beschränkt sich dadurch aufs Wesentliche“, sagt Linke-Vorsitzender Patrick Gawliczek. Wenn die Kommunalwahl tatsächlich am 13. September stattfinden wird, dürfte dies aber nicht genug sein: „Dann müssen wir uns intensiver austauschen.“ Das haben die Piraten in Vorbereitung auf die Kommunalwahl inzwischen in einer realen Versammlung getan, berichtet Ratsherr Bernd Schroeder. Da die Partei recht klein sei, sei dies unproblematisch gewesen.

Zurück zur SPD: Alexander Vogt wünscht sich, dass wieder „richtige“ Parteiveranstaltungen durchgeführt werden können. Zwar hätten Ortsvereine bereits digitale Versammlungen mit zugeschalteten Referenten durchgeführt, doch: „Es geht nichts über eine Präsenzveranstaltung, wo man sich sieht. Danach sehen sich alle.“ Wie der FDP-Vorsitzende Thomas Bloch glaubt aber auch der SPD-Chef, dass die digitalen Elemente nicht komplett verschwinden werden: „Das wird Bestand haben und die Arbeit erleichtern.“