herne. . Anfang 2017 ist Patrick Gawliczek in die Linke eingetreten, nun ist er Vorsitzender. Im Interview bezieht er auch zu Sahra Wagenknecht Stellung.
Der Physik-Student Patrick Gawliczek (25) ist jüngst zum neuen Vorsitzenden der Linkspartei gewählt worden. Im Interview mit WAZ-Redakteur Lars-Oliver Christoph sprach er über Ziele und Probleme in Herne, Rot-Rot-Grün im Bund und Sahra Wagenknecht.
Sie sind der vierte Linke-Vorsitzende in nur knapp drei Jahren. Ist der Herner Kreisverband so schrecklich oder warum hält es kein Sprecher länger an der Spitze aus?
Gawliczek: Das hat nichts mit der Partei zu tun. Da spielten berufliche und persönliche Dinge eine große Rolle. Und bei meinem Vorgänger Daniel Kleibömer war ja von vorneherein klar, dass er nur eine Übergangslösung sein wird.
Bei der jüngsten Vorstandswahl hat erneut keine Frau kandidiert. Ist das für eine Partei wie die Linke nicht ein Armutszeugnis?
Wir finden das sehr schade. Deshalb haben wir den Vorstand ja auch quotiert besetzt, damit wir bei jeder Mitgliederversammlung eine Frau nachwählen können. Wir bemühen uns, möglichst schnell wieder Frauen im Vorstand zu haben.
Welche Ziele haben Sie sich persönlich als Vorsitzender gesetzt?
Die Mitgliederaktivierung wird eine wichtige Aufgabe sein. Wenn man sich die Partei anschaut, stellt man fest, dass es immer dieselben Mitglieder sind, die in der ersten Reihe stehen. Das Potenzial ist da: Wir haben seit der Bundestagswahl relativ viele junge Mitglieder dazugewonnen.
Sie sind erst 2017 im Alter von 24 Jahren in die Partei eingetreten. Waren Sie zuvor schon politisch aktiv?
Ich war eigentlich schon immer politisch sehr interessiert. Ich habe mich in jüngeren Jahren aber noch nicht reif gefühlt für einen Parteieintritt. Irgendwann dachte ich mir dann, dass ich mal Verantwortung übernehmen sollte.
Kam für Sie keine andere Partei als die Linke in Frage?
Ich war schon im Alter von 15, 16 Jahren links eingestellt. Und dann denkt man darüber nach: Dem relevanten linken Spektrum gehören in Deutschland drei Parteien an – SPD, Grüne und Linke.
Sind SPD und Grüne aus Ihrer Sicht noch linke Parteien?
Wenn man sehr gnädig ist, kann man beide Parteien noch zu diesem Spektrum zählen. Ich habe mir dann überlegt: Was ist der Hauptgrund dafür, dass so vieles schief läuft – insbesondere im sozialen Bereich. Und da kommt man auf die Agenda 2010, womit zwei von drei Parteien für mich nicht mehr in Frage kommen.
Welche Themen interessieren Sie besonders?
Die Sozialpolitik. Gerade in Herne ist das ein großes Thema – durch die Arbeitslosigkeit und die Kinderarmut. Mich hat früher aber auch die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung sehr interessiert. Freiheitsrechte sind mir sehr wichtig.
Ist es ein Nachteil oder ein Vorteil, in so jungen Jahren und mit so wenig Parteierfahrung Vorsitzender zu werden?
Ich denke, es ist vor allem ein Vorteil. Man kann frischen Wind und frische Ideen reinbringen. Und mangelnde Erfahrung? Ich bin ja nicht allein; es gibt viele erfahrene Mitglieder, die mich unterstützen. Wir sind eine Mitgliederpartei und keine Partei, in der der Vorsitzende alles bestimmt.
Im Bund ist Rot-Rot-Grün in den vergangenen Jahren in weite Ferne gerückt. Sehen Sie noch eine Chance für ein solches Regierungsbündnis?
Ja. Man sieht ja an den Umfragen, dass einzelne Parteien ihr Ergebnis innerhalb eines Jahres verdoppeln können. Zunächst muss aber bei den drei Parteien der Wille vorhanden sein für ein gemeinsames progressives Konzept, das das Land voranbringt. Es fehlt zurzeit an einer linken Zukunftsvision für eine sozialere und gerechtere Politik. Es wird nur an kleinen Problemen herumgedoktert und gejammert.
Sahra Wagenknechts Sammlungsbewegung „Aufstehen“ treibt die Linke derzeit um. Wo stehen Sie in dieser Diskussion?
Ich bin kein Mitglied von „Aufstehen“. Wir haben in der Mitgliederversammlung darüber diskutiert. Die Mehrheit war eher skeptisch. Konsens war, dass wir erst einmal abwarten wollen, wie sich das entwickelt. Inhaltlich ist vieles noch schwammig.
Droht der Linkspartei die Spaltung?
Das glaube ich nicht. Sahra Wagenknecht ist eine Genossin. Ich hoffe nicht, dass sie unlautere Motive hat.
Es gibt aktuell harsche Kritik an Sahra Wagenknecht, weil sie sich gegen eine Teilnahme an der für eine offene Gesellschaft eintretenden Demonstration „Unteilbar“ in Berlin ausspricht. Teilen Sie die Kritik?
Ja, die Reaktion von Sahra Wagenknecht stößt bei mir auf völliges Unverständnis.
Gawliczek über die Kommunalwahl, Merkel und Fußball
Bei der Kommunalwahl 2020 werde ich für die Herner Linke …
… vermutlich nicht antreten.
An Angela Merkel schätze ich neben ihrem erlernten Beruf der Physikerin …
… dass es ihr lange Zeit gelungen ist, einen starken Rechtsruck in der CDU zu verhindern.
Herne oder Wanne-Eickel?
Herne. Ich habe auch immer in Alt-Herne gewohnt – die Verkehrsanbindung ist hier besser.
Schalke 04 oder Borussia Dortmund?
Jetzt werde ich in Herne sicherlich viel Ärger bekommen: Borussia Dortmund.
>> INFO: Zur Person
Patrick Gawliczek (25) ist gebürtiger Horsthauser und lebt in Baukau. Er studiert Physik an der Ruhr-Universität Bochum.
Er ist leidenschaftlicher Sportler und läuft Strecken über zehn Kilometer, klettert aber auch sehr gerne (Top Rope).
Seit Februar ist er sachkundiger Bürger für die Linke im Planungsausschuss.