Herne. Wahlkampf in Coronazeiten: Tausende Herner haben die Diskussion mit den Herner OB-Kandidaten im Live-Stream verfolgt. Wie die Debatte verlief.

120 Minuten, fünf OB-Kandidaten, zwei Moderatoren – und eine Erkenntnis: Mehr Information und Unterhaltung kann eine Podiumsdiskussion fünf Tage vor der Kommunalwahl kaum bieten. Tausende Herner klickten sich am Dienstagabend in den Live-Stream der „Wahl-Arena“ in den Flottmann-Hallen, wo sich die Bewerber fürs höchste Amt der Stadt in der VHS-Veranstaltung maßen.

Das Format

Wegen der Corona-Krise fand die „Wahl-Arena“ erstmals ohne Publikum statt. Dafür wurde in den Flottmann-Hallen ein Fernsehstudio aufgebaut, die Diskussion wurde über mehrere Kanäle, darunter waz.de/herne und die Facebook-Seite der WAZ, live übertragen. Einen Rahmen mit fünf Schwerpunktthemen setzten die Moderatoren Michael Muscheid (WAZ) und Stefan Erdmann (Radio Herne) für die OB-Kandidaten: Auf eine Bilanz der vergangenen fünf Jahre folgten Runden zu den Bereichen Innenstädte und Coronakrise, Sauberkeit und Sicherheit, Klimaschutz sowie Mobilität. Die über die Social-Media-Kanäle der Veranstalter und WhatsApp gestellten Zuschauerfragen wurden zwischen den einzelnen Runden beantwortet. Und in der Schlussrunde mussten sich OB Frank Dudda (SPD), Timon Radicke (CDU), Pascal Krüger (Grüne), Daniel Kleibömer (Linke) und Thomas Bloch (FDP) entscheiden, welchen der vier Mitbewerber sie im Falle eines Wahlsiegs mit ins Rathaus als Büroleiter nehmen wollen.

Blick in die „Wahl-Arena“ in den Flottmann-Hallen am Dienstagabend: Die Türen blieben während der Diskussion der OB-Kandidaten geschlossen. Interessierte konnten die Diskussion im Internet verfolgen.
Blick in die „Wahl-Arena“ in den Flottmann-Hallen am Dienstagabend: Die Türen blieben während der Diskussion der OB-Kandidaten geschlossen. Interessierte konnten die Diskussion im Internet verfolgen. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Der Blick zurück

„Das waren fünf richtig gute Jahre für Herne“, sagte Frank Dudda über seine Amtszeit. Eins zu eins stehen lassen wollte das natürlich keiner der Konkurrenten, aber mit Ausnahme von Pascal Krüger zollten die Kandidaten dem Amtsinhaber durchaus (verhaltenes) Lob. Kleibömer, Bloch und Radicke betonten allerdings, dass auch Stadtmitarbeiter und der Rat einen ebenso wichtigen Anteil an der Bilanz hätten. Kleibömer bescheinigte Dudda, sehr gut im „Verkaufen von Projekten zu sein“. Grünen-Kandidat Krüger sagte, dass der konjunkturelle Aufschwung in Deutschland ein großes Glück für Herne gewesen sei. Er und Kleibömer wiesen darauf hin, dass nicht alle Menschen in Herne vom Aufschwung profitiert hätten und zielten dabei auf die hohe Verschuldungsquote bzw. die Kinderarmut.

Die Corona-Krise

Die Pandemie sei die größte Herausforderung seiner Amtszeit, erklärte der OB und beklagte drastische Rückschritte auf dem Arbeitsmarkt. Die Stadt habe die Krise bisher aber „hervorragend bewältigt“. So richtig widersprechen wollte hier keiner der Konkurrenten, auch wenn Timon Radicke dem Oberbürgermeister einige Fehler wie zum Beispiel die Maskenlieferung an China im Februar vorhielt. Die Unterfinanzierung der Stadt werde nun so richtig sichtbar, befand Daniel Kleibömer und forderte wie Pascal Krüger mehr Geld vom Bund.

Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda zog eine positive Bilanz seiner bisherigen Amtszeit.
Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda zog eine positive Bilanz seiner bisherigen Amtszeit. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Die Innenstädte

Als „Attraktivitätsachsen“ bezeichnete der OB die beiden Innenstädte: Für Herne gelte das bereits jetzt, für Wanne arbeitet die Stadt mit Hochdruck daran. Bei seinem Amtsantritt habe er im ARD-Morgenmagazin den Leerstand in Herne erklären müssen, so Dudda, jetzt habe er in den Heute-Nachrichten darüber gesprochen, warum die Fußgängerzone so erfolgreich sei. Timon Radicke stellte fest, dass die Innenstädte der 1990-er Jahre Geschichte seien. Die Entwicklung werde durch Corona nun beschleunigt. Herne müsse dies auch als Chance sehen und als „digitale Einkaufsstadt“ sowie durch eine Vernetzung von Einzelhändlern dagegen halten. Bloch fehlte die Fantasie, wie man in der Wanner Innenstadt Herner Verhältnisse bekommen könnte. Er setze für Wanne auf private Investoren und die Kreativwirtschaft, Kleibömer dagegen auf „Wohnen in der Innenstadt“ als strategisches Ziel.

Die Zuschauerfragen

Bei den von Tanita Neukum (Radio Herne) in den Flottmann-Hallen präsentierten Zuschauerfragen tat sich ein breites Spektrum auf – vom Klimaschutz und der Jagdverordnung über die hohe Krebsrate und die Veröffentlichung von Coronatest-Zahlen bis hin zur Frage, warum eigentlich kaum Migranten auf den Kandidatenlisten der Parteien stünden.

Ganz konkret machte es die Klasse 10.1 der Gesamtschule Mont-Cenis: Sie wünschten sich mehr Mülleimer zum Beispiel an der Akademie Mont-Cenis sowie Desinfektionsmittel an der Schule. Ansage von OB Frank Dudda: Die Desinfektionsmittel kämen am Mittwoch, die Mülleimer am Donnerstag.

Sauberkeit und Sicherheit

Sauberkeit bleibe „Daueraufgabe“, sagte Frank Dudda. Er berichtete über beachtliche Fortschritte in seiner Amtszeit, verwies aber auch auf die Eigenverantwortung der Bürger. Kontrovers wurde es beim Thema Sicherheit. „Wir haben Angst“ - das sagten ihm Bürger immer wieder, so Radicke. Er forderte unter anderem eine Bündelung der Kräfte, punktuelle Videoüberwachung und einen Ordnungsdezernenten. Krüger und Kleibömer warfen der CDU vor, dieses Thema für den Wahlkampf auszuschlachten.

Pascal Krüger  (Grüne) warf der CDU vor, das Thema Sicherheit für den Wahlkampf auszuschlachten.
Pascal Krüger (Grüne) warf der CDU vor, das Thema Sicherheit für den Wahlkampf auszuschlachten. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Klimaschutz

Die Stadt sei beim Klimaschutz nicht auf dem richtigen Weg, kritisierte Grünen-Politiker Pascal Krüger. Es würden zu viele Bäume gefällt und zu viele Flächen versieget. Außerdem werde das Potenzial für erneuerbare Energien nicht genutzt. Dem widersprach der OB vehement, räumte aber ein, dass Herne bisher „nicht alle Ziele“ erreicht habe. Nach Einschätzung von Radicke und Bloch ist der Klimaschutz in Herne grundsätzlich angekommen. Frank Dudda hielt ein flammendes Plädoyer für eine Internationale Technologiewelt (ITW) auf der Zechenbrache General Blumenthal, die „atemberaubende Entwicklungen“ auch für den Klimaschutz versprächen. Für einen Stadtwald auf dem Blumenthal-Areal sprach sich nur Daniel Kleibömer aus. Er schränkte aber ein, dass dieser Wald sich letztlich wohl ebenso wenig realisieren lasse wie „die andere Maximalforderung“ ITW.

Bei mehreren Themen auf einer Wellenlänge: die OB-Kandidaten Timon Radicke (li.) und Thomas Bloch (FDP).
Bei mehreren Themen auf einer Wellenlänge: die OB-Kandidaten Timon Radicke (li.) und Thomas Bloch (FDP). © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Mobilität

Einen Mittelweg, der alle Verkehrsteilnehmer einbeziehe und nicht zur Spaltung führe – das forderten Timon Radicke und Thomas Bloch. „Der Verkehr muss fließen“, sagte der CDU-Politiker. Daniel Kleibömer und Pascal Krüger geißelten dagegen die bisherige Verkehrsplanung in Herne, die sich vor allem um diese Frage drehe: „Was braucht das Auto?“ Der Grüne wünschte sich eine ruhrgebietsweite Mobilitätsplanung „aus einem Guss“. Einen anderen Ansatz wählte der OB: „Mobilität ist ein Thema im Fluss, muss aber mit Technologie und Freude gedacht werden.“ Das habe Herne bisher gut umgesetzt durch Projekte wie E-Scooter oder Lastenfahrräder, so Dudda. Und: Die E-Mobilität habe entscheidend zur Stärkung des Radverkehrs beigetragen. Wichtig sei zudem die Vernetzung aller Verkehrsarten.

Die Schlussrunde

Und wen würden die OB-Kandidaten nun im Falle ihrer Wahl aus der Runde als Büroleiter mit ins Rathaus nehmen? Frank Dudda wird zwar für Sonntag als hoher Favorit gehandelt, hätte aber im Falle einer Niederlage trotzdem im Rathaus eine Jobperspektive: Gleich drei Konkurrenten würden ihn als ihren persönlichen Büroleiter einstellen. Daniel Kleibömer begründete das so: „Er hat Ahnung von Verwaltung und könnte meine Vorstellungen gut umsetzen.“

Er würde als neuer OB den bisherigen Amtsinhaber Frank Dudda als Büroleiter verpflichten: Daniel Kleibömer (Linke).
Er würde als neuer OB den bisherigen Amtsinhaber Frank Dudda als Büroleiter verpflichten: Daniel Kleibömer (Linke). © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

OB-Kandidaten im O-Ton

  • „Am Sonntag wird nicht der Polizeipräsident gewählt, sondern der Oberbürgermeister.“ Frank Dudda rückt die Zuständigkeiten in der Debatte über Sicherheit zurecht
  • „Herne ist beim Klimaschutz im Winterschlaf. Ich lasse Ihnen das nicht durchgehen, dass Sie sagen: Ich bin der große Klimamanager.“ Pascal Krügers Angriff auf den OB (und Rot-Schwarz)
  • „Nur weil Frank Dudda ständig mit Schüppen auf Fotos zu sehen ist, heißt das ja nicht, dass wir die ganze Stadt zupflastern.“ Timon Radicke wehrt sich gegen den Vorwurf, dass Rot-Schwarz in Herne nur Flächen versiegele keinen Klimaschutz betreibe
  • „Große Krisen gehen meistens zu Lasten der Menschen, die wenig Geld haben. Das ist auch in Herne so.“ Daniel Kleibömer über die Verlierer der Pandemie
  • „Mir ist ein Oberbürgermeister lieber, der zehn Projekte anstößt und fünf über die Ziellinie bringt, als einer, der gar nichts anstößt.“ Thomas Bloch lobt Frank Dudda

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Podiumsdiskussion: Die Veranstaltung im Livestream zum Nachschauen - Video 1:

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Podiumsdiskussion: Die Veranstaltung im Livestream zum Nachschauen - Video 2:

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