Herne. In Herne treten am 13. September fünf OB-Kandidaten an, darunter Timon Radicke (CDU). Das hat der 34-Jährige im Fall seiner Wahl vor.
In Herne treten am 13. September fünf OB-Kandidaten an. Im Vorfeld trifft sich die WAZ mit ihnen zum Interview. Heute: Timon Radicke (CDU).
Für dieses Interview wollten Sie sich mit der WAZ auf dem neuen Pflege-Campus der St. Elisabeth-Gruppe in Börnig treffen. Warum?
Weil der Campus, wie wenig anderes in der Stadt, signalisiert, was wichtig ist: dass wir Player in der Stadt haben, die nicht nur ausbauen, sondern auch die Stadt nach vorne bringen wollen. Es ist großartig, was auf dem Campus passiert. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch der Unterschied der CDU zu vielen anderen Parteien: Wir wollen in erster Linie privatwirtschaftliches Engagement wie dieses in der Stadt fördern, statt dass immer die Kommune vorangeht.
Sie sind selbstbewusst und mit Elan für die CDU angetreten, um Oberbürgermeister Frank Dudda abzulösen. Hat die Corona-Krise Sie ausgebremst?
Alle Parteien haben sich sicherlich einen anderen Wahlkampf vorgestellt, etwa mit einem viel persönlicheren Austausch mit den Wählern. Nein, die Corona-Krise hat mich eher bestärkt, dass meine Themen die richtigen sind.
Bevor wir zu den Themen kommen: Gemeint war, dass OB Frank Dudda in der Corona-Krise allgegenwärtig ist und als Krisenmanager auftreten kann. Da rücken die anderen Kandidaten in den Schatten.
That’s the way it is. Wäre ich jetzt Oberbürgermeister, dann wäre ich verstärkt im Fokus. Ich würde aber im Wahlkampf anders auftreten.
Wollen Sie andeuten, dass Frank Dudda in seiner Funktion als Oberbürgermeister Wahlkampf für sich macht?
Wir von der CDU greifen im Wahlkampf nicht auf unseren CDU-Dezernenten Frank Burbulla zurück. Es ist richtig, dass dieser sagt, dass er während einer Sperrfrist von sechs Wochen vor der Wahl nicht für Veranstaltungen zur Verfügung steht. Da erwarte ich auch von einem Oberbürgermeister, dass er sich sechs Wochen vor der Wahl zurück hält. Das wäre mein Verständnis von Fairness allen anderen Kandidaten gegenüber. Er hat sich da genauso zurückzunehmen, wie er es von seinen städtischen Mitarbeitern erwartet und nicht das Stadtmagazin und städtische Mitarbeiter zu nutzen, um für sich zu werben. Ich hätte das anders gemacht: Ich hätte den Bürgern gesagt, dass ich sechs Wochen vor der Wahl Kandidat bin und Eröffnungen und Begutachtung von Baufortschritten entweder delegiere oder verschiebe.
Wie waren die letzten fünf Jahre unter OB Frank Dudda?
Das würde ich nicht personalisieren. Wir hatten ja nicht nur Jahre unter Frank Dudda, sondern Jahre mit einer sehr stabilen Ratskooperation. Die letzten Jahre waren so gut für Herne, weil erstmals die CDU mitentschieden hat. Viele Projekte, die der Oberbürgermeister als Erfolg für sich verkauft, sind Entscheidungen, die im Rat der Stadt mit breiter Mehrheit getroffen wurden. Gerade auch von CDU und SPD, die zusammen viel für die Stadt bewegt haben, fern von jedem Scharmützel. Unter Rot-Grün war das noch anders: Da war Krach vorprogrammiert.
Die FDP sieht das offenbar anders. Im Wahlprogramm der Liberalen steht, dass die CDU in der Ratskoalition mit der SPD zu sehr „kuschelt“.
Das gehört zum Wahlkampf dazu. Und machen wir uns nichts vor: In der SPD wird gesagt, dass sich die SPD zu sehr der CDU anpasse, in der CDU wird gesagt, dass sich die CDU zu sehr der SPD anpasse. Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte. Und: Es gibt bei Projekten auch mal Streit zwischen SPD und CDU. Das ist auch wichtig. Die Aussage der FDP zeigt, dass dieser Streit aber nicht nach außen gedrungen ist.
Kommen wir zu Ihren Themen. Was steht da im Vordergrund?
Drei Punkte liegen mir ganz besonders am Herzen. Als erstes: Sicherheit. Wir müssen die objektive Sicherheit in der Stadt erhöhen, die laut Statistik schon mal nicht schlecht ist, und wir müssen das subjektive Sicherheitsgefühl stärken. Dazu gehört der Ausbau der Doppelstreifen von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst sowie die Einrichtung eines Ordnungsdezernats und eines Ausschusses für öffentliche Sicherheit und Ordnung. Zweitens: Bildung. Auf diesem Gebiet hat die Stadt geschlafen. In den letzten Jahren wurde so getan, als wenn man Digitalisierung irgendwann mal machen kann. Corona hat gezeigt, dass Digitalisierung schon längst hätte angepackt werden müssen. Schulen müssen nun schnell modernisiert und digitalisiert werden. Und drittens: das Leben in der Stadt der Zukunft. Wir müssen schauen, wie wir in fünf bis zehn Jahren durch Digitalisierung und Automatisierung leben. Da sprechen wir über die Themen Wohnen, Raum, Wassernutzung und Mobilität. Was Letztere angeht: Da sind wir tatsächlich die einzige Partei, die für den Ausgleich der Verkehrsteilnehmer steht. Wir machen keine Klientelpolitik pro Radfahrer, pro Auto oder pro ÖPNV. Unser Ziel ist es, die Interessen der Verkehrsteilnehmer mit Respekt voreinander auszusöhnen.
Ist es ein Plus- oder Minuspunkt für die CDU, dass sie in Corona-Zeiten die NRW-Landesregierung führt?
Seit 2017 CDU-Kreisvorsitzender
Timon Radicke ist 34 Jahre alt und Lehrer für Deutsch und Englisch am Mulvany-Berufskolleg. Sein Abitur legte er am Haranni-Gymnasium ab und machte eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann. Anschließend studierte er an der Ruhr-Universität auf Lehramt. Radicke ist verheiratet und hat einen Sohn, seine Hobby sind Freeletics, Laufen, Kochen und Play-Station spielen (vor allem Fifa).
Politische Laufbahn: Eintritt in die Junge Union 2003, in die CDU 2005, von 2010 bis 2017 Vorsitzender im Stadtbezirk Herne-Mitte, 2014 bis 2016 Vorsitzender im Ortsverband Herne-Zentrum, 2010 bis 2017 erst Schriftführer der Europaabgeordneten Renate Sommer, dann stellvertretender Vorsitzender des CDU-Kreisverbands. Seit 2017 ist er CDU-Kreisvorsitzender in Herne.
Wer gestalten will, muss Verantwortung tragen. Die haben wir, und wir gestalten. Erst im Rückblick, in ein bis zwei Jahren, werden wir sehen können, welche Entscheidungen gut waren und welche hätten besser sein können. Ich selbst habe in der Krise lieber den Steuerknüppel in der Hand als ihn jemandem zu überlassen.
Was würden Sie in den ersten 100 Tagen anpacken?
Ich würde gemeinsam mit dem NRW-Innenministerium prüfen, ob für das Shoah-Mahnmal und die Bahnhöfe eine Videoüberwachung möglich ist. Wir haben beim Shoah-Mahnmal Summen für einen Schutz ausgegeben, der schon ein Kunstwerk für sich ist. So gab es zuletzt also einen Anschlag auf das Kunstwerk, das ein Kunstwerk schützen soll.
Davon mal abgesehen, dass die Schutzvorrichtung noch nicht mal funktioniert.
Richtig. Das Ganze ist ein Trauerspiel. Als zweites würde ich eine Initiative starten gegen die krasse Vermüllung in der Stadt.
Das hat doch OB Frank Dudda mit „Herne blitzblank“ schon gemacht.
Das war gut, aber die besten Kampagnen helfen nicht, wenn es Menschen egal ist, dass sie Müll hinterlassen. Wir müssen auf Prävention setzen, brauchen also eine viel stärkere Verzahnung von Bildungseinrichtungen und Entsorgung Herne. Ich stelle mir etwa vor, dass Schulklassen zu Entsorgungshöfen gehen und Müllkreisläufe kennen lernen. Außerdem müssen Menschen tatsächlich dafür sanktioniert werden, wenn sie zum Beispiel am Rhein-Herne-Kanal Müll einfach wegschmeißen. Das muss dann Geld kosten und wehtun.
Wenn Sie doch nicht zum Oberbürgermeister gewählt werden sollten: Greifen Sie dann im Rat, für den Sie auch kandidieren, zum Fraktionsvorsitz?
Ergreifen ist nicht das richtige Wort. Mit der aktuellen Fraktionsvorsitzenden Bettina Szelag bin ich einig darüber, dass der Fraktionsvorsitz in die Hände desjenigen gelegt werden soll, der das Wahlprogramm maßgeblich mitgestaltet und die Themen im Oberbürgermeister-Wahlkampf gesetzt hat, denn der setzt sie im Rat dann um. Insofern sind wir uns einig, dass ich mich nach der Kommunalwahl der neu gewählten Fraktion als Fraktionsvorsitzender zur Wahl stellen würde.
Entweder/Oder
Fernsehen oder Streaming?
Streaming. Ich habe Netflix und Sky für Sport. Die letzte Serie, die ich in einem durchgezogen habe, war zuletzt „Peaky Blinders“.
Nordsee oder Cote d’Azur?
Nordsee. Das liegt in meiner Biographie: Ich bin ein Nordseekind, weil ich mit meinen Eltern 20 Jahre lang an die Nordsee gefahren bin. Meine Großeltern hatten ein Ferienhaus in Zeeland in der Nähe von Renesse.
Bier oder Wein?
Abhängig von der Tagesform, eher aber Wein. Abhängig von der Jahreszeit Rot-, Rose- oder Weißwein.
Schalke oder BVB?
Schwarz-Gelb! Wenn wir mit Zuschauern spielen, landet der BVB in der kommenden Saison auf Platz eins bis drei, sonst zwischen Platz drei und fünf.
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