Herne. Daniel Kleibömer (Linke) will Oberbürgermeister in Herne werden. Im Interview sagt der 61-Jährige, was er anders machen will als OB Frank Dudda.
Bei den Kommunalwahlen am 13. September wird auch der Oberbürgermeister gewählt. In Herne treten fünf OB-Kandidaten an. Im Vorfeld trifft sich die WAZ mit den Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge an einem Ort ihrer Wahl zum Interview. Heute: Daniel Kleibömer (Linke).
Für dieses Interview haben Sie sich als Treffpunkt die Realschule an der Burg in Eickel ausgesucht. Warum?
Die Realschule hat eine große Bedeutung für mich. Ich bin ein Glückskind: Ich bin vom Gymnasium Eickel geflogen, weil ich zweimal sitzen geblieben bin, und die Realschule an der Burg hat mich aufgenommen, obwohl ich nicht mehr schulpflichtig war. Nur deshalb hatte ich die Chance, später auf ein Bochumer Gymnasium zu wechseln und doch noch Abitur zu machen. Ohne diese Chance würde ich heute hier nicht stehen.
Sie stehen hier als OB-Kandidat, aber auch als Geschäftsführer der Linken-Ratsfraktion – und da sind Sie „nur“ in der zweiten Reihe. Warum kandidieren Sie nicht mal für den Rat?
Ich sehe mich eher als Menschen, der Verwaltungsaufgaben übernimmt: der Akten studiert, Recherchen macht und Ideen entwickelt. Das war auch in meinem Berufsleben meistens so. Ich kandidiere auch deshalb als Oberbürgermeister, weil ein Oberbürgermeister einen hohen Grad an Verwaltungsaufgaben zu bewältigen hat und weniger Parteipolitik machen sollte.
2015 hatten die Linken keinen OB-Kandidaten. Damals wurde der Grüne Thomas Reinke von mehreren Parteien unterstützt, auch von den Linken. Warum diesmal nicht?
Die Chancen zu gewinnen, wären natürlich größer. Man hätte aber einen Kandidaten finden müssen, der nicht parteigebunden ist. Im Gegensatz zu 2015 finden neben den OB- nun schließlich auch die Ratswahlen statt.
OB Frank Dudda erhält viel Lob für seine Arbeit. Zurecht?
Nein. Herr Dudda stößt viel an, aber dabei bleibt es dann auch. Ergebnisse sind nicht immer zu sehen. Was mich am meisten stört, ist, dass er keine Politik für alle Hernerinnen und Herner macht. Er macht sich für Gutsituierte, Besserverdienende stark, sie will er auch verstärkt nach Herne holen. Herne besteht aber auch aus armen Menschen. Die muss man genauso ernst nehmen, und für sie muss man sich genauso einsetzen. Das sehe ich bei Herrn Dudda nicht. Außerdem macht er viel zu viel Parteipolitik als Oberbürgermeister.
Was würden Sie als Oberbürgermeister besser machen?
Zunächst würde ich meine Parteimitgliedschaft ruhen lassen, um auch öffentlich meine Unabhängigkeit zu demonstrieren. Außerdem würde ich die Verwaltung weiter öffnen, auch für Bürgerbeteiligungen. Und ich würde die Fachverwaltung stärken. Es gibt dort eine hohe Zahl an qualifizierten Mitarbeitern, deshalb würde ich nicht diverse Stäbe einrichten, wie der OB das macht. Das halte ich für eine Schwäche.
Was sind die wichtigsten Herausforderungen in Herne?
Die wichtigste Herausforderung auch in Herne ist der Klimaschutz. Den sicherzustellen, das geht natürlich nur in Verbindung mit der sozialen Frage. Auch muss die Armut, die in Herne sehr groß ist, bekämpft werden. Sie wird wegen der Corona-Pandemie noch größer. Diese Menschen müssen ernst genommen werden, ihr Selbstbewusstsein muss gestärkt werden. Das ist für mich die größte Herausforderung.
Wie könnte das gehen?
Man könnte im Rathaus neutrale Anlaufstellen einrichten, außerdem eine unabhängige Schiedsstelle im Jobcenter. Auch Migranten sollten sich an eine unabhängige Stelle wenden können. Ein weiterer Baustein wären mehr Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Es muss mehr Bereiche geben, in denen sie mitbestimmen können – und zwar wirklich mitbestimmen.
Die Linken haben neben der AfD im Rat als einzige Parteien die Pläne des Oberbürgermeisters zum Bau einer Internationalen Technologiewelt auf der Zechenbrache General Blumenthal abgelehnt. Warum?
Zwei Gründe: erstens wegen des Klimaschutzes. Die Bebauung der letzten Flächen, die wir aufforsten könnten, um die Luftqualität zu verbessern, wäre kontraproduktiv. Ich bin deshalb für einen Stadtwald auf der Fläche, wobei mir auch klar ist, dass ein reiner Stadtwald, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, schwierig umzusetzen ist. Wahrscheinlich werden auch einzelne Bereiche für Naherholung geöffnet werden müssen. Außerdem ist die Internationale Technologiewelt ein Konzept von gestern, sie ist heute nicht mehr zukunftsfähig. Die Politik der Leuchtturmprojekte ist vorbei. Die vielen Gewerbe-Flächen, die in der Technologiewelt angeboten werden sollen, brauchen wir nicht mehr. Das zeigt uns die Corona-Krise. Homeoffice wird gestärkt, Flächen für Mitarbeiter werden immer weniger gebraucht. Im Übrigen: Die großen Glashüllen, die entstehen sollen, sind viel zu teuer im Unterhalt und nicht gut fürs Klima.
Im Bund wird über Rot-Rot-Grün diskutiert. Wäre das auch eine Option für eine Ratskoalition?
Ja, natürlich. Trotz aller Kritik am Oberbürgermeister und an der SPD: Wenn man eine gesellschaftliche Veränderung möchte, geht das nur mit den Parteien, die eine soziale Agenda haben. Dass CDU und FDP nicht Sozialpolitik in unserem Sinne machen, ist klar. SPD und Grüne schon eher, wobei das die SPD heute besser macht als die Grünen.
Warum stehen Sie auf Platz eins der Linke-Liste für den Integrationsrat? Haben die Linken keinen Kandidaten mit Migrationshintergrund gefunden oder war das eine bewusste Entscheidung?
Mitglied in Ausschüssen und Bezirksvertretungen
Daniel Kleibömer ist 61 Jahre alt, ledig und hat zwei Kinder. Eine Berufsausbildung hat er nicht abgeschlossen, sein Beruf ist pädagogischer Mitarbeiter. Seite 2010 ist er Fraktionsgeschäftsführer der Linken.
Bis 1999 war Kleibömer parteilos, von 1999 bis 2000 Mitglied der Grünen. Seite 2007 ist er Mitglied der Linken. Seit 1984 ist er kommunalpolitisch tätig in Fachausschüssen der Stadt Herne (Kultur-und Bildungsausschuss, Jugendhilfeausschuss, Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung, Sozialausschuss) sowie in Bezirksvertretungen erst als Vertreter der Grünen, dann des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands und der Linken.
Kleibömer war Kulturförderpreisträger für junge Künstler der Stadt Herne 1987, Mitorganisator diverser Kultur-und Kunstevents Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre und bis 2004 pädagogischer Leiter von Projekten für Kinder- und Anwohnerbeteiligung bei diversen Bauprojekten und in der Stadtplanung.
Das war eine bewusste Entscheidung. Wir sind eigentlich gegen den Integrationsrat. Stattdessen sind wir dafür, dass alle Menschen, die mindestens drei Monate in Herne wohnen, wählen dürfen. Da es aber nun nur die Möglichkeit der Beteiligung durch den Integrationsrat gibt, muss er trotzdem genutzt werden. Um zu verdeutlichen, dass wir Integration für ein wichtiges Thema halten, haben wir uns aber entschieden, dass ich auch als OB-Kandidat dafür kandidiere. Aus dem Integrationsrat heraus kann ich dann Druck machen an die Bundes- und Landespolitiker, sich für ein kommunales Wahlrecht nach drei Monaten Aufenthalt einzusetzen.
Entweder/Oder
Fernsehen oder Streaming?
Fernsehen. Vornehmlich Phoenix und Arte. Ich war aber auch ein „Lindenstraße“-Fan und schaue gerne „Tatort“ – und die Daily-Soap „Rote Rosen“ (lacht).
Nordsee oder Cote d’Azur?
Nordsee. Ich mag keine Hitze.
Bier oder Wein?
Bier. Als Borussia-Dortmund-Fan darf ich aber nicht laut sagen, dass ich Veltins trinke.
BVB: Meister oder Vizemeister 2021?
Meister. Hier ist meine Lieblingstabelle für die 1. Bundesliga: 1. BVB, 2. Schalke 04, 3. VfL Bochum, 4. St. Pauli, 5. Union Berlin, 6. Westfalia Herne, 7. DSC Wanne-Eickel, 8. Schwarze Pumpe Bickern. Und auf Platz 18: Bayern München.
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