Herne. Die Bürgerinitiative Stadtwald in Herne lehnt eine Technologiewelt auf General Blumenthal ab. Sie fordert eine klimasichere Stadt – mit Wald.

Die „Bürgerinitiative Stadtwald“ kämpft für einen Wald auf der 30 Hektar großen Zechenbrache General Blumenthal in Wanne-Eickel. Die WAZ sprach mit Sprecher Heinrich Kill über die Ideen der Bürgerinitiative und die Pläne von Oberbürgermeister Frank Dudda, der auf Blumenthal eine „Internationale Technologiewelt“ bauen lassen will.

Wie lange gibt es Ihre Bürgerinitiative jetzt überhaupt noch?

So lange, bis der Stadtwald da ist!

Sie haben ihn noch nicht abgeschrieben? Die Pläne für die „Internationale Technologiewelt“, die der OB im Januar vorgestellt hat, werden überall gefeiert.

Das erleben wir völlig anders. Viele Menschen kommen zu uns und sagen, dass die Technologiewelt überhaupt nicht auf dieses Gelände passt. Und der Zulauf zu unserer Initiative und unser Engagement sind nach der Präsentation der Pläne durch den Oberbürgermeister sogar noch größer geworden.

Die 30 Hektar große Brache des ehemaligen Zechenstandorts General Blumenthal soll entwickelt werden.
Die 30 Hektar große Brache des ehemaligen Zechenstandorts General Blumenthal soll entwickelt werden. © www.blossey.eu | Hans Blossey


Was gefällt Ihnen an der Internationalen Technologiewelt nicht?

Mir gefällt gar nichts daran. Das geplante große Glashaus, die „Tech Hall“ etwa widerspricht jedem menschlichen Maß. Der Mensch wird sich darin nicht wohlfühlen und es nicht annehmen. Das gleiche gilt für das Hochhaus, den Multi-Turm oder die Passerelle. Außerdem basieren die Pläne auf Individualverkehr: 1500 Menschen sollen dort arbeiten – die meisten kämen mit dem Pkw. Die Verkehrssituation im Umkreis würde zunehmend schlechter, und die CO2-Belastung würde steigen.

Also Stadtwald oder gar nichts?

Nein, der Stadtwald ist aber das Optimum, das wir erreichen wollen. Wir brauchen für die Stadt eine Vision, wie sie einmal aussehen soll. Eine Vision, die auch trägt und die Bürger mit einbezieht. Eine autofreie, emissionsarme, grünere und vor allem klimasichere Stadt, in der man sich wohlfühlt – da liegt die große Chance der Stadt Herne. Das muss die Stadtplanung aufgreifen. Das passiert hier aber nicht. Im Gegenteil: Überall in Herne wird nur herumgestückelt. Und die Pläne für General Blumenthal werden einfach aufs Gelände gesetzt, passen da aber nicht drauf und zerstören schon jetzt die positiven Klima-Eigenschaften des Geländes.

Welche sind das?

Die Klimaanalyse und die Klimakarte der Stadt Herne zeigen, dass es in Herne im Sommer immer heißer wird. Schon jetzt aber hat das Gelände General Blumenthal klimatisch positive Einflüsse auf die Stadt – fast so sehr wie der Gysenberg. Es kühlt die Stadt, durchlüftet sie und sorgt für neuen Sauerstoff. Gerade mal Dachbegrünung ist in den Plänen des Oberbürgermeisters angedacht. Das reicht aber hinten und vorne nicht. Außerdem haben wir in der Stadt keine anderen Flächen für Ersatzbepflanzungen, und rings um Blumenthal herrscht dichteste Bebauung. Das alles findet in den Plänen überhaupt keine Berücksichtigung. Warum setzt sich die Stadt also nicht an die Spitze der Klima-Bewegung und baut eine klimasichere Stadt? Die Menschen hier leben unter schlechteren Lebensbedingungen als woanders. Auch, weil Naherholung etwa in Wanne-Eickel gar nicht möglich ist. Da hilft kein Turm, den man einfach aufs Gelände setzt. Die Menschen haben ein Recht auf Gesundheit.

Sie sagen, Wald wäre das Optimum, das Sie erreichen wollen. Zu welchen Kompromissen wären Sie bereit?hier gibt es mehr artikel aus herne und wanne-eickel


Zuerst einmal sollte die Stadt sollte ein Planungsbüro damit beauftragen, das Gelände zu überplanen – mit der Prämisse, dass Wald der Hauptbestandteil ist. Wenn die Stadt den Wald dann noch an Grün in der Umgebung anbindet, um den Wald herum soziale Einrichtungen ansiedelt, außerdem Kitas und vielleicht eine Schule sowie ein Café baut, dann wäre das eine gute Sache.

Die Stadt argumentiert, dass Herne dringend Arbeitsplätze braucht. 1500 Jobs will sie in der Technologiewelt schaffen. Sind Ihnen Arbeitsplätze egal?

Das Argument mit den Arbeitslosen wird gerne genommen. Wir sind aber nicht diejenigen, die gerne durch den Wald spazieren gehen und dafür die Menschen im Elend leben lassen wollen. Fakt ist: Herne hat eine relativ hohe Arbeitslosigkeit – hauptsächlich sind das Dauerarbeitslose. In der Technologiewelt, wie der Oberbürgermeister sie sich vorstellt, wird es für sie aber keine Jobs geben. Gesucht würden dort vielmehr Mitarbeiter in Forschung und Wissenschaft. Und überhaupt: Den Zusammenhang zwischen den geplanten Bauten und der Zahl von 1500 Arbeitsplätzen hat mir noch keiner erklären können.

Oberbürgermeister Frank Dudda fühlte sich Mitgliedern  der Bürgerinitiative Stadtwald bei seiner Rede nach der Fridays-for-Future-Demo im Juni 2019 angegriffen.
Oberbürgermeister Frank Dudda fühlte sich Mitgliedern der Bürgerinitiative Stadtwald bei seiner Rede nach der Fridays-for-Future-Demo im Juni 2019 angegriffen. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener


Wie wollen Sie für den Stadtwald kämpfen?

Entschieden ist ja noch nichts! Bislang gibt es nur ein paar Ideen und Bilderchen vom OB. Das ist aber auch das Gefährliche: Ich befürchte, dass die Stadt das Gelände scheibchenweise bebauen lassen will, angefangen mit Stadler. Das wollen wir unbedingt verhindern. Wir wollen Aktionen starten und immer mehr Menschen informieren, vor allem auch über unsere eigenen Pläne. Und wir wollen den Stadtwald zum Thema vor den Kommunalwahlen machen. Schön wäre etwa auch eine Podiumsdiskussion mit dem Oberbürgermeister über das Thema Blumenthal.

Apropos Oberbürgermeister. Wie ist das Verhältnis Ihrer Bürgerinitiative zu dem OB, nach seinen Vorwürfen, Sie hätten seine Rede nach der Fridays for Future-Demo im vergangenen Jahr gestört?

Das haben wir gar nicht getan. Das muss ein Missverständnis gewesen sein. Der Oberbürgermeister ist immer sehr freundlich zu uns. Er hat uns eingeladen und uns zugesagt, zu einem weiteren Gespräch zusammenzukommen, sobald klar sei, was er dort plant. Das ist noch nicht passiert. Wir warten darauf, dass er sein Wort umsetzt.

Wie groß sehen Sie Ihre Chancen, dass Sie sich mit Ihren Plänen gegen die des Oberbürgermeisters durchsetzen können?

Ich halte es wie die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer und sage: Ich bin „Possibilist“ und halte es für möglich. Wer weiß, wie die Kommunalwahlen ausgehen. Wenn SPD und CDU Stimmen verlieren und die Rechten nicht gewinnen, dann könnten unsere Chancen weiter steigen.