Herne. Architekt Wolfgang Krenz hat die Vision der Internationalen Technologiewelt Herne für General Blumenthal entwickelt. Die WAZ sprach mit ihm.
Vor etwas mehr als drei Wochen hat die Stadt ihre Vision für die Zukunft der Zechenbrache General Blumenthal vorgestellt. Dort soll innerhalb des nächsten Jahrzehnts die Internationale Technologiewelt Herne entstehen. Die Projektidee entwickelte der Bochumer Architekt Professor Wolfgang Krenz. Im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann erläutert er, wie er sich dem Gelände genähert hat und welches Potenzial für ihn in dem Projekt steckt.
Herr Krenz, ganz zu Anfang die Frage: Wie haben Sie überhaupt von dem Grundstück erfahren?
Ich war auf Einladung beim Chef der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Herne, bei Holger Stoye, und habe mit ihm über Stadtentwicklung gesprochen. Auf dem riesigen Luftbild von Herne in seinem Büro ist mir diese Brache aufgefallen. Die Potenziale dieses innerstädtischen Geländes und die damit verbundene Chance für die ganze Stadt waren mir sofort bewusst.
Gab es irgendwelche Vorgaben von der Stadt?
Nein, die Idee der Internationalen Technologiewelt stammt grundsätzlich von uns, man hat uns freie Hand gelassen. Das Konzept ist in Kenntnis der vorliegenden Machbarkeitsstudie und in enger Zusammenarbeit mit Oberbürgermeister Frank Dudda, dem Fachbereich für Umwelt und Stadtplanung und Herrn Stoye entwickelt worden.
Haben Sie schon mal eine derart große Fläche mit 31 Hektar zur Verfügung gehabt, um eine Idee dafür zu entwickeln?
Ja, nach über 40 Jahren Projektentwicklungserfahrung sind 31 Hektar eine durchaus gewohnte Größenordnung. Die Revitalisierung von Industriebrachen ist schon lange mein Thema. Als Professor an der Hochschule Bochum und am Europäischen Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Bochum habe ich mit meinen Studierenden einige Konzepte für die Revitalisierung von nationalen und internationale Industriebrachen entwickelt. Wichtig bei solchen Projekten ist ein ganzheitliches Konzept. Die Internationale Technologiewelt Herne ist von uns städtebaulich, architektonisch, ökologisch und ökonomisch entwickelt worden. Man darf nicht vergessen, dass ein derartiges Projekt am Ende auch finanziell ein Erfolg sein muss.
Wie haben Sie sich konkret dem Gelände genähert?
Herne und die Region kenne ich bereits seit den 60er-Jahren. Mir ist also noch das alte, ursprüngliche Ruhrgebiet bekannt. Für die Weiterentwicklung eines Ortes ist das immer ein wichtiger Baustein. Um Neues entwickeln zu können, muss man sich der Vergangenheit bewusst sein und Respekt vor ihr haben. Unter diesem Eindruck war ich sehr oft vor Ort und habe das Gelände, das unmittelbare Umfeld, die Stadt und die Menschen kennengelernt. Für die Entwicklung eines Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsparks setzt man sich natürlich mit der vorhandenen städtebaulichen Struktur auseinander. Wie sind die Straßen- und Blickbeziehungen? Wie die Grünzüge? Wir wollen nichts implantieren. Mein Leitspruch ist: „Architektur ist Kommunikation, Kommunikation ist Architektur“. Wir wollen eine erlebbare Landschaft schaffen, die mit ihrer Umgebung kommuniziert und sich verzahnt, damit nicht bruchstückhafte Bauteile entstehen, die keinen Zusammenhang deutlich machen.
Forschung in Wanne-Süd? Passt das?
Ja, das passt. Wanne-Süd ist Teil der Metropole Ruhr, das Ruhrgebiet ist ein wirtschaftlich wichtiger Teil Deutschlands – und Deutschland Teil Europas, das Dank der Digitalisierung in allen Bereichen der Wertschöpfung immer näher zusammenrückt. Man muss global denken und das Ganze im Blick behalten, aber zum real Machbaren auch zurückfinden können.
Wie grün ist dieses Projekt?
Bereits vor 20 Jahren habe ich ein grünes Bürogebäude für 1000 Menschen für einen Kunden aus der Versicherungsbranche geplant und gebaut. Dieses Gebäude hat einen großen begrünten Dachgarten, auf dem Konferenzen, Pausen, sportliche Betätigungen und Arbeitsabläufe stattfinden. Diese Erfahrung nutze ich für die Internationale Technologiewelt in Herne. Bei meiner Architektur steht der Mensch immer im Mittelpunkt.
Das sagt wahrscheinlich jeder Architekt…
...das wäre wünschenswert, ja. Man muss es aber auch umsetzen können. Der Mensch verbringt einen Großteil seines Lebens am Arbeitsplatz, dieser sollte also auch Wohnqualität aufweisen, so dass aus beiden Komponenten Lebensqualität entsteht. Das bedeutet auch, in das Konzept aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen aufzunehmen, mit denen sich Arbeitnehmer beruflich und privat auseinandersetzen. Heute sind das zentrale Themen wie Klima- und Ressourcenschutz.
Über 40-jährige Laufbahn
Wolfgang Krenz (geb. 1943 in Celle) studierte an der TU Karlsruhe Architektur und blickt auf e ine über 40-jährige Laufbahn zurück.
So hatte er von 1993 bis 2010 eine Professur an der Hochschule Bochum. Er war Gründer und Initiator der „Blue Box Bochum“, einem internationalen Kompetenzzentrum für Architektur. An der EBZ Bochum hat er den Masterstudiengang „Projektentwicklung“ gegründet, entwickelt und lange geleitet. Neben verschiedenen Vortrags- und Gutachtertätigkeiten hat er zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten.
Zu seinen bekannten Projekten in der näheren Umgebung zählt unter anderem das Jahrhunderthaus in Bochum. Sein Architekturbüro Archwerk Generalplaner KG feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen in Bochum.
Aber es muss doch Grün weichen...
...bei der Planung weicht auf der Industriebrache auch Grün, ja. Im Rahmen unserer ökologischen und ökonomischen Erschließung der Fläche legen wir aber großen Wert darauf, möglichst viel neues und hochwertiges Grün anzubieten. Es ist zum Beispiel vorgesehen, die Dächer der Passerelle zu begrünen, um hier Urban Gardening zu ermöglichen. Wie gesagt: Für zeitgemäße Architekten ist es eine Verpflichtung, ökologisch zu denken.
Die BI Stadtwald beurteilt Ihre Pläne anders...
Die Argumentation der Bürgerinitiative erscheint mir zunächst zu theoretisch. Eigentlich denken wir gleich. Ich freue mich über jeden Baum, den ich planen und pflanzen kann, muss mich dabei jedoch realistisch zwischen ökologischen und ökonomischen Belangen bewegen.
Was heißt das konkret?
Dieses Grundstück ist eines der wichtigsten und kostbarsten in der Region. Wir müssen überlegen, wie die Menschen in Zukunft leben und arbeiten. Blumenthal kann ein Ort werden, an dem diese Zukunft sichtbar wird. Dafür müssen wir alle mutig sein. Ich bin überzeugt, dass das Projekt ein wichtiger Baustein für die Zukunft der Metropolregion Ruhr sein wird.
Kommen wir nochmal zur Kritik, die auch bei der Präsentation geäußert wurde: Manche Leute können sich ein Gebäude mit einem Durchmesser von 200 Metern nicht vorstellen, weil es ihnen zu monströs erscheint.
Letztendlich sind 200 Meter Durchmesser gar nicht so viel. Die Akademie Mont-Cenis hat eine Länge von rund 190 Metern und fügt sich hervorragend in ihr Umfeld ein. Bei diesem Projekt denken wir eine große transparente Hülle mit einem hellen Membrandach, das wie ein großer Sonnenschirm wirkt.
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Sie haben Jahrzehnte Erfahrung mit Projekten dieser Art. Wie viel wird denn nach Ihrer Erfahrung am Ende von den ersten Ideen auch umgesetzt?
Landschaft und Gebäudeteile sind bereits real gedacht und konzipiert. Ich glaube an diese Vision. Das waren nicht nur ein paar Bilder. Das gemeinsame Ziel mit der Stadt Herne und Oberbürgermeister Frank Dudda ist es, diese Kostbarkeit zu Ende zu denken und zu realisieren. Wir wollen in Herne, im geografischen Mittelpunkt der Metropole Ruhr, eine Marke entwickeln, die über die Grenzen Deutschlands hinaus Dynamik und Strahlkraft entwickelt. Das ist der Aufbruch in die Zukunft. Herne hat hier eine riesige Chance.