Herne. . Die Landesregierung will an weiterführenden Schulen das Fach Wirtschaft einführen. An Herner wird es schon unterrichtet, sagen Schulleiter.
Die Landesregierung will künftig an allen weiterführenden allgemeinbildenden Schulen das Thema Wirtschaft auf den Stundenplan setzen. Den Anfang sollen ab dem Schuljahr 2020/21 die Gymnasien machen. Das hatte am Montag NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) angekündigt. Doch eine Umfrage unter Herner Schulleitern offenbart: Wo die Landesregierung hin möchte, sind viele Schulen längst angekommen.
Am Gymnasium Eickel werde bereits das Fach Politik/Wirtschaft unterrichtet, teilt Schulleiterin Magdalene van Merwyk auf Anfrage der WAZ-Redaktion mit. Zurzeit seien die neuen Kernlehrpläne in der Vorbereitung, womöglich solle in Zukunft der Schwerpunkt auf ökonomische Bildung gelegt werden, so van Merwyk. Die Gefahr, dass der Unterricht demnächst „unternehmerfreundlich“ ausfällt und die Politik zu kurz kommt, sieht sie nicht. Politik und Wirtschaft seien schwer zu trennen, der Unterricht werde ausgewogen sein.
Blick auf Berufsorientierung
Nicole Nowak, Schulleiterin am Haranni-Gymnasium, weist darauf hin, dass an der ihrer Schule schon immer wirtschaftliche Schwerpunkte thematisiert worden seien. Dass, was die Landesregierung plane, setze man am Haranni womöglich schon um, so Nowak. Ihrer Meinung nach dürfe es nicht passieren, dass die Politik im Unterricht hinten rüber fällt.
Silke Reimann-Perez von der Mont-Cenis-Gesamtschule hält die Reform mit Blick auf ihre Schule für überflüssig. „Wir tragen der Bedeutung des Fachs Wirtschaft schon jetzt Rechnung“, sagt die Leiterin der Sodinger Schule. Von Klasse 5 bis 10 sei Wirtschaft neben Technik und Hauswirtschaft fester Bestandteil der „Arbeitslehre“. Und: gerade mit Blick auf die Berufsorientierung lege die Gesamtschule große Wert auf einen praktischen Bezug zur Wirtschaft – auch in anderen Fächern: So lernten die Schüler beispielsweise in Deutsch, eine Bewerbung zu schreiben.
Wirtschaft sei auch für die Hans-Tilkowski-Schule „ein alter Hut“, erklärt Schulleiter Lothar Heistermann. Schon jetzt werde ab Stufe 7 für jeweils mindestens eine Stunde das Fach gegeben - und zwar mit dem vom Ministerium gewünschten Praxisbezug: „Das reicht von Handyvertragsfallen über den Umgang mit Geld bis hin zur Berufsorientierung.“
Und auch Realschulen erwarten keine revolutionären Änderungen. Die bisher öffentlich transportierten Inhalte des neuen Fachs Wirtschaft entsprächen im Wesentlichen dem, „was schon immer gemacht wurde und wird“, erklärt Uwe Scholle, aktueller Sprecher der Herner Realschulen im Schulausschuss und früherer Leiter der Realschule Sodingen, auf Anfrage der WAZ.
Thomas Brechtken, Leiter des Mulvany-Berufskollegs für Wirtschaft und Verwaltung, steht den Plänen der Landesregierung positiv gegenüber. „Das Fach Wirtschaft kann für unsere Spezialität, den kaufmännischen Bereich, sensibilisieren. Da werden dann vielleicht Themen behandelt, auf die wir aufbauen können.“ Bislang sei es so, dass die Schüler mit fast gar keinen Wirtschaftskenntnissen zum Mulvany-Kolleg kommen.
Wirtschaftsdidaktiker hätten herausgefunden, dass fast 70 Prozent der Inhalte im Politik- und Sozialwissenschaftsunterricht bereits jetzt mit wirtschaftlichen Themen besetzt seien, konkretisiert GEW-Vorstand Carsten Piechnik die Kritik am der Landesregierung. Die Frage sei letztendlich, wo im Schulfach Wirtschaft die Schwerpunkte gesetzt werden: „Man könnte dort ja auch einmal analysieren, warum die Schere zwischen Superreichen und Armen immer größer wird.“