Herne. . Die drei Herner Gesamtschulen und die Hans-Tilkowski-Hauptschule müssen 86 Kinder aus Zuwandererfamilien aufnehmen. Es fehlen Räume und Lehrer.
„Wir haben keine Räume, wir haben keine Lehrer, wir haben große Sorgen“, fasste Carsten Piechnik, Lehrer der Erich-Fried-Gesamtschule, in der jüngsten Sitzung des Schulausschusses die Situation zusammen, mit der sich die drei Herner Gesamtschulen und die Hans-Tilkowski-Hauptschule nach den Sommerferien konfrontiert sehen.
Dann müssen diese beiden Schulformen 86 Kinder aus Zuwandererfamilien aufnehmen und integrieren, die nach dem Ende ihrer 24-monatigen Sprachförderung in speziellen Seiteneinsteigerklassen in Regelklassen der Sekundarstufe I wechseln (die WAZ berichtete). Diese Seiteneinsteigerklassen sind jedoch auch an Realschulen und Gymnasien angedockt; dort können die meisten der Kinder aber nicht bleiben, da das Land keine Möglichkeit für sie entwickelt hat, Abschlüsse an allen Schulformen zu erwerben.
Weitere Kinder wechseln
Hinzu kommt: Hauptschule und die Gesamtschulen müssen nach den Sommerferien noch weitere Kinder zusätzlich aufnehmen – die Hans-Tilkowski-Schule die 10. Jahrgangsstufe der dann aufgelösten Hauptschule Hölkeskampring; und beide Schulformen die Kinder, die nach der Erprobungsstufe von Realschulen und Gymnasien in die 6. und 7. Jahrgangsstufe wechseln. Wie viele das sein werden, ist noch offen.
Die Stadt sieht deshalb keine andere Möglichkeit, als zusätzliche Klassen zu bilden: eine an der Hans-Tilkowski-Hauptschule, eine an der Mont-Cenis-Gesamtschule, je zwei an der Erich-Fried-Gesamtschule und an der Gesamtschule Wanne-Eickel. Um die zusätzlichen Schüler überhaupt unterbringen zu können, werden mit Ausnahme der Mont-Cenis-Gesamtschule an allen anderen Container aufgestellt – wobei in der Sitzung bekannt wurde, dass sich deren Lieferung an der Erich-Fried-Gesamtschule und der Hans-Tilkowski-Schule noch bis einige Wochen nach Schulbeginn verzögern wird. Es seien Übergangslösungen abgesprochen, so Schuldezernentin Gudrun Thierhoff.
Situation macht Sorgen
Die Sorgen über die Situation standen dem Lehrer Carsten Piechnik und dem stellvertretenden Schulpflegschaftsvorsitzenden der Erich-Fried-Gesamtschule, Ulrich Ponsa, ins Gesicht geschrieben. „Es geht hier um Kinder“, betonte Piechnik, „Kinder, die zum Teil traumatisiert sind, Kinder, die die Sprache nicht richtig beherrschen, Kinder, die zum wiederholten Male aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden“. Sie müssten sich überdies in ein Umfeld einfügen, das auch aufgemischt werde: Im Sinne der Integration poche das Land darauf, so hieß es im Schulausschuss, die Seiteneinsteiger auf ihre altersentsprechenden Regelklassen zu verteilen – mit der Folge, dass diese bestehenden Regelklassen aufgebrochen und neu zusammengesetzt werden müssen. „Kinder“, so Ulrich Ponsa, „sollten in ihrem Verbund bleiben können.“
>>>Für die Zuwandererkinder „neu denken“
Die Lage der Gesamtschulen, so Carsten Piechnik, sei durch Inklusion und Integration ohnehin prekär: Von den laut Statistik 80 Lehrern der Erich-Fried-Gesamtschule fehlten so viele, dass es einen Sonderplan gebe, um die Ausfälle bis zum Schuljahresende abdecken zu können; Lehrerstellen seien ausgeschrieben, könnten aber nicht besetzt werden, weil es die Lehrer nicht gebe oder sie andere Schulformen bevorzugten. Viele Stellen seien auch für Seiteneinsteiger ausgeschrieben: Fachlich kompetent zu sein, sei eins. Ein anderes sei es aber, sagt Carsten Piechnik, mit belasteten Kindern umzugehen. Sowohl er als auch Ulrich Ponsa forderten, dass alle Schulformen gemeinsam die Aufgabe der Integration der Kinder aus Zuwandererfamilien lösen müssten.
„Wir bedauern sehr, dass wir die Kinder nicht behalten dürfen“, betonte Uwe Scholle, Sprecher der Herner Realschulen. Das Dilemma seien gesetzliche Regelungen, die dies nicht zuließen und von denen sie alle gehofft hätten, dass sie geändert worden wären.
Als „sehr ernst“ bezeichnete auch Jörg Höhfeld (Grüne) die Situation. Letztlich sei das gegliederte Schulsystem Ursache der Misere. Doch dieses Fass aufzumachen, halte er für aussichtslos. Dennoch müsse man für die Zuwandererkinder „neu denken“, denn was nun geschehe, sei keine Integration, sondern führe zur Desintegration bestehender Systeme.