Herne. . Der Organisator des erotischen Adventsmarktes Herne wehrt sich im Doppelinterview mit Pfarrer Arnd Röbbelen gegen Kritik. Das sind die Argumente.

Das Geschäft mit dem Weihnachtsfest boomt: Neben dem weihnachtlichen Kirmes-Spektakel auf Cranger gibt’s am Wochenende im Eickeler Kaisersaal einen erotischen Adventsmarkt. Die Veranstalter wollen „raus aus der Schmuddelecke“ und mit „maßgefertigten Korsetts“ und „in Handarbeit hergestellte Schlagutensilien“ kauffreudige Kundschaft begeistern. WAZ-Redakteurin Karoline Poll sprach mit Organisator Markus Jansen und dem Herner Theologen Arnd Röbbelen darüber, ob Sex-Spielzeug wirklich etwas mit Weihnachten zu tun hat.

Der erotische Adventsmarkt wirbt mit strippenden Engeln und Nikoläusen. Ärgert Sie so etwas, Herr Pfarrer?

Arnd Röbbelen: Da werden zwei Welten vermischt, die nicht zueinander passen. Ich frage mich sowieso, ob Weihnachtsmärkte nicht völlig sinnentleert sind.Wir sind am Ende des Kirchenjahres, da gedenken wir der Verstorbenen. Das ist eine Unzeit für Weihnachtsmärkte.

Erotikbranche macht Umsatz mit Advent

Das sehen die Erotik-Markt-Organisatoren wahrscheinlich anders. Warum passen Peitschen und Korsagen zur Weihnachtsgeschichte?

Pfarrer Arnd Röbbelen und Erotik-Markt-Organisator sprechen im Doppelinterview über die Kommerzialisierung von Weihnachten.
Pfarrer Arnd Röbbelen und Erotik-Markt-Organisator sprechen im Doppelinterview über die Kommerzialisierung von Weihnachten. © Rainer Raffalski

Markus Jansen: Dass die nicht zur Weihnachtsgeschichte passen, ist klar. Ein strippender Nikolaus und ein tanzender Engel sind für uns Teil der Show.

Röbbelen: Auch die Erotikbranche nutzt die Adventszeit, um Umsatz zu machen. Sie schwimmen im Strom der Kommerzialisierung mit.

Jansen: Im besten Fall hat Erotik doch auch etwas mit Liebe zu tun. Und das ist doch Weihnachten pur.

Röbbelen: Na ja, Weihnachten hat insofern was mit Liebe zu tun, als wir Christen die Botschaft, dass Gott uns in dem Kind in der Krippe so nah kommt, als Liebeshandeln Gottes begreifen. Das hat aber mit erotischer Liebe und erst recht mit kommerzialisierter Erotik nichts zu tun.

Schwester starb im Hospiz

Herr Jansen, wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, Weihnachten und Erotik miteinander zu verbinden?

Jansen: Nun, dieser erotische Adventsmarkt ist aus einer Schnapslaune entstanden. Wir hatten eigentlich einen Weihnachtsbaumverkauf für das Herner Hospiz geplant.

Zur Person

Markus Jansen (47) ist gelernter Gasinstallateur und organisiert mittlerweile als freiberuflicher Eventmanager erotische Pärchen-Events. Markus Jansen kommt aus Gelsenkirchen und hat zwei Kinder im Alter von 19 bis 22 Jahren.

Arnd Röbbelen (54) ist Theologe und beim Kirchenkreis Herne für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Der Pfarrer steht deshalb nur noch selten auf der Kanzel. Er war außerdem Religionslehrer an der Hiberniaschule. Arnd Röbbelen ist gebürtiger Herner. Er ist geschieden und hat zwei Kinder, neun und 14 Jahre alt.

Warum das?

Jansen: Meine Schwester ist dort vor drei Jahren an Krebs gestorben. Sie wurde im Marien Hospital behandelt, hatte aber zu viele Metastasen. Im Hospiz haben sich alle sehr um meine Schwester gekümmert. Ich war sehr beeindruckt, wie dort mit dem Menschen umgegangen wird. Ich habe also noch eine Rechnung offen, will etwas zurückgeben.

Weihnachtsbaumverkauf

Und wie kam der Erotik-Markt dazu?

Jansen: Ich bin in der Szene verbandelt und habe gesehen, dass es etwas ähnliches nur in Hamburg gibt. Wir haben uns im Ruhrgebiet dann einige Objekte angesehen, und der Kaisersaal mit dem umzäunten Gelände hat die besten Voraussetzungen gehabt. Den Weihnachtsbaumverkauf gibt’s natürlich trotzdem, allerdings vor dem Gelände.

Was für Menschen kommen denn zu einem erotischen Adventsmarkt?

Jansen: Da kommt der Arzt, der Rechtsanwalt, der Handwerker, der Bankangestellte. Auch viele Paare.

4000 bis 5000 Besuchern an den drei Tagen

Und mit wie vielen Leuten rechnen Sie?

Jansen: Im Schnitt zwischen 4000 bis 5000 Besuchern an den drei Tagen. Wir haben Türsteher, die kontrollieren, dass niemand unter 18 Jahren bei uns reinkommt. Wir sind sehr zufrieden, unsere 20 Hütten sind lange ausgebucht. So einen Markt werden wir noch mal anbieten können.

Sie hören es, Herr Pfarrer: Weihnachtsmärkte werden immer beliebter und größer. Warum stört Sie das?

Röbbelen: Geht es in so einer Zeit nicht eher um Entschleunigung? Das ist doch alles reiner Stress. Man wird zugedröhnt mit Weihnachtslieder-Gedudel. Kann man den Trubel nicht auf vier Wochen begrenzen?

Mit diesem Plakat wirbt der Adventsmarkt.
Mit diesem Plakat wirbt der Adventsmarkt. © xtasia

Wir haben an der Christuskirche einen Adventsmarkt, der den Namen auch verdient. Da geht es nicht um den Profit. Die Buden haben zwei Stunden täglich geöffnet, man trifft sich. Es entsteht bestenfalls Gemeinschaft. Bei so einem Erotikmarkt geht es ja um die individuelle Lusterhöhung. Das ist für mich das Gegenteil von Advent. Das hat übrigens nichts mit Moral zu tun. Ich bin nicht lustfeindlich. Es ist nur nicht die Zeit dafür.

Gottesdienst an Heiligabend gut besucht

Kann denn nicht auch auf einem Erotik-Adventsmarkt oder dem Cranger Weihnachtszauber Gemeinschaft entstehen?

Röbbelen: Das kann sein. Aber ich glaube nicht, dass man mit dem Ziel auf eine Kirmes geht, mal innezuhalten. Das ist ja auch nicht die Intention der Betreiber.

Jansen: Das sehe ich anders. Wir trinken ja auch einen Glühwein miteinander. Bei uns sind Handys verboten, das regt Gespräche an.

Herr Pfarrer, Sie sähen so eine Menge an Menschen in diesen Tagen lieber in der Kirche.

Röbbelen: Der Gottesdienst an Heiligabend ist wahrscheinlich besser besucht als die Erotik-Messe. Allein in die Kreuzkirche kommen um die 1000 Menschen. Und wenn es um existenzielle Sachen im Leben geht, dann hilft ein Erotikmarkt nicht. Da kann uns als Kirche niemand ersetzten. Diese Fragen beantworten nicht Sat.1 oder die Bild-Zeitung.

Pfarrer geht auch auf Weihnachtsmärkte

Die Gretchenfrage: Wie halten Sie’s denn mit der Religion, Herr Jansen? Gehen Sie in den Gottesdienst?

Bis zu 1000 Menschen kommen zu Weihnachten  in die Kreuzkirche.
Bis zu 1000 Menschen kommen zu Weihnachten in die Kreuzkirche. © Sabine Hahnefeld

Jansen: Ja, ich bin mit Überzeugung Katholik. Ich kenne Kirche auch von innen – nicht nur zu Weihnachten.

Und Sie, Herr Pfarrer, – bei aller Kritik – gehen Sie denn auf Weihnachtsmärkte?

Röbbelen: Ja. Ich besuche im Advent mit meiner Freundin etwa das Schloß Moyland am Niederrhein, meistens auch einmal den Bochumer Markt. Auf den erotischen Weihnachtsmarkt werde ich aber sicher nicht gehen.