Herne. . Zehn Jahre Startercenter: Susanne Stegemann und Holger Stoye über persönliche Beratung, veränderte Bedingungen - und die Höhle der Löwen.

Das Herner Startercenter NRW feiert in diesen Tagen sein zehnjähriges Bestehen. Seit 2008 berät das Team im Innovations- und Gründerzentrum Menschen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen wollen. Startercenter-Leiterin Susanne Stegemann und Holger Stoye, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Herne, erläutern im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann, welche Bedeutung die Beratung hat und wie sie sich im Laufe der Jahre verändert.

Frau Stegemann, das Startercenter besteht jetzt seit zehn Jahren. Wie kam es zur Gründung?

Stegemann: So ungefähr jede zweite Organisation hatte es sich in der Vergangenheit auf die Fahnen geschrieben, Gründungsberatung zu machen. Banken, Freiwillige, Selbsternannte, selbst Kirchenkreise. Deshalb hat das Land das Etikett Startercenter entwickelt. Dafür musste man sich zertifizieren lassen, das waren die Kammern und die Wirtschaftsförderungen. Herne ist eins von aktuell 75 Startercentern in NRW.

Stoye: Das Land wollte damals eine Vereinheitlichung von Standards und Qualitäten, um Gründern Orientierung zu geben. Die Diskussionen damals waren intensiv, auch die Frage, wo sie hinkommen...

...das verblüfft ein wenig, dass Herne den Zuschlag bekommen hat. Die Stadt war ja nicht gerade für eine Gründerszene bekannt.

Stoye: Das sehe ich anders. Gründungen gibt es generell immer und überall. Die Frage ist, wie man sie von Anfang an gut begleiten kann. Im Ruhrgebiet denken die Menschen eher in Beschäftigungsverhältnissen und nicht so stark in Selbstständigkeit. Aber für die, die den Schritt wagen, braucht man einen Anker.

Auch Flüchtlingen versucht das STARTERCENTER den Weg in die Selbstständigkeit zu ebnen.
Auch Flüchtlingen versucht das STARTERCENTER den Weg in die Selbstständigkeit zu ebnen. © Joachim Haenisch

Können Sie sich an Ihre erste Beratung erinnern?

Stegemann: Ja, das war in der zweiten Woche. Einer der ersten Kunden war der Architekt Carsten Kapala, der auch Mieter hier im Innovationszentrum ist. Ebenfalls zu den ersten gehörte der Handwerksbetrieb Posser und Iwanicki, der sich seitdem sehr gut entwickelt hat.

Stoye: Das Spannende für die Stadt Herne ist, dass wir heute mehr Unternehmertum haben und eine größere Bandbreite anbieten können. Für Neuansiedlungen sind Gründer unerlässlich. Aus dem Grubengold mit 300.000 Bergleuten sind heute 300.000 Studenten geworden. Das ist einer der Garanten, um am Standort Ruhrgebiet nach vorne zu kommen. Und da sind eben viele potenzielle Gründer dabei.

Wie hat sich die Beratung im Laufe der Jahre verändert?

Stegemann: Die Arbeit, die wir heute machen, hat mit der von 2008 nicht mehr viel zu tun.

Warum?

Stegemann: Die Menschen befinden sich in völlig anderen Situationen. Der Start fiel in eine Zeit mit einer sehr hohen Arbeitslosenquote, bei der Dinge wie Ich-AG und Überbrückungsgeld eine Rolle spielten. Damals haben viele Menschen auf Grund ihrer persönlichen Situation den Weg in die Selbstständigkeit gesucht, sie wollten der Arbeitslosigkeit entfliehen. Wir wurden quasi bestürmt von Menschen, die in einer Gründung einen Ausweg sahen.

Stoye: Die Ergebnisse waren sehr unterschiedlich. Einige wenige hatten Erfolg, Viele mussten schnell aufgeben.

Stegemann: Was nach wie vor nachgefragt ist, ist die persönliche Einzelberatung. Um zu sehen, wo jemand steht und wo es hingehen kann.

Es gibt ja das TV-Format „Höhle der Löwen“, bei dem Gründer Investoren suchen. Hat das Einfluss auf die Arbeit des Startercenters?

Stegemann: Ja, insofern als dass die Thematik der Gründung ins Bewusstsein gekommen ist. Das war vorher überhaupt nicht der Fall. Das spüren wir.

Stoye: Die gesellschaftliche Akzeptanz, dass jemand nicht im sicheren Angestelltenverhältnis bleibt, sondern ins Risiko geht und sich selbstständig macht, ist gewachsen. Die Einstellung ist lockerer. Das liegt auch daran, dass es Planspiele gibt wie „Start up | at School“ z.B. am Mulvany-Berufskolleg und auch an den Hochschulen die Vorbereitung besser ist.

Mit ihrer Cleo-Bürste gewannen Oksana Gavrilova, Kübra Eker, Bianca Schultz und Mallia Gluck (v.l.) 2017 den Gründungswettbewerb „Start up at School“.
Mit ihrer Cleo-Bürste gewannen Oksana Gavrilova, Kübra Eker, Bianca Schultz und Mallia Gluck (v.l.) 2017 den Gründungswettbewerb „Start up at School“. © Svenja Hanusch

Stegemann: Für einen Teil ist es mittlerweile hipper, sich selbstständig zu machen als zu einem DAX-Unternehmen zu gehen.

Stoye: Viele gründen aus Überzeugung und mit einer hohen Motivation.

Wie sieht es mit der Verteilung der Branchen bei Gründungen in Herne aus?

Stegemann: Der Handwerker kommt nach wie vor, aber es sind verstärkt Dienstleistungen, mit denen sich Menschen selbstständig machen. So Dinge wie Personal Coaching in der Gesundheit oder IT-Dienstleistungen. Früher war jede zweite Gründung Hausmeisterdienste, Imbiss, Kiosk, Nagelstudio oder Schrotthandel. Seit zwei, drei Jahren gibt es den Trend, dass Menschen jenseits der 40 aus ganz sicheren beruflichen Verhältnissen entweder kündigen oder sich im Nebenerwerb gründen.

Die letzte Frage mag etwas rhetorisch klingen: Ist das Startercenter nach zehn Jahren eine Erfolgsgeschichte?

Beide: Absolut!

Stegemann: Das Interessante ist, dass wir immer noch nachgefragt werden. Die Arbeitslosenquote sinkt, damit müsste auch die Zahl der Beratungen sinken, das tut sie aber nicht. Das ist für uns ein Zeichen, dass die Leute mit uns persönlich sprechen und sich austauschen wollen. Und das ist nicht zu ersetzen. Das ist eine der größten Hilfestellungen, die wir geben können.

Stoye: Es ist auch aus ganz unterschiedlichen Betrachtungsweisen eine Erfolgsgeschichte. Es gehört zu einer Stadtentwicklung dazu, dieses Themenfeld vernünftig zu besetzen.

Stegemann: Und durch Kooperationen mit anderen Städten wird Herne auch wahrgenommen, in diesem Bereich sind wir ein starker Partner im Ruhrgebiet. Mit dem Angebot, was es im Ruhrgebiet in Sachen Gründung gibt, stecken wir Berlin locker in die Tasche.

Stoye: Das Vertrauen hier in Herne in die Expertise des Startercenters ist sehr groß, und dieser große Sachverstand wird auch in den Nachbarstädten herum sehr geschätzt.

Gründungs-Chaoten-Show zum Jubiläum

Das Herner STARTERCENTER hatte in den vergangenen zehn Jahren etwa 25.000 Kontakte und hat über 4000 Beratungen durchgeführt. Im ersten Jahr gab es 226 Beratungsgespräche und 44 realisierte Vorhaben, 2018 (Stand Oktober) waren es 359 Beratungen und 68 realisierte Vorhaben. Die Gründungs-Chaoten feierten 2016 ihre Premiere. Foto: Walter Fischer

Den runden Geburtstag feiert das STARTERCENTER am kommenden Dienstag, 27. November, ab 18.30 Uhr in den Flottmann-Hallen mit der Show Gründungs-Chaoten. Vier Gründer aus drei Firmen beschreiben auf lustige Weise ihren Weg in die Selbstständigkeit. Anmeldung: HER 925113.

>>> Hier gibt es Hilfe für Existenzgründer

  • Wer sich mit dem Gedanken trägt, ein Unternehmen zu gründen, bekommt beim STARTERCENTER am Westring 303 Rat und Hilfe.
  • Susanne Stegemann, HER 925 388, stegemann@wfg-herne.de.
  • Kornelia Alles, HER 925 243, alles@wfg-herne.de.
  • Weitere Info: wfg-herne.de