Herne. . Die Zuwanderung von Rumänen und Bulgaren sorgte auch in Herne für Probleme. Die Stadt richtete 2016 zwei Anlaufstellen an. Das ist ihr Fazit.

Mit dem 2014 in der Europäischen Union eingeführten Recht auf Freizügigkeit für EU-Arbeitnehmer ist in Herne die Zahl der Rumänen und Bulgaren sprunghaft angestiegen, was auch zu Problemen führte. Im März 2016 hat die Stadt mit freien Trägern in Herne zwei Anlaufstellen für Rumänen und Bulgaren eingerichtet.

Die bisherigen Ergebnisse von LiHA, so die Kurzform des schrecklich langen Namens (siehe unten), können sich nach Einschätzung aller Beteiligten sehen lassen. Die Stadt will deshalb das Projekt auch nach Auslaufen der Förderung durch EU und Bund im Dezember unbedingt fortsetzen. Der Antrag auf eine zweijährige Anschlussförderung ist bereits gestellt worden. „Die Chancen stehen gut“, sagt Sozialdezernent Johannes Chudziak.

Bezogen auf die Meldedaten seien bisher 61 Prozent aller erwachsenen Südosteuropäer aus diesen beiden EU-Ländern erreicht worden, berichtet LiHA-Leiterin und Stadtmitarbeiterin Ulrike Sorge. In absoluten Zahlen: Seit 2016 hätten 1374 Erwachsene aus Rumänien und Bulgarien die Anlaufstelle aufgesucht. „Etwa 72 Prozent der Ratsuchenden wurden an ein reguläres Hilfsangebot verwiesen beziehungsweise zu Behörden und Institutionen begleitet“, sagt Sorge.

Stellen ausschließlich mit Muttersprachlern besetzt

Es gebe zwar in Herne genug Angebote für diese Menschen, die aber von der Zielgruppe zu selten wahrgenommen würden. Das liege unter anderem auch an der Sprachbarriere. Für die im Rathaus Wanne und im DRK-Haus am Berliner Platz in Herne-Mitte eingerichteten LiHA-Beratungsstellen gilt dies nicht: Die 5,5 Stellen seien ausschließlich mit Muttersprachlern besetzt, so Ulrike Sorge. Auch für Kontinuität sei gesorgt: „Alle zum Start eingestellten Mitarbeiter sind noch bei uns beschäftigt.“

Eine der beiden Anlaufstellen ist im Rathaus Wanne.
Eine der beiden Anlaufstellen ist im Rathaus Wanne. © Svenja Hanusch

Eine niederschwellige Beratung biete LiHA an und fungiere dabei als Brücke zu den bereits bestehenden Angeboten in Herne. Zu den Tätigkeiten der sozialpädagogischen Fachkräfte gehörten unter anderem auch eine aufsuchende Beratung sowie die Durchführung von Gruppenveranstaltungen zu unterschiedlichen Themen. „Wer hier ankommt, ist erst einmal überfordert mit unserer Komplettbürokratie“, so Sorge. Und: Die Skepsis gegenüber Behörden sei aufgrund negativer Erfahrungen und zum Teil auch Diskriminierungen im Herkunftsland groß.

Den Komplex „Beschäftigung und Arbeitsmarktintegration“ dürfe LiHA leider nicht aufgreifen. „Das ist ein großes Manko“, sagt die Leiterin. Dabei wäre gerade hier eine Beratung wichtig, damit sich Zuwanderer auf eigene Füße stellen können. Nicht erlaubt sei auch die Begleitung von Familien mit Kindern unter 16 Jahren zu Schulen oder Kitas. Das soll sich jedoch künftig ändern – zumindest für Kinder unter sieben Jahren.

Stadt weist auch auf Konflikte durch Zuwanderung hin

Nicht verschweigen will die Stadt, dass die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien Probleme mache und zu Konflikten führe. Kriminelle Strukturen und Ausbeutung durch Schlepper benennt Dezernent Chudziak hier ebenso wie die sogenannten Problemhäuser, die überwiegend von Rumänen und Bulgaren bewohnt würden. Und auch das Fehlen von Schulabschlüssen und -kenntnissen stelle die Stadt vor Herausforderungen.

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Ulrike Sorge appelliert jedoch an die Herner Bevölkerung, genau hinzuschauen und sich nicht von Vorurteilen leiten zu lassen: „Einige verhalten sich regelwidrig, und alle anderen müssen dafür kollektiv haften.“ Auch in manchen Behörden gebe es leider teilweise Vorbehalte gegenüber Zuwanderern aus Südosteuropa.

Jobcenter ist bei Prüfung von Ansprüchen konsequent

Die Zahl der Konflikte sei inzwischen rückläufig, was die Stadt nicht zuletzt auf LiHA zurückführt. „Bei Bürgerbeschwerden über nächtliche Ruhestörungen und Vermüllungen gibt es einen deutlichen Rückgang“, betont Johannes Chudziak.

Stichwort Sozialbetrug: Das Herner Jobcenter sei bei der Prüfung von Ansprüchen sehr konsequent, berichtet der Dezernent. Der Anteil der rumänischen und bulgarischen Bedarfsgemeinschaften, sprich: der Hartz-IV-Bezieher aus diesen Ländern sei deshalb in Herne mit 1,7 Prozent nicht sehr hoch. Leistungen vom Jobcenter erhalte nur, wer über eine längere Zeit eine Arbeitsstelle hatte oder wer einen Job hat, der nicht bedarfsdeckend ist. Als einzige Regelleistung erhielten Rumänen und Bulgaren Kindergeld.

>>> Zuwanderung nimmt leicht zu

  • 3119 Bürger aus Südosteuropa sind derzeit in Herne gemeldet - 2091 Rumänen und 1028 Bulgaren. Das entspricht einem Anteil von 1,9 Prozent an der Gesamtbevölkerung in Herne. Die Zahlen stagnierten über mehrere Jahre, steigen aber seit Januar leicht an. Bei den Zuwanderern handelt es sich überwiegend um Familien mit Kindern.
  • 4 freie Träger hat die Stadt für LiHA ins Boot bzw. in den Kooperationsverbund geholt: die Caritas, die Gesellschaft freie Sozialarbeit, PlanB Ruhr und den Verein IFAK.
  • 850 000 Euro beträgt der LiHA-Etat während des Projektzeitraums. 85 Prozent der Mittel stammen aus dem Europäischen Hilfsfonds, 10 Prozent steuert der Bund bei und nur 5 Prozent muss die Stadt selbst tragen.
  • 1081 Beratungsfälle mit insgesamt 3783 persönlichen Kontakten/Beratungen hat die Stadt seit 2016 registriert. In 764 Fällen (71 Prozent) gab es 1 bis 4 Kontakte, in 21 Fällen (1,9 Prozent) 24 bis 54 Kontakte.
  • 295 Mal ging es in den Beratungsfällen um den Komplex „Bürgeramt“. Häufige Anliegen waren auch die Bereiche Krankenkasse (275), Gesundheitsamt (140) und Sprachkurse (105).
  • 12 Wörter stehen hinter der Kurzform LiHA. Und zwar: „Leben in Herne - Anlaufstellen für erwachsene (neu)zugewanderte Bürger/-innen aus Rumänien und Bulgarien“.