Herne. . Die Herner SPD-Abgeordnete Michelle Müntefering hat ihre erste Legislaturperiode hinter sich gebracht. Ein Erfolg: die Entlastung der Städte.
- Müntefering fühlt sich in Herne verwurzelt und hat in Berlin immer für die Interessen der Städte gekämpft
- Die Außenpolitik, in der sie aktiv ist, bezeichnet sie als entscheidendes Thema der Zeit
- Sie hält es für falsch, sich im Wahlkampf an den Umfragewerten zu orientieren
Es ist ein fester Bestandteil der Vorstellung der Herner Bundestagskandidaten: ein Foto an einem selbst gewählten Ort. Die Akademie Mont-Cenis liegt in dieser Hinsicht an der Spitze. Da verblüfft es im ersten Moment, dass Michelle Müntefering sich lediglich die Bahnhofstraße ausgesucht hat. Doch Müntefering hat den Ort mit Bedacht gewählt,...
...denn die Bahnhofstraße ist das Zentrum ihrer Geburtsstadt, ihr Fußweg zum SPD-Wahlkreisbüro an der Bochumer Straße. „Wenn ich durch Herne gehe, das ist dann manchmal wie eine kleine Bürgersprechstunde.“ Diese Verbindung zu den Menschen habe sie schon beim früheren Oberbürgermeister Willi Pohlmann bewundert, der „mal kurz in die Stadt“ ging und eineinhalb Stunden wegblieb, weil er so viele Menschen getroffen hat. Herne sei für sie ein Magnet – hier wohnt sie, hier kauft sie. „Zu wissen, da sind die Wurzeln, das ist meine Heimat, ist immer auch Erdung für die politische Arbeit“, sagt die 37-Jährige.
Ihre Arbeit im Bundestag bezeichnet sie als „Montage unter der Kuppel“. Nach ihrer ersten Legislaturperiode ist nun die Zeit zur Bilanzierung.
„Es braucht Zeit, die eigenen Themen zu finden, aber Politik ist Marathon, nie Sprint. Als Journalistin und Kommunalpolitikerin wusste ich: Ich kann mich in alles einarbeiten“, beschreibt sie ihre Eindrücke aus den Anfangsmonaten. Ihr erklärtes Ziel, Kommunales beizubehalten, habe sie erreicht – Müntefering ist Mitglied im entsprechenden Unterausschuss. Und wenn sie ein Etikett benennen müsste, auf dem steht „Das hat Michelle Müntefering für Herne erreicht“, dann sei es die finanzielle Entlastung der Kommunen. „Dafür habe ich gekämpft, in der Fraktion und auch mit den Ministern. Erfolgreich.“
Das Kommunale bildet einen Gegensatz zu ihrem anderen großen Themenfeld: Außenpolitik. Als parlamentarischer Neuling zog sie in den Auswärtigen Ausschuss ein. „Außenpolitik ist eins der entscheidenden Themen unserer Zeit“, sagt Müntefering. Ein Thema, für das sie erstmal ihre Englischkenntnisse verbessert habe.
Keine Orientierung an Umfragen
Als Schlüsselerlebnis schildert sie eine Reise mit dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach Indien und Afghanistan. In Afghanistan habe sie Frauen getroffen, die für die Rechte von Frauen und Mädchen eintreten, diese hätten ihr unter Tränen von ihren Töchtern erzählt, die nun endlich zur Schule gehen könnten. Sie solle den Deutschen Zuhause sagen: „Danke“. Was auf sie als Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe zukommen würde, sei vor vier Jahren nicht abzusehen gewesen. Münteferings Name tauchte auf der Liste angeblicher Staatsfeinde der Türkei auf. Sprechen möchte sie über diese Angelegenheit nicht mehr. Generell gelte, dass Außenpolitik lange Linien verfolge und nichts für Schlagzeilen sei.
Als Außenstehender ist es schwer einzuschätzen, wie sehr Müntefering türkische Anfeindungen und zuletzt der Brandanschlag auf ihre Autos zusetzen. Äußerlich wirkt sie entschlossen. Keinen ihrer Wahlkampftermine hat sie abgesagt. Sie kämpfe dafür, in Zukunft jene Dinge umzusetzen, die in der Großen Koalition nicht möglich gewesen seien.
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Dass die Umfragen seit Monaten nicht darauf hindeuten, dass die SPD die stärkste Fraktion wird, macht Müntefering nicht mutlos. „Umfragen können sich sehr schnell ändern“, bei den Unterhauswahlen in England habe sich die Lage in nur drei Wochen völlig verändert. „Sich an Umfragen zu orientieren ist falsch“, sagt sie. Das Programm sei gut, der Kandidat sei gut. Sie selbst kämpfe, um den Wahlkreise zu gewinnen. Auf eine Einschätzung ihrer Chancen will sie sich nicht einlassen, aber vielleicht hilft ja folgender Hinweis: Vor vier Jahren hatte Michelle Müntefering das beste Wahlergebnis aller SPD-Kandidatinnen.
>> VIER FRAGEN AN
FC Schalke oder Borussia Dortmund?
Ganz klar Schalke. Michelle Müntefering ist Mitgründerin der „Kuppelknappen“ im Bundestag, einem offiziell eingetragenen Schalke-Fanclub. 2016 bekam sie von Schalke-Legende Gerald Asamoah ein Trikot überreicht.
Lieblingskarussell auf der Cranger Kirmes?
Seit Jahren der Happy Sailor. Damit sei sie auch in diesem Jahr mehrere Male gefahren.
Lieblings-Fernsehserie?
Unter anderem „Big Bang Theory“ und „Game of Thrones“. Häufig schaue sie Serien während der Zugfahrt von Berlin nach Herne. Sie bezeichnet sich selbst als Serien-Junkie. Mit der Herner Serien-Expertin Annika Leichner könne sie intensive Diskussionen führen.
Was fehlt ihr?
Zeit, sich mal komplett aus dem Alltag rauszuziehen. „Ich würde viel mehr Bücher lesen als es mir möglich ist.“
>> ZUR PERSON
Michelle Müntefering besuchte die Hiberniaschule in Holsterhausen und absolvierte dort eine Ausbildung zur Kinderpflegerin. Nach ihrem Abitur studierte sie Journalismus und arbeitete zunächst freiberuflich. Von 2008 bis 2010 machte sie ein Volontariat bei der Vorwärts-Verlagsgesellschaft.
Mit 22 Jahren wurde sie 2002 stellvertretende Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Herne. 2004 wurde sie in den Landesvorstand der SPD gewählt - als jüngstes Mitglied.
Vor ihrer Nominierung zur Bundestagskandidatin setzte sie sich in einer Kampfabstimmung gegen Anke Hildenbrand durch. Sie gewann den Wahlkreis Herne/Bochum II - und damit das Direktmandat - mit 48,88 Prozent der Stimmen.